Interkulturelles hbersetzen in der verbalen ... - weiss traductions

zu sprechen. Für Simin Abdolali ist diese Fähigkeit ebenfalls eine Grundlage des interkulturellen
Übersetzens: Es braucht Feingefühl und Mitgefühl gegenüber allen Beteiligten.
Die interkulturelle Übersetzerin soll sich also abwechslungsweise in die Innenwelt der Klientin
und der Fachperson versetzen. In diesem Zusammenhang wird oft auch der Begriff ‚Allpartei-
lichkeit‘ verwendet. Gemeint ist die Fähigkeit, eine tragfähige Beziehung zu allen Beteiligten
aufzubauen, sich für alle Beteiligten einzusetzen. Also sowohl für die Klientin als auch für die
Fachperson Partei zu ergreifen. Und – auch bei Konflikten – sich weder auf die eine noch auf
die andere Seite zu schlagen 29 . Bischoff und Loutan geben der Übersetzerin folgende Rat-
schläge: „Lassen Sie sich weder von einem Pflegenden noch von dessen Patienten vereinnah-
men. Wehren Sie sich gegen Loyalitätskonflikte“ (2000:19).
Für eine erfolgversprechende Therapie braucht es eine gute therapeutische Beziehung (vgl.
4.3.2.2). Dazu gehört auch das Gesprächsklima. Interkulturelle ÜbersetzerInnen haben einen
Einfluss darauf, z. B. im Umgang mit eigenen Emotionen. Darum gilt: ruhig bleiben, auch bei
hektischen Situationen, und wenn möglich eigene Emotionen im Griff behalten, auch bei be-
lastenden Themen (vgl. 4.3.2.3). Es ist nicht sinnvoll, wenn die Übersetzerin das Gesagte lau-
fend kommentiert („Das ist ja schrecklich!“) oder, sobald es traurig wird, zu weinen beginnt (vgl.
5.2.4). Es kann aber passieren, dass es für die Übersetzerin zu viel wird – denn sie ist auch nur
ein Mensch. Rozerin Karahan empfehlt der Übersetzerin, in einer solchen Situation zu sagen:
„Es tut mir Leid, ich brauche eine Pause. Darf ich kurz hinausgehen?“ Draussen die Gedanken
auslüften, sich ausweinen, vielleicht einen Schluck Wasser trinken oder eine Entspannungs-
technik anwenden. Nachher beiden Beteiligten erklären, dass die Emotionen sie überwältigt
haben, sie nun aber wieder in der Lage sei, weiter zu übersetzen. Die Klientin darf spüren, dass
die Übersetzerin nicht gleichgültig bleibt, doch darf sie nicht das Gefühl bekommen, durch ihre
Erzählungen die Übersetzerin zu überfordern.
Zu einer vertraulichen Stimmung gehört auch Schweigen. Durch die Triade werden diese Pau-
sen, wo Fachperson und Klientin innehalten und z. B. über das Gesagte nachdenken, gefährdet,
da dann immer die Übersetzerin spricht. Die Übersetzerin soll aber nicht übereilig bei jeder
Pause sofort übersetzen, sondern vielleicht auch mal einen Augenblick warten 30 . Gemeinsames
Schweigen ist manchmal sehr wichtig und muss keineswegs ein Zeichen von Unwohlsein oder
Verlegenheit sein. Es kann im Gegenteil auf eine vertrauliche therapeutische Beziehung hin-
weisen.
29 Dieser Begriff wird z. B. auch in der Paar- oder Familientherapie angewendet.
30 Auch Fachpersonen sollen versuchen, nicht immer sofort nach der Übersetzung anzusetzen, sondern
ebenfalls ab und an kurz zu warten.
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