23.11.2012 Aufrufe

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Im Namen des Volkes –<br />

Die Berufsgerichtsbarkeit der <strong>Landeszahnärztekammer</strong><br />

72 |<br />

Seit seinem Inkrafttreten steht im Heilberufe-Kammergesetz<br />

wie in Stein gemeißelt der Satz, dass sich die Mitglieder der<br />

einzelnen Kammern – also die Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und<br />

Apotheker – wegen berufsunwürdiger Handlungen in einem<br />

Berufsgerichtsverfahren zu verantworten haben. Nun hat das<br />

Kammergesetz, von dem in diesem Buch an anderer Stelle<br />

schon die Rede ist, seit seinem Erlass im Jahr der Gründung<br />

des Landes <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, 1953, bis zur vorerst letzten<br />

Fassung vom 9. Juni 2004 nicht wenige Änderungen und Erweiterungen<br />

erfahren; ohne viele Detailkorrekturen zu nennen,<br />

mögen die späteren Einfügungen „Weiterbildung“ oder<br />

„Ethikkommissionen“ genügen. Umso mehr fällt auf, dass die<br />

Vorschriften im 8. Abschnitt über die „Berufsgerichtsbarkeit“<br />

von 1953 bis heute inhaltlich nahezu unverändert geblieben<br />

sind, wenn man davon absieht, dass die „berufsgerichtlichen<br />

Maßnahmen“ 1953 noch recht harsch „Strafen“ hießen und<br />

dass die Geldbuße für berufsrechtliche Verstöße von der<br />

ursprünglichen „Höchststrafe“ von 3000 DM sukzessive auf<br />

heute <strong>50</strong> 000 3 Geldbuße angepasst wurde. Diese inhaltliche<br />

Konstanz der jetzt mehr als <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> geltenden Vorschriften<br />

über die Berufsgerichtsbarkeit darf als ein Indiz dafür gelten,<br />

dass sich diese Regelungen bewährt haben. Dass der weise<br />

Gesetzgeber 1953 von Ethikkommissionen noch nichts ahnte<br />

und die Notwendigkeit der Weiterbildung erst später als<br />

gesetzgeberische Aufgabe verstanden wurde, ist verzeihlich.<br />

Überspringen wir, aber nur fürs erste, die Frage, was denn nun<br />

im materiellen Sinn eigentlich berufsunwürdige Handlungen<br />

im Sinne des Kammergesetzes sind und wenden uns zuvor<br />

der eher formalen Frage zu, wie die Struktur dieses berufsgerichtlichen<br />

Verfahrens aussieht, in dem solche Handlungen<br />

geahndet werden. Dazu bestehen als selbstständige Organe<br />

bei der <strong>Landeszahnärztekammer</strong> ein Landesberufsgericht und<br />

bei den Bezirkskammern vier erstinstanzliche Bezirksberufsgerichte.<br />

Das ist für sich gesehen vielleicht nicht besonders<br />

aufregend. Der Rede wert ist aber, dass es sich dabei nicht<br />

um private Ehrengerichte handelt, wie sie bei Sportverbänden,<br />

Wirtschaftsgruppierungen, Vereinen oder akademischen<br />

Verbindungen bestehen; deren Entscheidungen wirken nur,<br />

soweit sie von den Beteiligten freiwillig respektiert werden.<br />

Dem gegenüber sind die nach dem Kammergesetz eingerichteten<br />

Berufsgerichte staatliche Gerichte, die hoheitliche<br />

Gerichtsbarkeit mit staatlicher Zwangsgewalt ausüben; ihre<br />

Urteile ergehen „Im Namen des Volkes“. Vorsitzender jedes<br />

dieser Gerichte muss deshalb ein auf Lebenszeit ernannter<br />

Berufsrichter sein; als Beisitzer fungieren beim Landesberufsgericht<br />

ein weiterer Jurist, der nicht Richter sein muss,<br />

und drei (bei den erstinstanzlichen Bezirksberufsgerichten<br />

zwei) Zahnärzte aus dem Kammerbezirk. Eine solche staatliche<br />

Disziplinargerichtsbarkeit besitzen außerhalb der Heilberufe<br />

nur wenige freie Berufe wie die Anwälte und die Architekten.<br />

In anderen Bundesländern ist die Disziplinargerichtsbarkeit<br />

der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker teilweise den Verwaltungs-<br />

oder auch Strafgerichten übertragen. Mit der Einbindung<br />

in die Kammern hat der Gesetzgeber des <strong>Jahre</strong>s 1953<br />

eine Struktur der Berufsgerichtsbarkeit geschaffen, die auch<br />

heute noch wegen ihrer besonderen Qualität der Selbstdisziplinierung<br />

jedem Vergleich, auch über die Landesgrenzen<br />

hinweg, standhält. Man würde dieses Erfolgsmodell sicher<br />

leichtfertig aufs Spiel setzen, wenn aktuelle Bestrebungen<br />

Erfolg hätten, die auf eine Zusammenlegung der vier erstinstanzlichen<br />

Bezirksberufsgerichte zu einem einzigen<br />

erstinstanzlichen Gericht abzielen. Darüber hinaus wird die<br />

Schaffung einer einzigen gemeinsamen Berufungsinstanz für<br />

alle vier Heilberufe-Kammern in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> angestrebt,<br />

in der dann vielleicht auch Apotheker und Tierärzte als<br />

Beisitzer über Ärzte und Zahnärzte (und umgekehrt!) zu urteilen<br />

hätten. Dies würde keineswegs, wie suggeriert wird, zu<br />

einer Verschlankung in der Berufsgerichtsbarkeit führen,<br />

sondern das Gegenteil bewirken: die Anzahl der dann von<br />

einem einzigen Gericht zu verhandelnden Fälle ließe sich mit<br />

Sicherheit nicht mehr im Nebenamt und von den zahnärztlichen<br />

Beisitzern nicht mehr ehrenamtlich bewältigen, auch<br />

und schon gar nicht die Arbeit des Kammeranwalts. Das wiederum<br />

würde zwangsläufig ganz erhebliche Mehrkosten der<br />

Kammern, einen zusätzlichen Reiseaufwand für alle Beteiligten<br />

und organisatorisch einen Apparat erfordern, wie er bei der<br />

derzeitigen Struktur gerade vermieden wird. Weil bei dem zu<br />

erwartenden zeitlichen Aufwand die Justizverwaltung wohl<br />

auch keinem auf Lebenszeit ernannten Richter eine Nebentätigkeit<br />

in der Berufsgerichtsbarkeit genehmigen würde, wäre<br />

der nächste Schritt die Aussiedlung der berufsständischen<br />

Gerichtsbarkeit zu den ordentlichen Gerichten oder zu den<br />

Verwaltungsgerichten. Mit anderen Worten: man riskiert ohne<br />

Not den Verlust einer ureigenen und bisher ohne Probleme<br />

bewältigten Kammeraufgabe. Wünschenswert erscheint dies<br />

nicht, deshalb sollte man schon den Anfängen wehren.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!