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Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

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dienstregelungen. Den Berufsgerichten ist dabei die Gewissenhaftigkeit<br />

der weit überwiegenden Mehrzahl aller Zahnärzte<br />

ebenso geläufig wie ein oft überzogenes Anspruchsdenken<br />

mancher Patienten. Verfahren dieser Art mit teilweise recht<br />

groben Pflichtverletzungen haben in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n<br />

aber des Öfteren Anlass zu Urteilen gegeben, in denen über<br />

den Begriff des Notfalls, die Notwendigkeit der persönlichen<br />

Entscheidung des Zahnarztes über die alsbaldige Behandlung<br />

und über die Frage, unter welchen Umständen ein Patient<br />

überhaupt abgewiesen werden darf, grundsätzlich zu entscheiden<br />

war, unkollegiales Verhalten bis zur Beleidigung von<br />

Kollegen oder Sachverständigen, sexuelle Belästigungen von<br />

Patientinnen und Helferinnen, unkorrekte Titelführung wie<br />

auch die unzulässige Delegation zahnärztlicher Tätigkeiten auf<br />

Helferinnen haben im übrigen die Tagesordnungen angeführt.<br />

Dem gegenüber sind nach den auf Deregulierung bedachten<br />

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die früher<br />

besonders häufigen Verfahren wegen Verstößen gegen das<br />

zahnärztliche Werbeverbot deutlich zurückgegangen. Die in<br />

§ 18 der Berufsordnung auch jetzt noch verbliebenen Verbote<br />

berufswidriger Werbung und Anpreisung werden, wie es<br />

scheint, als Kernbestand standesrechtlichen Selbstverständnisses<br />

weitgehend respektiert.<br />

Auch im berufsgerichtlichen Verfahren gilt freilich der Satz<br />

„Wo kein Kläger, da kein Richter“. Die Berufsgerichte werden<br />

nur auf Antrag des von der Kammer bei jedem Bezirksberufsgericht<br />

bestellten Kammeranwalts tätig. Wie im Strafverfahren<br />

der Staatsanwalt ermittelt der Kammeranwalt bei Bekanntwerden<br />

von Handlungen oder Unterlassungen, die den Verdacht<br />

eines Verstoßes gegen die Berufsordnung begründen.<br />

Bestätigt sich dieser – häufig von einem Berufskollegen oder<br />

von Patienten vorgetragene – Verdacht, klagt der Kammeranwalt<br />

den Beschuldigten beim Bezirksberufsgericht an, wenn<br />

nicht, stellt er das Verfahren ein. Wird der beschuldigte Zahnarzt<br />

vom Bezirksberufsgericht verurteilt, so kann er – ebenso<br />

wie der Kammeranwalt bei Freispruch – Berufung zum Landesberufsgericht<br />

einlegen. In beiden Instanzen ist das Verfahren<br />

nicht öffentlich; in anderen Ländern wird auch öffentlich verhandelt.<br />

Das Landesberufsgericht entscheidet dann, von der<br />

Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde abgesehen, nach<br />

erneuter Verhandlung endgültig und rechtskräftig darüber, ob<br />

eine Warnung, ein Verweis, eine Geldbuße, die Aberkennung<br />

der Mitgliedschaft in den Organen der Kammer oder, äußerst<br />

selten, die Aberkennung des Wahlrechts und der Wählbarkeit<br />

in die Organe der Kammer ausgesprochen oder aber auf<br />

Freispruch erkannt wird. In der Praxis ist die Geldbuße die am<br />

häufigsten verhängte Maßnahme, wobei freilich der oben<br />

genannte Bußgeldrahmen nur im Falle äußerst massiver oder<br />

wiederholter Verstöße nach oben ausgereizt wird. Dass im Falle<br />

der Verurteilung auch Kosten anfallen, die der Beschuldigte<br />

zu tragen hat, mag nur am Rande erwähnt, aber wegen ihrer oft<br />

beträchtlichen Höhe auch nicht unterschlagen werden.<br />

Was oben schon einmal gesagt wurde: die Zahnärzteschaft<br />

des Landes in ihrer ganz überwältigenden Mehrheit ist sich<br />

ihrer standesrechtlichen Pflichten bewusst und verhält sich<br />

im beruflichen Alltag danach. Das belegt nicht zuletzt auch<br />

ein flüchtiger Blick auf die Zahl standesrechtlicher Verfahren<br />

im Verhältnis zur Gesamtzahl der im Land approbierten Zahnärztinnen<br />

und Zahnärzte. Im überschaubaren Zeitraum der<br />

letzten 15 <strong>Jahre</strong> von 1990 bis 2004 sind beim Landesberufsgericht<br />

insgesamt 104 Berufungen eingegangen, davon<br />

37 aus dem Bezirk Freiburg, 28 aus Karlsruhe, 20 aus<br />

Tübingen und 19 aus Stuttgart; dazu kommt eine kleinere<br />

Zahl von Klageerzwingungsverfahren und Beschwerden. Die<br />

Anzahl der bei den vier Bezirksberufsgerichten in der ersten<br />

Instanz verhandelten Fälle liegt, wie schon oben angedeutet,<br />

naturgemäß wesentlich höher, weil nur ein Teil der dort verkündeten<br />

Urteile angefochten wird. Noch höher liegt die Zahl<br />

der von den Kammeranwälten bearbeiteten Verfahren, die<br />

nicht zur Anklage kommen, sondern eingestellt werden.<br />

Gleichwohl besteht kein Anlass zu der Besorgnis, die Zahnärzteschaft<br />

im Ganzen könnte es mit ihren Berufspflichten<br />

nicht ernst genug nehmen. Niemand wird aber die Augen<br />

davor verschließen, dass es Wildwuchs gibt, der dem Ansehen<br />

des ganzen Berufsstandes in der Öffentlichkeit abträglich ist<br />

und dem auch im Interesse der Mehrheit aller jener Zahnärzte<br />

Einhalt geboten werden muss, die ihren Berufspflichten<br />

gewissenhaft nachkommen. Das ist, auf einen kurzen Nenner<br />

gebracht, die Aufgabe der Berufsgerichtsbarkeit. Schon<br />

mit ihrer Existenz, vor allem aber mit ihrem Bemühen, die<br />

Einhaltung standesrechtlicher Pflichten durchzusetzen, tragen<br />

die Berufsgerichte deshalb auch zur zahnärztlichen Qualitätssicherung<br />

bei. Und dieser Beitrag sollte, richtig verstanden,<br />

nicht zu gering veranschlagt werden.

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