Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw
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Kennzeichen eines Freien Berufes ist neben der eigenverantwortlichen<br />
und unabhängigen Berufsausübung eine leistungsgerechte<br />
Vergütung der persönlichen Dienste des Freiberuflers.<br />
Dementsprechend wird im SGB V die angemessene<br />
Vergütung des Vertrags(zahn-)arztes gewährleistet und die<br />
Ausbalancierung zwischen den Leistungs- und Finanzierungskomponenten<br />
des Systems („Beitragssatzstabilität“) postuliert<br />
(§ 85 Abs. 3 SGB ). Der Vertrags(zahn-)arzt wird zunehmend<br />
durch Budgetierung, Degressionsparameter und Wirtschaftlichkeitsprüfung<br />
an allgemeinen Durchschnittszahlen gemessen,<br />
sodass nicht mehr die freiberufliche Verantwortung<br />
zu seinem Patienten im Mittelpunkt steht, sondern seine<br />
öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Bewirtschaftung öffentlicher<br />
Mittel. Auf diese Weise wird der Vertrags(zahn-)arzt<br />
dazu gedrängt, allgemeine Kostenerwägungen zu Lasten<br />
einer individualbezogenen Behandlung in den Vordergrund<br />
zu stellen. Die Überwälzung des Morbiditätsrisikos auf die<br />
Ärzte- und Zahnärzteschaft führt dazu, dass die Vergütungsvereinbarungen<br />
sich der Realisierung eines bloßen Teilhabeanspruchs<br />
an der kollektiven Gesamtvergütung nähern, statt<br />
einer leistungs- und kostenadäquaten Vergütung für den<br />
freiberuflichen (Zahn-)Arzt. Der (Zahn-)Arzt wird damit in einen<br />
unauflösbaren Zielkonflikt zwischen ethischen Bindungen,<br />
gesetzlichem Behandlungsauftrag und wirtschaftlichen Rentabilitätserwägungen<br />
versetzt. Die Budgetierung der Vergütungen<br />
führt schließlich dazu, dass es zu Rationierungen<br />
von Gesundheitsleistungen kommt, zu einer offenen oder<br />
verdeckten „Triage“ und zu einer Mehrklassenmedizin, die<br />
gerade von denjenigen abgelehnt wird, die beharrlich am<br />
Sachleistungsprinzip und Budgets festhalten.<br />
Es ist dabei vor allem ein Mosaikeffekt, der die freiberuflichen<br />
Defizite der Gesetzlichen Krankenversicherung kennzeichnet<br />
und ärztliche Freiberuflichkeit zum Teil nur mehr als deklaratorische<br />
Fassade erscheinen lässt. Die Kumulation von Einschränkungen<br />
beruflicher Freiheiten, von der medizinisch-therapeutischen<br />
Komponente über die ökonomisch-betriebswirtschaftliche<br />
Dispositionsfreiheit bis zum beruflichen Umfeld freier<br />
Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeiten haben dazu<br />
geführt, dass der Vertragsarzt sich statusmäßig in einer<br />
Grauzone, einer eigentümlichen Zwitterstellung zwischen<br />
freiberuflicher Risikoträgerschaft und staatlicher Einbindung<br />
bewegt. Während jedoch jeder Beliehene im vollen Bewusstsein<br />
der Übernahme öffentlicher Aufgabenerfüllung diesen<br />
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Auftrag übernimmt, während jeder Amtswalter sich in freier<br />
Entscheidung in einen Verwaltungsorganismus integriert,<br />
schließt sich der Arzt als Freiberufler dem System der gesetzlichen<br />
Krankenversicherung an, um – wie es ärztlicher Aufgabe<br />
entspricht – dem einzelnen Patienten, sei es auch unter<br />
Beachtung öffentlich-rechtlicher Systembindungen, unmittelbar<br />
die freiberuflichen ärztlichen Leistungen zukommen zu<br />
lassen. Der freie Heilberuf erfüllt seine Aufgabe zwar im<br />
Kontext sozialer Verantwortungsbezüge nicht aber primär für<br />
ein soziales Sicherungssystem. Auch die Zulassung zur vertragszahnärztlichen<br />
Versorgung bewirkt keine grundlegende<br />
Status- und Funktionsmetamorphose, zumindest so lange<br />
nicht durch den Gesetzgeber eine klare Ausgestaltung eines<br />
eigenständigen „Kassenarztberufes“ als Amtswalter der<br />
gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt ist. Der Gesetzgeber<br />
wird deshalb im Sinne des Grundsatzes der Systemkonsequenz<br />
zukünftig vor die Entscheidung gestellt sein, diese im<br />
Wege einer stillen Evolution vollzogene Umfunktionierung des<br />
ärztlichen und zahnärztlichen Heilberufes entweder offen klarzustellen<br />
oder die freiberufliche Grundkonzeption, von der die<br />
Gesetzessystematik und höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
bisher ausgehen, wieder aufleben zu lassen. Dies gebietet<br />
seine rechtsstaatliche Gewährleistungsfunktion für die Schaffung<br />
eindeutiger und vor allem dem sozialstaatlichen Zweck<br />
der zahnärztlichen Versorgung adäquater Strukturen, um<br />
sowohl die Grundrechte der Zahnärzte als auch grundrechtsbegrenzende<br />
Rechtsgüter, wie Patientenschutz oder Funktionsbedingungen<br />
einer sozialen Krankenversicherung, rechtsstaatlich<br />
„verhältnismäßig“ zuzuordnen und zu harmonisieren.