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Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)

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TITEL<br />

<strong>Die</strong> Köpfe <strong>des</strong> <strong>Jahres</strong><br />

FEMEN<br />

Blank ziehen allein reicht nicht. Wer<br />

etwas erreichen <strong>und</strong> glaubwürdig bleiben<br />

will, muss Protest klüger einsetzen<br />

als die Femen-Frauen.<br />

<strong>Die</strong> Aktivistinnen<br />

demonstrieren<br />

mit den gleichen<br />

Mitteln gegen die<br />

Unterdrückung<br />

von Frauen in<br />

Tunesien wie<br />

gegen ein<br />

Barbiehaus<br />

in Berlin.<br />

Was 2008 in<br />

der Ukraine als<br />

berechtigter Protest<br />

gegen Sextourismus<br />

<strong>und</strong> Zuhälterei<br />

begann, ist zu<br />

einer beliebigen<br />

Zurschaustellung<br />

weiblicher<br />

Nacktheit geworden.<br />

Es geht nicht<br />

mehr um Inhalte,<br />

sondern nur noch<br />

um Bilder.<br />

SILVIO BERLUSCONI<br />

dachte, er könne auch<br />

dieses Mal der Justiz<br />

<strong>und</strong> Politik den Stinkefinger<br />

zeigen. Mit seiner<br />

ignoranten Respektlosigkeit hatte sich<br />

Italiens Ex-Premier stets durchgesetzt.<br />

Nun hat er überzogen. Erst wurde er<br />

wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig<br />

zu einer Haftstrafe verurteilt, dann<br />

verweigerte ihm sein Vertrauter Angelino<br />

Alfano die Unterstützung beim<br />

Sturz der Letta-Regierung. Schließlich<br />

schloss ihn Italiens Senat aus. Mit der<br />

Karriere scheint es zu Ende zu gehen.<br />

CRISTINA FERNÁNDEZ<br />

DE KIRCHNER<br />

hat die Parlamentswahl<br />

gewonnen <strong>und</strong> dennoch<br />

verloren. Ihre Partei<br />

„Front für den Sieg“ bleibt zwar die<br />

stärkste politische Kraft in Argentinien,<br />

nach herben Verlusten verfehlte<br />

sie aber das erklärte Ziel, in beiden<br />

Kongresskammern eine Zwei-Drittel-<br />

Mehrheit zu erreichen. Nur diese hätte<br />

Kirchner es ermöglicht, über eine<br />

Verfassungsänderung ein weiteres Mal<br />

als Präsidentin zu kandidieren. Seit<br />

2003 sind die Kirchners als Präsidenten<br />

an der Macht, erst der inzwischen<br />

verstorbene Néstor Kirchner, seit 2007<br />

seine Frau Cristina. Nun geht diese Ära<br />

zu Ende. Argentinien bereitet sich auf<br />

die Post-Kirchner-Zeit vor.<br />

FRANÇOIS HOLLANDE<br />

packt notwendige Refor men nicht<br />

an, wirkt macht- <strong>und</strong> ratlos <strong>und</strong><br />

wurde, nachdem er sich für eine<br />

militärische Intervention in Syrien<br />

starkmachte, von Großbritannien <strong>und</strong><br />

den USA im Regen stehen gelassen.<br />

<strong>Die</strong> Staatsverschuldung wächst,<br />

die Kreditwürdigkeit <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> ist<br />

