1914–2014« - Österreich Journal
1914–2014« - Österreich Journal
1914–2014« - Österreich Journal
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 127 / 03. 02. 2014<br />
Wissenschaft & Technik<br />
Die Suche nach der<br />
Neutronenwelle<br />
Neutronen und ihre Welleneigenschaften: Ein bahnbrechendes<br />
Experiment, durchgeführt 1974 am Atominstitut, feiert Geburtstag.<br />
Es war sicher eines der bedeutendsten<br />
Experimente, die je in <strong>Österreich</strong> durchgeführt<br />
wurden: Vor 40 Jahren, am 11. Jänner<br />
1971, konnten Prof. Helmut Rauch und<br />
sein Team am Wiener Atominstitut erstmals<br />
nachweisen, daß Neutronen wellenartige Interferenzeigenschaften<br />
ähnlich wie Licht<br />
haben. Sie sind keine kleinen Kügelchen, die<br />
sich auf eindeutig festgelegten Bahnen bewegen,<br />
nach den Gesetzen der Quantenmechanik<br />
muß man sich Neutronen wie Wellen<br />
vorstellen, die sich durch Überlagerung verstärken<br />
oder auslöschen können. Diese weltweit<br />
aufsehenerregende Entdeckung war<br />
nicht nur das Produkt von jahrelanger harter<br />
Arbeit – wie immer in der Wissenschaft<br />
gehörte auch eine Portion Glück dazu.<br />
94<br />
Wellen und Teilchen<br />
Besteht Licht aus Teilchen oder Wellen?<br />
Darüber wurde jahrhundertelang gestritten,<br />
bis die Quantentheorie schließlich die Auflösung<br />
brachte: Es ist beides! Teilchen- und<br />
Welleneigenschaften lassen sich nicht voneinander<br />
trennen. Das bedeutet einerseits, daß<br />
Lichtwellen sich manchmal wie diskrete Partikel<br />
benehmen, es führt andererseits auch<br />
dazu, daß man massiven Teilchen einen Wellencharakter<br />
zugestehen muß. Wenn man etwa<br />
ein Elektron auf ein feines Gitter schießt,<br />
dann findet es nicht ein eindeutige Bahn<br />
zwischen zwei bestimmten Gitterstäben, wie<br />
das eine Gewehrkugel tun würde, sondern es<br />
schwappt ähnlich wie eine Welle durch alle<br />
Gitteröffnungen gleichzeitig hindurch.<br />
Damit lag allerdings die Frage nahe: Läßt<br />
sich diese Art von Wellen-Interferenz auch<br />
bei größeren, schweren Teilchen beobachten?<br />
Schon in den 60er-Jahren versuchte man, die<br />
Welleneigenschaften von Neutronen zu untersuchen<br />
– zunächst noch ohne Erfolg. Doch<br />
das Team am Wiener Versuchsreaktor probierte<br />
es mit einer neuen Methode: Aus Siliziumkristallen<br />
stellte man hochpräzise Interferometer<br />
her. „Die Neutronenwelle wird am<br />
regelmäßigen Kristallgitter gestreut, dadurch<br />
kann ein Neutronenstrahl in verschiedene<br />
Teilstrahlen aufgeteilt werden, die sich dann<br />
wieder zusammenführen und überlagern lassen“,<br />
erklärt Helmut Rauch.<br />
Fotos: TU WIen<br />
Eintrag im Original-Notizbuch: Der erste Nachweis von Neutronenwellen.<br />
Die Neutronenquelle des Atominstituts der TU Wien (im Jahr 2010).<br />
Der Effekt ähnelt dem bunten Schimmern<br />
einer CD, wenn man sie ins Licht hält: An<br />
den feinen regelmäßigen Strukturen einer<br />
CD wird Licht einer bestimmten Farbe in<br />
ganz bestimmte Richtungen abgelenkt.<br />
Die Entdeckung<br />
Daß sich auf diese Weise Röntgenstrahlen<br />
aufspalten und überlagern lassen, wußte<br />
man bereits – die entscheidende Frage war<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
also: Kann man mit Neutronen dieselben Interferenz-Experimente<br />
durchführen, die man<br />
von Röntgenstrahlen schon kannte?<br />
Um die Neutronenwellen wirklich messen<br />
zu können, muß man hochpräzise arbeiten<br />
und mit viel Mühe unterschiedliche Fehlerquellen<br />
ausschalten. Lange Zeit war unklar,<br />
ob die Quanteneigenschaften von schweren<br />
Materieteilchen – das Neutron hat über 1800<br />
mal mehr Masse als ein Elektron – nicht aus