RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011
RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011
RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
JAN MATHIAS ENGMANN<br />
Student Politik- und<br />
Verwaltungswissenschaften<br />
Internationale Beziehungen<br />
Menschen in Industrie- und Wohlstandstaaten sorgen gezielt für<br />
eine Verbreitung ihres Wissens in die Entwicklungsländer. Wobei<br />
darauf geachtet wird, dass die Verbreitung unter der Maxime der<br />
Nachhaltigkeit stattfindet. Dadurch können die Produktions- und<br />
Wirtschaftsweisen um ein deutliches Maß nachhaltiger gestaltet<br />
werden. Das bedeutet aber auch ein Abgeben von wirtschaftlicher<br />
Macht. Dies steht in Einklang mit der Aufhebung der nationalstaatlichen<br />
Betrachtung von Wirtschaftserfolg. Nicht nur das Geld<br />
und der Wohlstand haben eine Entzerrung über den Globus erfahren<br />
– auch das Wissen.<br />
Globalisierung im Kleinen, Abgrenzung im Großen<br />
Wenn ich darüber nachdenke, wie die Welt und das öffentliche<br />
sowie private Leben im Jahr <strong>2050</strong> aussehen wird, fällt mir zuerst<br />
auf, wie müßig so ein Unterfangen eigentlich ist. <strong>2050</strong> ist unglaublich<br />
weit weg und die Geschichte zeigt, dass in knapp 40 Jahren<br />
sehr viele, unvorhersehbare Dinge geschehen können. Doch das<br />
Schöne an <strong>Visionen</strong> ist, dass sie einen gewissen realitätsgenerierenden<br />
Charakter besitzen und somit visionieren wir nicht nur, wir<br />
gestalten ganz konkret! Wie „gestaltet“ sich also meiner Meinung<br />
nach die Welt von jetzt + 40? Im Jahr <strong>2050</strong> bin ich 61. So würde<br />
ich wohl die Welt beschreiben und die Entwicklung seit <strong>2011</strong> zusammenfassen:<br />
Global sind die Folgen der sich bereits <strong>2011</strong> abzeichnenden Veränderung<br />
der Macht- und Ressourcenverteilung deutlich spürbar. Der<br />
Anstieg des Wohlstandes in China und Indien sowie die Knappheit<br />
und Ungleichverteilung von wertvollen Rohstoffen (seltene Erden,<br />
Öl und Gas), haben über die Jahre zu intensiven Verteilungskonflikten<br />
geführt, immer vor dem Hintergrund eines Konflikts zwischen<br />
den „westlichen“ postindustriellen Ländern und den asiatischen<br />
Ländern, die inzwischen zur Gruppe der postindustriellen Nationen<br />
zählen. Die Welt bietet nicht genug Ressourcen, um sowohl<br />
den asiatischen Nationen, als auch den westlichen Industrieländern<br />
den gleichen Wohlstand zu bieten, den Menschen in den USA,<br />
Japan, Frankreich und Deutschland im Jahr <strong>2011</strong> noch genossen<br />
haben. Ein Anstieg des Wohlstandes in den ostasiatischen Ländern<br />
hatte ein Absinken des Wohlstandes in Europa und Nordamerika<br />
zur Folge – die beiden Regionen glichen sich an. Absehbar war das<br />
schon <strong>2011</strong>, die Frage damals war, ob diese Angleichung konfliktfrei<br />
ablaufen würde. Wie zu erwarten, empfingen weder die europäischen<br />
noch die amerikanischen Bürger Einschnitte in ihren<br />
Lebensstil mit purem Altruismus und Weltbürgerdenke. Es kam<br />
zu Konflikten: viele in kleinem Rahmen, Verteilungskonflikte und<br />
„Stellvertreterkriege“, die sich vor allem um Ressourcen drehten.<br />
Die Befürchtungen vor dem Potenzial und den Folgen eines großen<br />
Konflikts, z.B. zwischen den USA und China, das 2025 den USA<br />
den Titel der führenden wirtschaftlichen und militärischen Weltmacht<br />
abgenommen hatte, wurden zwar oft bedrohlich ausgeführt,<br />
stellten sich aber glücklicherweise nie in der Realität zur Probe.<br />
Die Rolle Europas in den nächsten 40 Jahren hing Anfang des Jahrhunderts<br />
davon ab, ob die Staatengemeinschaft es schaffen würde,<br />
an einem Strang zu ziehen. Den Nationen der EU blieb jedoch<br />
mit Blick auf die geopolitische Entwicklung keine andere Wahl, als<br />
weiterhin nationalstaatliche Kompetenzen und Einfluss an die EU<br />
abzugeben, wollten sie durch die EU als globale Wirtschafts- und<br />
Militärmacht auftreten und zwischen China und den USA einen<br />
stabilisierenden Faktor darstellen. Die EU wandelte sich von einem<br />
Wirtschaftsbündnis hin zu einer Werte- und Identitätsgemeinschaft<br />
mit einer gemeinsamen und repräsentativen Regierung. Das bedeutet,<br />
dass die Welt sich in 40 Jahren in drei Zentren aufteilte: China/<br />
Indien, Europa und ein von den USA geführtes panamerikanisches<br />
Wirtschaftsbündnis. Russland ist heute als privilegierter Partner an<br />
die EU gebunden. Afrika wird weiterhin als der abgehängte Kontinent<br />
bezeichnet, obwohl sich die wirtschaftlichen und humanitären<br />
Bedingungen dort seit <strong>2011</strong> deutlich gebessert haben. Das ist vor<br />
allem darauf zurückzuführen, dass die Produktion in Billiglohnländern,<br />
wie China, aufgrund gestiegener Löhne, bereits 2035 keinen<br />
wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der heimischen Produktion erbracht<br />
hat. Diese Auslagerung von Herstellungskapazitäten hat sich<br />
nach Afrika verschoben und dort gleichzeitig zu einer Veränderung<br />
der gesellschaftlichen Struktur geführt (wie es im 20. Jahrhundert<br />
in ehemaligen Entwicklungsländern passiert war).<br />
Eine weitere Vernetzung und Zusammenarbeit der führenden Regierungen<br />
der Erde in den Institutionen, die im Jahr <strong>2011</strong> bekannt<br />
Welche Rolle spielen in dieser<br />
tripolaren Welt die alten internationalen<br />
Institutionen und<br />
Strukturen?<br />
50 | KOMPENDIUM KOMPENDIUM | 51