herunter gestuft, gegen Hollan<strong>des</strong><br />

Steuerpläne gehen Bauern wie Unternehmer<br />

auf die Barrikaden. Der französische<br />

Staatschef ist so unbeliebt wie<br />

kein Präsident vor ihm.<br />

DAVID CAMERON<br />

hat nach den NSA-<br />

Veröffentlichungen im<br />

Guardian die Computer<br />

der Redaktion abräumen<br />

lassen, sich vom eigenen Parlament<br />

in der Syrienfrage lähmen lassen<br />

<strong>und</strong> sich mit einem EU-Referendum<br />

selbst unter Druck gebracht. Zuletzt<br />

legte er sich mit der EU an: Er wolle<br />

Maßnahmen ergreifen, um die freie<br />

Ortswahl, die das EU-Recht ab Januar<br />

2014 Bulgaren <strong>und</strong> Rumänen garantiert,<br />

einzuschränken. <strong>Die</strong> Antwort kam<br />

postwendend: Justizkommissarin Viviane<br />

Reding legte ihm den Austritt aus der<br />

EU nahe. Ungeschickter als der britische<br />

Premier kann man kaum agieren.<br />

EDWARD SNOWDEN<br />

wird als Held <strong>und</strong><br />

Freiheitskämpfer gefeiert.<br />

Sei ne eigene<br />

Freiheit hat er aber<br />

verloren. Vor seinen<br />

NSA-Enthüllungen hatte<br />

der Amerikaner ein beträchtliches<br />

Einkommen, eine attraktive<br />

Fre<strong>und</strong>in <strong>und</strong> ein Leben auf Hawaii. Seit<br />

seiner Flucht sitzt er in Russland fest,<br />

abhängig vom Wohlwol len Wladimir<br />

Putins, unter Kontrolle <strong>des</strong> russischen<br />

Geheimdiensts <strong>und</strong> weitgehend isoliert.<br />

BENJAMIN NETANJAHU<br />

wirkt angesichts der<br />

Charmeoffensive <strong>des</strong><br />

Iran wie der Chef<br />

aller Kriegshetzer. Mit<br />

seinem fortgesetzten<br />

Siedlungsbau verliert<br />

Israels Regierungschef auch noch<br />

die treuesten Fre<strong>und</strong>e – jüngst hat<br />

ihn dafür auch die Kanzlerin scharf<br />

kritisiert. Manch einem scheint<br />

Netanjahu einfach nur noch lästig,<br />

wenn er den Irandeal unablässig als<br />

„historischen Fehler“ brandmarkt.<br />

RECEP TAYYIP ERDOGAN<br />

hat spätestens seit seinem<br />

brutalen Vorgehen<br />

gegen Demonstranten im<br />

Gezi-Park sein wahres<br />

Gesicht gezeigt. Der Premier, der<br />

die Türkei durchaus demokratisiert<br />

hat, erweist sich als paternalistischer<br />

Feind einer offenen Gesellschaft.<br />

Er schränkte die Möglich keiten zu<br />

Kaiserschnitten ein, ließ ein Anti-<br />

Alkohol-Gesetz verabschieden, befand,<br />

dass Frauen drei Kinder bekommen<br />

sollten. So privatisiert Erdogan das<br />

Land <strong>und</strong> radikalisiert seine Partei.<br />

DILMA ROUSSEFF<br />

hat von ihrem Vorgänger einen Staat<br />

mit einer florierenden Wirtschaft<br />

übernommen. Nun hat Brasiliens<br />

Präsidentin mit sinkenden Wachstumsraten<br />

<strong>und</strong> einer unzufriedenen<br />

Bevölkerung zu kämpfen. Lange galt<br />

ihr Land als Vorzeigestaat unter den<br />

Schwellenländern. Doch die Zeiten<br />

<strong>des</strong> immerwährenden Booms scheinen<br />

vorbei zu sein. Schlechte Zeiten für ein<br />

Land, das als Gastgeber der Fußball-<br />

WM 2014 <strong>und</strong> der Olympischen Spiele<br />

2016 begeistern will.<br />

Fotos: Leo Novel/Corbis [M], Picture Alliance/DPA/AP Photo, Adem Altan/AFP/Getty Images, BREUEL BILD/OTNphotos, Action Press (2), Jorge William/Globo via Getty Images; Illustrationen: Miriam Migliazzi & Mart Klein, Sebastian Haslauer<br />

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<strong>Cicero</strong> – 1. 2014

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