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RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011

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Woran diese Diskussion genau<br />

entbrannte? Ich weiß es<br />

nicht mehr.<br />

Es ging um Menschenrechte. Um die Würde des Einzelnen, um die<br />

Einzigartigkeit, aber auch um den gleichen Wert jedes einzelnen,<br />

ob CEO im Silicon Valley oder Straßenfeger in Sao Paolo.<br />

Es ging um gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften, besonders<br />

in Bezug auf eine stetig wachsende Schere zwischen Arm und<br />

Reich, Ausbeutung und um die begrenzten Ressourcen, die uns auf<br />

der Erde zur Verfügung stehen.<br />

Mich beschäftigten besonders Fragen der Medizinethik. Die Präimplantationsdiagnostik,<br />

kurz PID, war <strong>2011</strong> für Ausnahmefälle<br />

zugelassen – 2020 gehörte sie bereits zum Standard jeder In-vitro-<br />

Fertilisation. Das führte nicht nur bei mir, sondern bei vielen dazu,<br />

Grundsatzfragen zu stellen.<br />

Welchen Wert messen wir einem Menschenleben bei? Erachten<br />

wir sowohl das Leben eines hochbegabten Eigenbrötlers als auch<br />

das eines Menschen mit Trisomie 21 als lebenswert? Verhalten wir<br />

uns entsprechend unserer Antwort auf diese Fragen, oder bleiben<br />

es meist schöne Worte?<br />

Ein anderes Themenfeld betraf ein nachhaltiges und gerechtes<br />

Wirtschaften. Wo liegt die Grenze unserer Gier? Wo und wie weit<br />

müssen wir uns einschränken, um gerechte Produktionsbedingungen<br />

zu schaffen?<br />

Zur Bildung kamen diese Fragen auf: Wo liegt die Grenze zwischen<br />

Chancengleichheit und Gleichmacherei? Wie schaffen wir es, die<br />

Bildungssysteme durchlässig zu halten und gleichzeitig alle möglichst<br />

individuell zu fördern?<br />

Ähnliche Fragen tauchten zu allen erdenklichen Problemkomplexen<br />

auf.<br />

Die Lösung lag und liegt auch jetzt, <strong>2050</strong> noch, in grundsätzlichen<br />

Antworten. Erkennen wir die Menschenrechte wirklich und<br />

konsequent an, dann sind viele Praktiken, die <strong>2011</strong> noch gang und<br />

gäbe waren obsolet.<br />

2030 geschah dann etwas, was ich <strong>2011</strong> nur noch schwer für möglich<br />

gehalten hätte: die Politik dachte über Wahlperioden hinaus.<br />

Es wurden endlich Rahmenbedingungen für ein – weltweit – faires<br />

und nachhaltiges Handeln geschaffen. Grundlage dafür war die Er-<br />

klärung der Menschenrechte und die Ableitung der Konsequenzen<br />

daraus. Natürlich gefiel das vielen nicht.<br />

Mit fairen Arbeitsbedingungen lässt sich nun einmal nicht<br />

mehr so billig produzieren wie <strong>2011</strong>. Doch endlich wurden in der<br />

weltweiten Politik Entscheidungen unabhängig von Lobbyisten<br />

gefällt, die oft nicht kurzfristig, aber langfristig von Vorteil waren<br />

– nachhaltig also.<br />

Über einen Grundsatz waren sich die Menschen in den Führungspositionen<br />

einig: Jeder Mensch besitzt den gleichen Wert, unabhängig<br />

von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Bildungsgrad, Herkunft...<br />

– doch sind wir Menschen nicht alle gleich.<br />

Daraufhin folgten einige Veränderungen (nur ein paar Beispiele<br />

hier): Mindestlöhne wurden nicht nur für einzelne Branchen,<br />

sondern generell und weltweit eingeführt. Außerdem wurden der<br />

Anreiz und der Druck auf Unternehmen erhöht, wirklich nachhaltig<br />

zu wirtschaften – das betrifft Energiefragen, Arbeitnehmerfreundlichkeit,<br />

....<br />

Bildung wurde jedem zugängig gemacht und wer ein „Spätzünder“<br />

ist, hat auch später die Chance, ein höheres Bildungsniveau zu erreichen.<br />

In anderen Bereichen sind wir noch auf dem Weg. Zwar wird in<br />

Deutschland mittlerweile der Strom komplett aus erneuerbaren<br />

Energieträgern gewonnen, doch gibt es weltweit immer noch zu<br />

viele Atomkraftwerke.<br />

Auch ist die Schere zwischen Arm und Reich noch weit geöffnet,<br />

doch es gibt Verbesserungen. Die Entwicklungshilfe setzt mittlerweile<br />

nicht mehr auf „Patenschaften“, wie noch vor 40 Jahren,<br />

sondern begibt sich in Partnerschaften mit Hilfsbedürftigen.<br />

Wir sind <strong>2050</strong> noch lange nicht am Ziel – einer Welt, wie ich sie<br />

mir <strong>2011</strong> gewünscht habe. Aber wir sind auf einem guten Weg<br />

und in einem ständigen Diskurs über die Gründe unserer Entscheidungen,<br />

im privaten Bereich wie auch auf der großen politischen<br />

Bühne.<br />

Ob wir jemals ankommen? Das liegt an jedem Einzelnen. Das<br />

liegt daran, ob wir die Rahmenbedingungen der Politik nutzen und<br />

die „Ethik des Genug“ in unserem Leben umsetzen – nicht in großen<br />

Worten, sondern ganz konkret.<br />

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