Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)
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KAPITAL<br />
Report<br />
DER RIESE WANKT<br />
Verheddert in Prozessen,<br />
die Gewinne auffressen.<br />
Im Streit mit der Politik,<br />
die weiter regulieren<br />
will. Der Ruf ruiniert, die<br />
Zukunft ungewiss. Zur<br />
Lage der Deutschen Bank<br />
Von MEIKE SCHREIBER <strong>und</strong><br />
HEINZ-ROGER DOHMS<br />
Kritik kann ein Jürgen Fitschen<br />
schon aushalten, sonst wäre er<br />
nicht Vorstandschef der Deutschen<br />
Bank. Aber muss sich ein Mann an<br />
der Spitze dieses mächtigen Geldhauses<br />
vor den eigenen Leuten verhohnepiepeln<br />
lassen? Jürgen Fitschen sitzt ganz links<br />
auf der Bühne, er hat seine übliche Haltung<br />
eingenommen, ein Bein über das andere<br />
geschlagen, die Hände vor die Knie<br />
gespannt. Souverän <strong>und</strong> gelassen soll das<br />
aussehen, aber das dürfte täuschen.<br />
Denn dieser Tag ist ein verfluchter<br />
Tag für Fitschen, 65, einer von zwei<br />
Vorstandsvorsitzenden der Deutschen<br />
Bank, Präsident <strong>des</strong> Bankenverbands,<br />
Gesicht einer Branche. Vermutlich ist<br />
dieser 4. Dezember 2013 für ihn sogar<br />
der schlimmste Tag <strong>des</strong> <strong>Jahres</strong>. Am Morgen<br />
berichteten alle Zeitungen über eine<br />
Razzia bei der Commerzbank. Am Vormittag<br />
teilte die EU-Kommission mit,<br />
dass sie wegen „schockierender Absprachen“<br />
eine Kartellstrafe in Rekordhöhe<br />
gegen die Deutsche Bank <strong>und</strong> andere<br />
Institute verhängt hat. Am Nachmittag<br />
lief über die Nachrichtenticker ein Zitat<br />
<strong>des</strong> B<strong>und</strong>esfinanzministers: „<strong>Die</strong> Kreativität<br />
der Banken, die Regulierung zu<br />
umgehen, ist weiterhin groß“, sagte da<br />
Wolfgang Schäuble. Das ging auch gegen<br />
Fitschen.<br />
Da hätte wenigstens der Abend<br />
schön werden können. Er ist Gastgeber<br />
im Berliner Allianz Forum am Pariser<br />
Platz, bei einer Veranstaltungsreihe seines<br />
Bankenverban<strong>des</strong>. Sie heißt „Reflexionen“,<br />
so nennen Banker es heute, wenn<br />
sie über die Kritik an ihrem Gebaren ein<br />
wenig fachsimpeln wollen. Von den Plätzen<br />
im Publikum schauen die Kollegen zu<br />
Fitschen hoch auf die Bühne. Dort sitzt<br />
auch Sven Giegold, der Bankenfachmann<br />
der Grünen im Europaparlament. Früher,<br />
als Mitbegründer <strong>des</strong> linken Netzwerks<br />
Attac, hätte sich Giegold wohl nur mit<br />
Gewalt Zugang zu einer solchen Veranstaltung<br />
verschaffen können. Aber, hey,<br />
auch Gegner müssen souverän eingeb<strong>und</strong>en<br />
werden, wenn man seine Kultur renoviert.<br />
Da kann man als Bankenriese<br />
ruhig mal einen Zwerg einladen.<br />
Giegold macht sich gerade, verzieht<br />
keine Miene <strong>und</strong> sagt: „Wie die<br />
Bankenlobby es geschafft hat, all die<br />
schlechten Nachrichten ausgerechnet<br />
auf den Tag unserer Diskussion zu legen,<br />
dazu kann ich Sie als Verband nur<br />
beglückwünschen.“<br />
Vermutlich soll das ein Witz sein.<br />
Doch es kommt rüber, als wolle der Gast<br />
Foto: Hannelore Förster/ Blomberg via Getty Images