Erziehung zur Gleichstellung - Bundesministerium für Unterricht ...
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Interaktions- und Kommunikationsstrukturen<br />
"Die Anzahl der Interaktionen zwischen der Lehrerin bzw. dem Lehrer und den Jungen<br />
überwiegen in den beiden Stunden. (...) Die Interaktionen mit den Mädchen kommen in den<br />
beiden Stunden vorwiegend durch deren freiwillige Beiträge zustande. (...) In beiden Stunden<br />
sind es also die Mädchen, die den <strong>Unterricht</strong> durch ihre freiwilligen und qualitativ guten<br />
Beiträgen voranbringen. Sie erhalten <strong>für</strong> diese Leistungen jedoch keine besondere<br />
Rückmeldung, da [die Lehrerin] wie auch [der Lehrer] von der Selbstverständlichkeit dieses<br />
Leistungspotentials ausgehen. Störungen während des <strong>Unterricht</strong>s werden vor allem von<br />
Jungen initiiert. (...) Insgesamt sind es die Jungen, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit<br />
und Förderung erfahren" (Thies, Röhner 2000, S. 119).<br />
Interessant dabei ist, dass sowohl die Lehrerin als auch der Lehrer meinen, die Mädchen im <strong>Unterricht</strong> zu<br />
bevorzugen. Auch dies eine Erfahrung, von der schon Dale Spender berichtete:<br />
"Ich habe viele Stunden auf Band aufgenommen, die wir in gemischten Klassen gehalten<br />
haben, darunter zahlreiche, in denen es das ausdrückliche Ziel war, gleiche Zeit <strong>für</strong><br />
Schülerinnen und Schüler zu verwenden. Am Ende einer solchen Stunde hatte ich oft das<br />
Gefühl, dass ich dieses Ziel erreicht hätte; manchmal hatte ich sogar den Eindruck, dass ich<br />
dabei zu weit gegangen sei und den Mädchen mehr Zeit als den Jungen gewidmet hätte,<br />
aber die Bänder zeigten immer etwas anderes. Bei 10 aufgenommenen Stunden an der<br />
Oberschule und im College betrug das Maximum an Interaktionszeit mit Mädchen 42 Prozent,<br />
der Durchschnitt 38 Prozent und das Minimum <strong>für</strong> Jungen 58 Prozent. Es war ein<br />
regelrechter Schock <strong>für</strong> mich, die Diskrepanz zwischen meiner Selbsteinschätzung und<br />
meinem tatsächlichen Verhalten zu erkennen" (Spender 1986, S. 74).<br />
Die Dominanz von Buben scheint so selbstverständlich zu sein, dass sowohl Mädchen als auch Buben und<br />
Lehrer/innen das Gefühl haben, die Buben würden benachteiligt, sobald diese etwas weniger als die "ihnen<br />
zustehenden" 2/3 der Aufmerksamkeit erhalten. 54<br />
Buben erhalten im Schnitt aber nicht nur mehr Aufmerksamkeit und Beachtung - interessant ist auch, wie sich<br />
diese Aufmerksamkeit qualitativ von der, die Mädchen erhalten, unterscheidet. Beobachtungen zeigen, dass sich<br />
Lob <strong>für</strong> Buben fast ausschließlich auf ihre Leistung bezieht, Tadel hingegen auf Disziplin und Ordnung oder<br />
Aspekte ihrer Arbeit, die nicht die intellektuelle Leistung betreffen.<br />
54 Dass Buben subjektiv trotzdem den Eindruck haben, die Mädchen würden von den LehrerInnen bevorzugt, kann auch<br />
daran liegen, dass diese mit den Mädchen freundlicher umgehen, weil sie das schulische Geschehen weniger stören.<br />
Eine andere Erklärung besagt, dass Buben wissen, dass sie qua gesellschaftlicher Rollenzuschreibung eigentlich die<br />
Überlegenen sein müssten. Dass sie es oftmals nicht sind, führen sie dann darauf <strong>zur</strong>ück, dass die Lehrer/innen die<br />
Mädchen bevorzugen.<br />
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