Cicero Die 100 Auf- und Absteiger des Jahres (Vorschau)
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KAPITAL<br />
Kommentar<br />
WANDEL? WELCHER<br />
WANDEL?<br />
Mit demselben Personal an der Spitze der Deutschen Bank ist eine Änderung<br />
der Unternehmenskultur unmöglich – so bleibt sie ein Risiko für Deutschland<br />
von LUDWIG POULLAIN<br />
<strong>Die</strong> Gründer der Bank haben, als<br />
sie 1870 für ihr Gebilde einen<br />
rechten Namen suchten, sich mit<br />
Bedacht für „Deutsche Bank“ entschieden.<br />
Ich denke, sie haben ihn zu ihrer<br />
Auszeichnung gewollt. Sie wollten sich<br />
<strong>und</strong> ihr Geldhaus damit schmücken.<br />
Gleichzeitig müssen sie sich der ethischen<br />
Verpflichtung bewusst gewesen<br />
sein, die sie mit dieser Namenswahl all<br />
ihren Nachfolgern aufbürdeten. Mit der<br />
Einflechtung <strong>des</strong> Wortes „Deutsche“ in<br />
den Namen der Bank verpflichteten sie<br />
sie ausdrücklich zum redlichen Tun.<br />
Bis 1989 Alfred Herrhausen durch<br />
ein Attentat ermordet wurde, sind meines<br />
Wissens alle Vorstände dieser Verpflichtung<br />
stets gerecht geworden. Nicht<br />
nur, dass sie den Namen ihrer Bank<br />
Es bedarf zunächst<br />
einer Kultur, wenn<br />
man sie ändern will.<br />
Das kann nicht<br />
gelingen, wenn die<br />
Kulturschaffenden<br />
einst selbst die<br />
Frevel begingen<br />
immer sauber gehalten haben, bis dahin<br />
haben sie auch, wenn dies im Interesse<br />
<strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> lag, auf manches lukrative<br />
Geschäft freiwillig verzichtet.<br />
<strong>Die</strong> Bombe, die Alfred Herrhausen<br />
getötet hat, war zugleich der <strong>Auf</strong>takt zur<br />
Zerstörung dieser besonderen Kultur, die<br />
sich die Bank im Laufe ihres langen Bestehens<br />
angeeignet hatte. Herrhausens<br />
Epigonen strichen sie ersatzlos <strong>und</strong> bildeten<br />
an deren Stelle eine hoch entwickelte<br />
Raffmentalität aus. Von nun an diente<br />
diesen Herren der einstmals stolze Name<br />
nur noch als Vehikel für die Anbahnung<br />
<strong>und</strong> Durchführung zweifelhafter Aktionen<br />
auf den globalen Märkten.<br />
Es liegt im Wesen der Banker, bei der<br />
Rechtfertigung ihres Tuns stets den bequemsten<br />
Weg zu gehen. Ich weiß dies,<br />
weil ich einmal selbst zu dieser Gilde<br />
gezählt habe. So wird man mir vorwerfen,<br />
ich würfe mit dicken Steinen aus einem<br />
Glashaus, wenn ich die Banker von<br />
heute kritisiere. Das mit dem Steinewerfen<br />
stimmt, aber ich schleudere sie auf<br />
freiem Feld. So leicht kann man meine<br />
Worte nicht beiseitewischen, weil ich mir<br />
in Bezug auf das Verhalten meiner Zunft<br />
nie das Wort habe verbieten lassen.<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Bank lässt mich nicht<br />
los. Sie tut aber auch alles in ihren Kräften<br />
Stehende, um sich im Gerede zu halten.<br />
Im steten Fluss dringen aus den finanzpolitischen<br />
Zentren der westlichen<br />
Welt Einzelheiten über Biestereien, an<br />
denen neben anderen Übeltäterbanken<br />
eben auch Deutschlands größtes Bankhaus<br />
beteiligt sein soll. Gerade erst hat<br />
die EU-Kommission die Deutsche Bank<br />
dazu verdonnert, eine Strafe von 725 Millionen<br />
Euro wegen der Beteiligung an<br />
Zinsmanipulationen zu zahlen. Zahlreiche<br />
andere Verfahren sind anhängig. Es<br />
fällt mir schwer zu glauben, dass diese<br />
Sünden auf Eigenmächtigkeiten regionaler<br />
Feudalherren der Bank zurückzuführen<br />
sind. Vieles deutet auf Methode <strong>und</strong><br />
Systematik hin.<br />
ALS NACH DEM ABTRITT Josef Ackermanns,<br />
dem Herrn mit dem unpassend<br />
bodenständigen Namen, mit Anshu Jain<br />
<strong>und</strong> Jürgen Fitschen zwei recht blass<br />
erscheinende Nachfolger als zweieiige<br />
Zwillinge an die Spitze berufen wurden,<br />
dachten sie, mit einem eiligst verkündeten<br />
Kulturwandel das Geschehene verblassen<br />
<strong>und</strong> eine neue Epoche hervorzaubern<br />
zu können.<br />
Kulturwandel, welch hehrer Begriff<br />
für den Versuch, ihr von Betrügereien<br />
verseuchtes Haus aus den Schlagzeilen zu<br />
bekommen. Spöttisch ließe sich anmerken,<br />
dass es zunächst einer Kultur bedarf,<br />
so man sie dann ändern will. Doch bisher<br />
sind in puncto Wandel nur zaghafte<br />
Ansätze in den peripheren Bereichen der<br />
Bank zu erkennen. Dass man nicht zum<br />
Kern <strong>des</strong> Übels vordringt, mag auch daran<br />
liegen, dass die beiden Kulturschaffenden<br />
in der Zeit, als diese Frevel geschahen,<br />
bereits in Leitungsfunktionen<br />
tätig waren, oder weil die Seuche von<br />
Gier <strong>und</strong> Unersättlichkeit sich wie Fäulnis<br />
ins Bankeninnere gefressen hat.<br />
Da Jain <strong>und</strong> Fitschen Teil <strong>des</strong> Problems<br />
sind, können sie für <strong>des</strong>sen Lösung<br />
keine überzeugenden Konzepte anbieten.<br />
Wie soll es einen Kulturwandel geben,<br />
wenn in den Führungsgremien der<br />
Bank nach wie vor dieselben Leute sitzen?<br />
Nicht nur Jain <strong>und</strong> Fitschen selbst,<br />
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<strong>Cicero</strong> – 1. 2014