19. § 107 GWB - Einleitung, Antrag - Oeffentliche Auftraege

Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 3. Auflage 2009 – Stand: 19.04.2010
• geht aus der Formulierung der Bekanntmachung zweifelsfrei hervor, dass in der
Bekanntmachung nicht alle maßgeblichen Kriterien mitgeteilt sind, sondern dass in
den Verdingungs- /Ausschreibungsunterlagen weitere für den Zuschlag relevante
Kriterien genannt werden, war bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt dieser behauptete
Vergaberechtsverstoß daher schon aus dem Wortlaut der Bekanntmachung erkennbar.
Diesen Verstoß hat die Beschwerdeführerin nicht innerhalb der Frist zur Abgabe des
Angebots gerügt (OLG Karlsruhe, B. v. 09.03.2007 - Az.: 17 Verg 3/07)
• hat sich ein Antragsteller sehr früh im Vergabeverfahren mit der Frage der
Wertbarkeit von Nebenangeboten und den dafür geltenden Mindestvoraussetzungen
auseinandergesetzt, steht fest, dass auf Seiten des Antragsteller die Kenntnis von einer
generellen Rügepflicht vor Angebotsabgabe, die Kenntnis der dürftigen
Mindestvorgaben für Nebenangebote, und die Kenntnis der aktuellen
Vergaberechtsrechtsprechung durch entsprechende Kommentare und Datenbanken
vorhanden war, die dazu führen musste, dass der Antragsteller im Vorfeld der
Angebotsabgabe eine Rüge hinsichtlich des Fehlens von Mindestanforderungen für
Nebenangebote beim Auftraggeber platziert musste. Will man mehr verlangen, als das
Zusammentreffen dieser drei Umstände, läuft § 107 Absatz 3 Satz 2 GWB ins Leere (1.
VK Sachsen, B. v. 05.02.2007 - Az.: 1/SVK/125-06)
• die Antragstellerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht als unerfahrenes
Unternehmen angesehen werden. Nach ihrer eigenen Darstellung im Teilnahmeantrag ist
sie als Bürovollsortimenter und anerkannter Bürodienstleister u.a. für Unternehmen,
Behörden und öffentliche Einrichtungen tätig und arbeitet aufgrund von Rahmenverträgen
und Ausschreibungen mit Großunternehmen und Behörden in Deutschland zusammen.
Für einen durchschnittlich erfahrenen Marktteilnehmer ergeben sich aus dem Text
der Bekanntmachung Eckdaten, wie etwa die Ausstattung von 140 Arbeitsplätzen mit
Büromöbeln, die dafür sprechen, dass jedenfalls die Schätzung des Auftragswertes bei
Los 2 den Schwellenwert hätte erreichen müssen (1. VK Brandenburg, B. v.
29.05.2006 - Az.: 1 VK 17/06)
• ein Bieter ist mit seinen im Vergabenachprüfungsverfahren behaupteten
Vergabeverstößen präkludiert, wenn er es mangels rechtzeitiger, zu seinen Lasten
gehender Kenntnisnahme von der Ausschreibung versäumt hat, diese Verfahrensverstöße
gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig zu rügen. Die Unkenntnis bzw. nicht
rechtzeitige Kenntnisnahme von der Ausschreibung geht insbesondere dann zu
Lasten des Antragstellers, wenn er nach einer Bekanntmachung im EU-
Bekanntmachungsblatt bzw. in einer einschlägigen Fachzeitschrift Ausschau
gehalten hat, obwohl Vergabekammer und Oberlandesgericht in ihren Entscheidungen im
Zusammenhang mit dem bezüglich der gleichen Auftragsvergabe vorangegangenen
Vergabeverfahren eine derartige Bekanntmachungspflicht des Auftraggebers
ausdrücklich verneint hatten und lediglich eine überregionale deutschland-weite
Bekanntmachung gefordert hatten (3. VK Saarland, B. v. 19.01.2007 - Az.: 3 VK
05/2006)
• die Annahme, dass bei umfangreichen und nicht einfach zu beurteilenden
Ausschreibungsverfahren vom Bieter zu erkennen und gemäß § 107 Abs. 3 S. 2 GWB
auch zu rügen ist, dass die Vergabebekanntmachung z.B. entgegen § 17 Nr. 1 Abs. 2
lit. c VOL/A keine zureichenden Angaben über Art und Umfang der Leistung
enthält, ist für praxisfremd zu halten. Bei umfangreichen und vielgestaltigen Aufträgen
muss der Auftraggeber nicht sämtliche Leistungsmerkmale, welche erlauben, die
Bestimmung der Rechtsnatur des Auftrags nachzuvollziehen, in die
Vergabebekanntmachung aufnehmen (OLG Düsseldorf, B. v. 18.10.2006 – Az.: VII –
Verg 35/06)