1914–2014« - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 127 / 03. 02. 2014<br />
Wissenschaft & Technik<br />
95<br />
Foto: TU WIen<br />
Prof. Helmut Rauch<br />
ganz fundamentalen physikalischen Gründen<br />
kaputt gehen müssen. Doch am 11. Jänner<br />
1974 konnte Helmut Rauchs Dissertant<br />
Wolfgang Treimer den entscheidenden Erfolg<br />
vermelden: Zum ersten Mal trug er an<br />
diesem Tag eindeutig sichtbare Wellenmodulationen<br />
in sein Labor-Notizbuch ein.<br />
Rasch wurden die Ergebnisse aufgeschrieben,<br />
schon am 22. April 1974 erschien das Paper<br />
„Test of a single crystal neutron interferometer“<br />
im <strong>Journal</strong> „Physics Letters A“.<br />
Kein Erfolg in Grenoble<br />
Allerdings liefert der Wiener Versuchsreaktor<br />
nur eine beschränkte Zahl von Neutronen<br />
pro Sekunde. Der naheliegende nächste<br />
Schritt war daher, den Versuch an der viel<br />
stärkeren Neutronenquelle in Grenoble zu<br />
wiederholen, um noch bessere Ergebnisse zu<br />
erzielen. Das Team transportierte das Experiment<br />
also mit großen Erwartungen nach<br />
Frankreich – doch dort konnte man die Ergebnisse<br />
nicht reproduzieren, obwohl man es<br />
über ein Jahr lang versuchte. Die Röntgenstrahlen<br />
konnten wunderbar gestreut werden,<br />
wie erwartet – doch die Neutronen zeigten<br />
keine Interferenz. „Am Ende blieb uns<br />
nichts anderes übrig, als die ganze Apparatur<br />
wieder nach Wien zu transportieren, und siehe<br />
da: Es konnten wieder sowohl Röntgenals<br />
auch Neutroneninterferenzen beobachtet<br />
werden“, erzählt Helmut Rauch.<br />
Die Schwingungen sind schuld<br />
Der Effekt war also reproduzierbar, die<br />
wissenschaftliche Ehre des Teams war gerettet.<br />
Trotzdem blieb die Frage, warum das Experiment<br />
in Grenoble, mit deutlich besserem<br />
Neutronenstrom, so lange mißlingen konnte.<br />
„Mehr zufällig als systematisch begann man,<br />
über den Einfluß sehr niederfrequenter<br />
Schwingungen im Bereich von einigen Herz<br />
bis hundert Hertz nachzudenken“, sagt Helmut<br />
Rauch. Herkömmliche Meßgeräte sind<br />
auf diese Art von Schwingungen relativ unempfindlich,<br />
doch genau dieser Frequenzbereich<br />
zerstört die Neutroneninterferenz.<br />
Während sich Röntgenstrahlen mit Lichtgeschwindigkeit<br />
ausbreiten, fliegen die Neutronen<br />
recht langsam durch das Interferometer.<br />
Wenn sich der Kristall während ihres<br />
Fluges bewegt, trifft das Neutron nicht mehr<br />
an der exakt richtigen Stelle am Siliziumkristall<br />
auf und der Überlagerungseffekt wird<br />
zerstört. Die Röntgenstrahlen hingegen bewegen<br />
sich so rasch durch den Apparat, daß<br />
für sie die Schwingungen keine Rolle spielen.<br />
„Beim Atominstitut in Wien gab es damals<br />
zum Glück noch keine Autobahn und<br />
keine U-Bahn, daher waren die Schwingungen<br />
in diesem Frequenzbereich sehr gering“,<br />
sagt Helmut Rauch. „In Grenoble hingegen<br />
waren die Schwingungen deutlich größer,<br />
vor allem wegen der starken Kühlpumpen<br />
Einer Gruppe internationaler Physiker ist<br />
es unter Mitwirkung des Stefan Meyer<br />
Instituts für Subatomare Physik (SMI) der<br />
<strong>Österreich</strong>ischen Akademie der Wissenschaften<br />
erstmals gelungen, einen Strahl aus<br />
Antiwasserstoffatomen zu erzeugen. Dieser<br />
Erfolg, über den das Online-<strong>Journal</strong> „Nature<br />
Communications“ berichtet, stellt einen<br />
wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum<br />
Verständnis von Antimaterie dar. Er ermöglicht<br />
eine präzise Untersuchung von Antiwasserstoff<br />
und verspricht, dem mysteriösen<br />
Fehlen von Antimaterie im Universum und<br />
damit den Grundlagen unserer Existenz<br />
einen Schritt näher zu kommen.<br />
Fundamentale Symmetrie<br />
Die Symmetrie zwischen Materie und<br />
Antimaterie, die sogenannte CPT Symmetrie,<br />
ist eine der fundamentalsten Symmetrien des<br />
Standardmodells der Teilchenphysik. Bei allen<br />
bisher dazu durchgeführten Messungen<br />
bestätigt, steht dieser mikroskopischen Symmetrie<br />
jedoch eine eklatante Asymmetrie im<br />
Universum gegenüber: Im Augenblick des<br />
Big Bangs hätte Antimaterie im gleichen Umfang<br />
wie Materie erzeugt werden müssen –<br />
bisher wurden jedoch keinerlei Hinweise auf<br />
die Existenz von Antimaterie im Weltall gefunden.<br />
und der nahegelegenen Autobahnen.“ Als<br />
man das Problem erkannte, gelang mit entsprechender<br />
Schwingungsdämpfung das Experiment<br />
auch in Grenoble.<br />
Wie hätte man reagiert, wenn man das<br />
Experiment nicht zuerst in Wien durchgeführt<br />
hätte, sondern es gleich in Grenoble<br />
probiert hätte? „Sehr wahrscheinlich hätte<br />
man einen guten Grund gefunden, warum<br />
Interferometrie mit Neutronen nicht funktioniert<br />
und hätte das wohl auch publiziert“,<br />
meint Helmut Rauch. Die Erfahrung zeigt<br />
also: Die größten experimentellen Erfolge<br />
müssen nicht immer mit den größten Forschungsanlagen<br />
gelingen – und für wirklich<br />
gute Wissenschaft braucht man immer auch<br />
ein kleines bißchen Glück. Seit der Entdeckung<br />
1974 hat sich die Neutroneninterferometrie<br />
zu einem wichtigen Forschungsgebiet<br />
entwickelt und sogar zu Interferenz-<br />
Experimenten mit noch viel schwereren<br />
Teilchen geführt.<br />
•<br />
http://www.tuwien.ac.at<br />
Erstmals Strahl von Antiwasserstoffatomen<br />
erzeugt<br />
Nächster Meilenstein in Sicht<br />
„Eine auch noch so winzig kleine Verletzung<br />
der CPT Symmetrie könnte auf einfache<br />
Weise zu der Dominanz von Materie<br />
über Antimaterie führen“, erklärt Eberhard<br />
Widmann, Direktor des SMI. „Deshalb sind<br />
möglichst genaue Überprüfungen der Eigenschaften<br />
von Materie und Antimaterie im<br />
Labor von größter Wichtigkeit“, sagt der Leiter<br />
der österreichischen Arbeitsgruppe zu dem<br />
Projekt weiter. Der nun erzeugte Antiwasserstoffstrahl<br />
ermöglicht diese exakte Vermessung<br />
von Antiwasserstoff, dem leichtesten,<br />
nur aus Antimaterie bestehenden Atom. „Natur<br />
Communications“ sieht dies als „großen<br />
Schritt in Richtung Präzisions-Spektroskopie“.<br />
Auf Basis dieses Erfolgs, der im Rahmen<br />
der ASACUSA Collaboration am Antiproton<br />
Decelerator des CERN gelungen ist,<br />
erwartet man, in absehbarer Zeit erstmals die<br />
interne Struktur von Antiwasserstoff bestimmen<br />
zu können. Die weiteren Messungen<br />
dazu sollen bereits in der zweiten Jahreshälfte<br />
beginnen, die Grundlagen dafür sind jedenfalls<br />
gelegt.<br />
•<br />
http://www.oeaw.ac.at<br />
http://antimatter.at/e-widmann/welcome.html<br />
Video mit Erklärung des Experiments (auf<br />
Englisch)<br />
http://www.youtube.com/watch?v=sC3IJCB7EN0<br />
»<strong>Österreich</strong> <strong>Journal</strong>« – http://www.oesterreichjournal.at