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Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)

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Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters<br />

seinen Gastgeber verspotten. Ein kleiner<br />

Grünen-Abgeordneter, der nicht mal einen<br />

Schlips trägt, macht sich über den<br />

Chef der Deutschen Bank lustig! Bankenlobby?<br />

Beglückwünschen? Durch den<br />

Saal geht ein Raunen.<br />

SEIT ANDERTHALB JAHREN verantwortet<br />

Fitschen gemeinsam mit dem Briten<br />

Anshu Jain die Geschicke der Deutschen<br />

Bank. Ihr Vorgänger, der Schweizer Josef<br />

Ackermann, hatte bei seinem Abschied<br />

angekündigt, das Haus „besenrein“<br />

übergeben zu wollen. In Wirklichkeit<br />

hinterließ er eine Vielzahl von Affären,<br />

eine Art schmutzige Zeitbombe, die in<br />

unregelmäßigen Abständen neuen Schaden<br />

anrichtet. Der von Fitschen angestrebte<br />

Neuanfang hat sich bis auf Weiteres<br />

erledigt.<br />

Bei den vielen Skandalen geht es<br />

nicht mehr nur ums Renommee, sondern<br />

auch um das, was in dieser Welt<br />

wirklich zählt, die Rendite. Es geht jetzt<br />

ums Geld.<br />

Das Geld, das die Deutsche Bank im<br />

Alltagsgeschäft erwirtschaftet, floss zuletzt<br />

fast komplett in jene Bilanzposition,<br />

mit der künftige Rechnungen für Vergleiche<br />

<strong>und</strong> Prozessniederlagen bezahlt werden<br />

sollen. <strong>Auf</strong> 4,1 Milliarden Euro sind<br />

die Rückstellungen für Rechtsrisiken<br />

mittlerweile angewachsen. In normalen<br />

Zeiten würde das grob einem <strong>Jahres</strong>gewinn<br />

entsprechen.<br />

Wenn die globale Finanzbranche<br />

zurzeit fast wöchentlich von neuen Enthüllungen<br />

erschüttert wird, wird dabei<br />

auffallend oft auch Jains <strong>und</strong> Fitschens<br />

Deutsche Bank genannt. Im jüngsten Geschäftsbericht<br />

füllen die diversen Rechtsstreitigkeiten<br />

sechs eng beschriebene<br />

Seiten. Das Interesse der Aktionäre <strong>und</strong><br />

Analysten gilt dabei besonders drei Komplexen:<br />

Libor. Subprime. Kirch.<br />

Der Libor ist ein sogenannter Referenzzinssatz.<br />

Er beschreibt, zu welchen<br />

Konditionen sich Banken untereinander<br />

Geld leihen – <strong>und</strong> er bildet die<br />

Basis für die Berechnung unzähliger anderer<br />

Zinsgeschäfte, bis hin zum Hypothekenkredit<br />

für den normalen Häuslebauer.<br />

Inzwischen gilt als erwiesen, dass<br />

Mitarbeiter diverser Großbanken – darunter<br />

die Deutsche Bank – den Libor <strong>und</strong><br />

ähnliche Zinssätze wie den Euribor jahrelang<br />

manipuliert haben.<br />

Fitschen <strong>und</strong> Jain tun das Ganze<br />

gern als Fehlverhalten einzelner Händler<br />

ab. Doch vier infolge <strong>des</strong> Skandals<br />

gefeuerte Mitarbeiter klagten unlängst<br />

vor dem Arbeitsgericht Frankfurt erfolgreich<br />

auf Wiedereinstellung. <strong>Die</strong> Begründung:<br />

<strong>Die</strong> Bank trage wegen fehlender<br />

interner Kontrollen eine Mitschuld an<br />

den Verfehlungen.<br />

Ähnlich sehen das die EU-Kartellwächter.<br />

Von der 1,7 Milliarden Euro<br />

hohen Strafe, die sie am 4. Dezember<br />

gegen sechs internationale Großbanken<br />

verhängt haben, entfallen allein 725 Millionen<br />

Euro auf die Deutsche Bank. Weitere<br />

Strafzahlungen in dem Komplex drohen<br />

den Frankfurtern aus Ermittlungen<br />

in den USA <strong>und</strong> Großbritannien. Zudem<br />

sind Zivilklagen geschröpfter Investoren<br />

wahrscheinlich.<br />

Das Subprime-Debakel am US-Immobilienmarkt<br />

trug sich zwar schon<br />

2007 zu. Doch erst 2012 nahm eine Task<br />

Force unter dem amerikanischen Generalstaatsanwalt<br />

Eric Holder ernsthafte<br />

Ermittlungen gegen die beteiligten Banken<br />

auf. <strong>Die</strong> anfangs noch belächelte Sondereinheit<br />

verbreitet inzwischen Angst<br />

<strong>und</strong> Schrecken in der Branche. So trieb<br />

sie die US-Großbank JP Morgan diesen<br />

Herbst in einen beispiellosen Vergleich:<br />

Umgerechnet r<strong>und</strong> zehn Milliarden<br />

Euro berappte das Institut, um sich<br />

von weiteren Untersuchungen freizukaufen.<br />

Ähnliche, wenn auch nicht ganz so<br />

teure Deals strebt die US-Regierung nun<br />

offensichtlich mit weiteren Großbanken<br />

an – darunter: die Deutsche Bank. Auch<br />

in diesem Komplex, das zeigt das Beispiel<br />

JP Morgan, drohen daneben noch<br />

Zivilklagen.<br />

DER ZOFF MIT DER FAMILIE <strong>des</strong> inzwischen<br />

verstorbenen Medienunternehmers<br />

Leo Kirch beschäftigt die Deutsche<br />

Bank seit mehr als einem Jahrzehnt.<br />

Vorstandschef Rolf Breuer – der Vorgänger<br />

Ackermanns – soll das Kirch-Imperium<br />

einst durch Interviewaussagen bewusst<br />

in die Pleite getrieben haben. Vor<br />

einem Jahr schlug sich das Oberlan<strong>des</strong>gericht<br />

München überraschend klar auf<br />

die Seite der Kirch-Erben <strong>und</strong> verurteilte<br />

die Bank zur Zahlung von Schadensersatz.<br />

Über die Höhe müssen die Richter<br />

noch befinden. Es geht um bis zu zwei<br />

Milliarden Euro.<br />

<strong>Die</strong> ständigen juristischen Erschütterungen<br />

verändern die Tektonik der Bank.<br />

Längst sind die Juristen wichtiger als die<br />

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<strong>Cicero</strong> – 1. 2014

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