RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011
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ISABELLE DECHAMPS<br />
Designerin<br />
Was hilft die Theorie ohne Praxis?<br />
Es gibt dieses Bild vom Schnellzug, der immer schneller und ohne<br />
Lokführer ins uferlose Nichts rast, ins Schwarze, ins Ungeklärte,<br />
wahrscheinlich in die Katastrophe. Dieses Bild ist metaphorisch<br />
stark überzeichnet, beschreibt aber treffend das Gefühl der Ohnmacht,<br />
das heute viele empfinden, wenn sie an die Zukunft denken.<br />
Merklich ergibt sich daraus ein Wunsch nach Entschleunigung,<br />
Kontrollgewinn und mehr Teilhabe, um Route und Tempo<br />
mitbestimmen zu können.<br />
In meiner Vision für <strong>2050</strong> sind ethische Arbeitsbedingungen allgemein<br />
selbstverständlich, Ressourcen, die der Natur entnommen<br />
wurden, laufen entweder in einem parallelen Kreislaufsystem ohne<br />
Verluste oder werden in den biologischen Kreislauf zurückgeführt.<br />
Konsumgüter werden für ihren tatsächlichen Wert gehandelt und<br />
Konsumenten kennen die Geschichte der Produkte, die sie konsumieren.<br />
Zukunft sicher(n)!<br />
ANNA DIETRICH<br />
Warum verbringen wir so viel Zeit und Energie damit, uns Tragödien<br />
auszumalen? Wir können die Welt doch so gestalten, wie wir<br />
sie uns wünschen! Wir müssen es nur machen. Theorie und Praxis<br />
gehören dabei zusammen. Die Theorie kommt aus der Praxis und<br />
entwickelt neue Praxis.<br />
Das Ganze ist ein Puzzle aus vielen kleinen Stücken. Was ist<br />
mein Puzzleteil? Ich bin Designerin an der Schnittstelle zur Kunst.<br />
Ich setze mich damit auseinander, wie die Dinge, die wir konsumieren,<br />
entstehen. Es gibt nicht schwarz oder weiß, sondern viele<br />
unterschiedliche Schattierungen. Aus diesem Grund kann man<br />
nicht pauschal von gutem oder schlechtem Konsum sprechen. Unterschiedliche<br />
Blickwinkel produzieren grundverschiedene Bilder.<br />
Fest steht jedoch: Die Art wie unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem<br />
mit Ressourcen umgeht, mit endlichen, menschlichen,<br />
fremden, eigenen, nachwachsenden und recycelbaren, ist völlig<br />
aus dem Gleichgewicht geraten und alles andere als nachhaltig.<br />
Ich möchte meinen Arbeitskontext dazu nutzen, die Bedeutung<br />
und die Konsequenzen unseres heutigen Konsumverhaltens<br />
greifbar und erfahrbar zu machen. Ich würde gern meine Mitmenschen<br />
dazu anregen, gemeinsam mit der nötigen Unterstützung von<br />
Experten, neue, nachhaltige Lebensmodelle und Konsummuster zu<br />
entwickeln. Von der Praxis im Jetzt, zur Vision für Morgen und<br />
zurück zur Praxis, zur Vision von Übermorgen... Selber Machen/<br />
Produzieren hilft dem Verständnis von komplexen, vielschichtigen<br />
Zusammenhängen. Es erleichtert, komplexe Prozesse und Verhaltensmuster<br />
zu durchschauen und dient der Auseinandersetzung mit<br />
der Geschichte der Dinge. So komme ich zu neuen Verhaltensweisen<br />
und Kompetenzen.<br />
Meine Vision ist ein Gefühl: Sicherheit trotz Eigenverantwortung.<br />
In meiner Vision haben wir es bis <strong>2050</strong> geschafft, fast alle Menschen<br />
in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und sie sind glücklich damit,<br />
weil sie unter humanitären Arbeitsbedingungen ein anständiges,<br />
existenzsicherndes Gehalt bekommen und auf Dauer damit kalkulieren<br />
können, weil es keine Jobs mehr gibt, die das nicht garantieren.<br />
Gleichzeitig sehen sie ihre Arbeit als Selbstverwirklichung,<br />
oder zumindest in der Kosten-Nutzen-Abwägung als vorteilhaft.<br />
Dabei haben Menschen bis dahin aufgehört, sich nur noch um sich<br />
selbst und ihren Erfolg zu drehen, ihre Bestätigung nur im Job zu<br />
suchen, sondern auch im Privaten. Familie hat wieder einen höheren<br />
Stellenwert und sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer<br />
erkennen, dass es einfach zum Leben dazu gehört, für beides genug<br />
Zeit aufzubringen. Dann brauchen wir uns auch keine Sorgen<br />
mehr um genügend Nachwuchs zu machen.<br />
Für diesen gibt es <strong>2050</strong> ein qualitativ hochwertiges institutionalisiertes<br />
Betreuungssystem ab dem 6. Monat. Bildung hat einen<br />
hohen Stellenwert in der Gesellschaft, wird von jedem als wichtig<br />
zur Chancengleichheit erkannt. Jeder weiß, dass er seines Glückes<br />
Schmied ist und strebt von selbst nach Bildung, um für sich das<br />
Beste rauszuholen. Menschen führen insgesamt ein ausgewogenes<br />
Leben aus Arbeit, Individualismus und Familie, während der Staat<br />
dafür die notwendigen Bedingungen schafft, ohne machtbesessen<br />
und streng kontrollierend zu agieren.<br />
Die Zivilgesellschaft bestimmt sich selbst, der Staat strukturiert die<br />
Gesellschaft dabei nur minimal. Der Großteil der Bevölkerung ist<br />
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