Erziehung zur Gleichstellung - Bundesministerium für Unterricht ...
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Interaktions- und Kommunikationsstrukturen<br />
Lehrer/innen, die mit dem Interaktionsgeschehen im <strong>Unterricht</strong> unzufrieden waren, setzten verschiedenste<br />
Maßnahmen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit. Diese reichten vom abwechselnden Aufrufen der Mädchen<br />
und Buben über ganze Stunden, die ausschließlich den Buben bzw. Mädchen einer Klasse gewidmet sind 58<br />
bis<br />
hin zum phasenweisen <strong>Unterricht</strong> in geschlechtshomogenen Gruppen.<br />
Geschlechtshomogene Lern- und Arbeitsgruppen können sowohl <strong>für</strong> die Schüler/innen als auch <strong>für</strong> die<br />
Lehrer/innen neue Erfahrungen ermöglichen. So lässt sich beobachten:<br />
- ob sich der Tonfall/ die "Sprache" einer Lehrperson ändert, je nachdem ob sie vor einer Buben-, einer<br />
Mädchen- oder einer gemischten Gruppe steht 59<br />
- ob Mädchen bzw. Buben, die sonst nicht auffallen, plötzlich stärker wahrgenommen werden bzw. sich in<br />
der geschlechtshomogenen Gruppe leichter einbringen können 60 ,<br />
- wie sich das Lern- und Arbeitsklima verändert,<br />
- ob Rollen und Aufgaben, die sonst eher von Mädchen bzw. Buben übernommen werden, nun vom<br />
jeweils anderen Geschlecht übernommen werden 61<br />
Andererseits kann untersucht werden, ob/ wie sich durch eine Teilung bei den Schüler/innen die Leistungen, die<br />
Leistungszuversicht und die Motivation <strong>für</strong> das Fach verändern.<br />
Ursula Kessels (2002) untersuchte in einer empirischen Studie, wie sich ein monoedukativer Anfangsunterricht in<br />
Physik bei den Schülern und Schülerinnen der 8. Schulstufe auf die Begabungsüberzeugung, die Leistung und<br />
das Interesse auswirkt. Bei den Burschen konnten kaum Unterschiede zwischen jenen, die in einer Burschenund<br />
jenen, die in einer gemischten Gruppe unterrichtet worden waren, festgestellt werden.<br />
58<br />
In der Schweizer Broschüre "Gretel und Hänsel – Leitfaden zu einer geschlechtergerechten Schule" liest sich das so:<br />
"Heute kommen die Mädchen dran, morgen die Buben. Um die "2/3-Parität" in der Aufmerksamkeitsverteilung der<br />
Geschlechter zu überwinden, werden Stunden durchgeführt, in denen jeweils Mädchen oder Knaben den<br />
Aufmerksamkeitsbonus erhalten. So lernen alle sowohl durch Schweigen und Zuhören als auch durch aktives Mittun"<br />
(S. 13). Gerda Sengstbratl, eine Lehrerin am BG/BRG Bertha-von-Suttner, die dies bereits praktiziert, ist begeistert von<br />
der Methode. Während einer Podiumsdiskussion berichtet sie: "Ich wende meine Aufmerksamkeit nur einer Gruppe zu<br />
mit dem Einverständnis der anderen Gruppe. Und das zu erleben... Ich darf, ohne gestört zu werden, mit Mädchen<br />
kommunizieren! Das ist ja einmal eine Revolution, oder? Und ich darf Buben gegenüber ganz liebend sein, ohne ein<br />
schlechtes Gewissen zu haben, das darf ich ja nie, weil es wollen immer 29 gleichzeitig, das geht nicht. Es führt auch<br />
zu einer ganz großen Entspanntheit und einem sehr liebevollen Kontakt den Buben gegenüber. Einer zeigt auf, und<br />
sein Nachbar sagt: Du, heute sind wir nicht dran. Oder sie sagen selber: Heute ist Mädchenstunde. Es ist alles in<br />
Ordnung. Es melden sich Mädchen, die haben ein dreiviertel Jahr nichts geredet. Ganz automatisch" (Tanzberger 2002,<br />
S. 21).<br />
59<br />
Es gibt die These, dass Mädchen – und ruhigen Buben – in Klassen mit ein paar "schlimmen" Kindern (meist Buben)<br />
mitdiszipliniert werden.<br />
60<br />
Die Reihe "Schulqualität und geschlechtssensible Lernkultur" dokumentiert diesbezügliche Erfahrungen, die in<br />
(teilweise mehrjährigen) Projekten mit zeitweisem geschlechtshomogenen <strong>Unterricht</strong> gemacht wurden.<br />
61<br />
Zum Beispiel Buben sich erlauben dürfen <strong>für</strong>sorglicher zu sein, Mädchen auch mal wilder sind (weil sie das "Spaß-<br />
Machen" nicht mehr an die Buben delegieren können),...<br />
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