RNE_Visionen_2050_Band_2_texte_Nr_38_Juni_2011
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SABRINA HAVLITSCHEK<br />
Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin Landtagsabgeordnete<br />
sigen. Neue Fächer wie, „Nachhaltige Lebensformen“, „Partizipationsmöglichkeiten<br />
im gesellschaftlichen Leben“ und „Vermittlung<br />
von Diskussionsmethoden“ sind heutzutage ebenfalls elementare<br />
Grundbausteine des täglichen Schulalltags. Diese Fächer stellen<br />
somit seither für die Schüler eine Möglichkeit der Bewusstseinsbildung<br />
dar, wodurch sie ihre Lebensentscheidungen begründen und<br />
ihr Konsumverhalten rechtfertigen können. Die „Schülermeinung“<br />
hat im heutigen Schulalltag eine höhere Stellung, denn die Schüler<br />
können hier über einen Rat demokratisch an Schulentscheidungen<br />
aktiv teilnehmen.<br />
Die Entscheidung über Bewertungssysteme und die allgemeinen<br />
Lehrpläne liegt also auch in ihren Händen. Hierdurch soll die<br />
Motivation der Schüler und die Attraktivität der Schule gesteigert<br />
werden.<br />
Schließlich ist man auch dazu übergegangen Ganztagsschulen mit<br />
anschließendem Nachmittagssport einzuführen, denn hierdurch<br />
wird nicht nur das Gemeinschaftsgefühl gestärkt, sondern ebenfalls<br />
die Gesundheit gefördert. Jugendliche geraten so weniger in<br />
kriminelle Kreise.<br />
Diese Veränderungen haben also zusammenfassend meiner<br />
Meinung nach zu einer überaus positiven Identifikation mit der<br />
Schule, zu hoher Motivation und somit zu guten Lernerfolgen geführt.<br />
Heute nach 39 Jahren bin ich sehr glücklich darüber, dass meine<br />
Kinder nicht die Haustüre zuschlagen, sondern mit Begeisterung<br />
sagen: „Mama, die Schule hat heute wirklich Spaß gemacht!“<br />
Selbstbestimmte Lebensgestaltung<br />
Im Jahr <strong>2050</strong> leben wir in einer Gesellschaft, die individuelle Lebensentwürfe<br />
deutlich besser ermöglicht, als dies vor vierzig Jahren<br />
der Fall war, und diese schätzt.<br />
Die Menschen in Deutschland sind frei von wirtschaftlichen<br />
und gesellschaftlichen Zwängen, die ihrer Selbstverwirklichung im<br />
Wege stehen. Erreicht wurde das durch folgende „Bausteine“:<br />
(1) Die Abschaffung des Bildungsföderalismus und die kostenfreie<br />
Bildung von der Kinderkrippe bis zur beruflichen Weiterbildung<br />
vermittelt den Menschen heute das Rüstzeug für ein selbständiges<br />
Leben. Schon seit Jahren tendiert die Zahl der Jugendlichen ohne<br />
Schulabschluss gegen Null.<br />
(2) Umfassende Reformen des Wirtschaftssystems führten dazu,<br />
dass Gewinnstreben nicht mehr oberste Maxime ist. Arbeitnehmer<br />
heute haben deutlich mehr Einkommen und haben dennoch eine<br />
deutlich geringere Wochenarbeitszeit als <strong>2011</strong>, was ihnen Engagement<br />
in anderen Bereichen ermöglicht.<br />
(3) Diese Umwälzungen in der Arbeitswelt führten dazu, dass die<br />
Vielfalt der Interessen und Fähigkeiten der Menschen höher geschätzt<br />
und auch unterstützt wird. Zeiten für die Pflege kleiner<br />
Kinder oder Angehöriger sind kein Karrierehindernis mehr. Ehrenamt<br />
neben dem Beruf ist keine Überforderung mehr, Burn-Outs<br />
und andere psychische Erkrankungen des Arbeitslebens sind signifikant<br />
zurückgegangen, da Arbeit und Freizeit individuell so in<br />
Einklang gebracht werden können, dass auf unterschiedliche Belastungsniveaus<br />
(die u.a. auch vom Alter abhängen) eingegangen<br />
werden kann.<br />
(4) Der Sozialstaat wurde nicht nur verteidigt, sondern fortentwickelt.<br />
Es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass Risiken<br />
des Lebens solidarisch, paritätisch und öffentlich abgesichert bleiben<br />
müssen.<br />
Um unsere Sozialsysteme langfristig finanzierbar zu halten,<br />
wurde das Steuersystem dahingehend reformiert, dass die Einnahmebasis<br />
verbreitert wurde.<br />
Alle Einkommensarten wurden einbezogen und der Spitzensteuersatz<br />
erhöht. Privatisierung (wie z.B. in der Krankenversicherung)<br />
wurde abgeschafft, so dass alle in einen Topf einzahlen. Auch<br />
wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, führt ein<br />
menschenwürdiges Leben. „Kinderarmut“ gilt als ausgestorbener<br />
Begriff.<br />
(5) Hetero, homo, bi, traditionelle Ehe, wilde Ehe, offene Beziehung<br />
– die Art, wie Menschen lieben veranlasst niemanden mehr<br />
dazu, sich auf der Straße empört umzudrehen. Das liegt auch daran,<br />
dass die Vielfalt der privaten Lebensentwürfe bewusst ins Licht<br />
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