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Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

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auch zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Ausgliederung von<br />

öffentlichen Aufgaben aus der unmittelbaren staatlichen Verwaltung<br />

und ihre Zuweisung an Träger funktionaler Selbstverwaltung<br />

nach. Daran schließt sich die für die Verortung der<br />

funktionalen Selbstverwaltung wichtige Feststellung an, dass<br />

Art. 20 Abs. 2 GG, der das Demokratieprinzip normiert, aufgrund<br />

seines Prinzipiencharakters entwicklungsoffen ist. Bei<br />

der Ausgestaltung des Demokratieprinzips komme es auf die<br />

Erfahrbarkeit und praktische Wirksamkeit der Legitimationsvermittlung<br />

an. Vor diesem Hintergrund erlaube das<br />

Grundgesetz auch besondere Formen der Beteiligung von<br />

Betroffenen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben.<br />

Wörtlich heißt es dann:<br />

„Die funktionale Selbstverwaltung ergänzt und verstärkt<br />

insofern das demokratische Prinzip. Sie kann als Ausprägung<br />

dieses Prinzips verstanden werden, soweit sie der Verwirklichung<br />

des übergeordneten Ziels der freien Selbstbestimmung<br />

aller (...) dient. Demokratisches Prinzip und Selbstverwaltung<br />

stehen unter dem Grundgesetz nicht im Gegensatz<br />

zueinander. Sowohl das Demokratieprinzip in seiner traditionellen<br />

Ausprägung einer ununterbrochen auf das Volk zurückzuführenden<br />

Legitimationskette für alle Amtsträger als auch<br />

die funktionale Selbstverwaltung als organisierte Beteiligung<br />

der sachnahen Betroffenen an den sie berührenden Entscheidungen<br />

verwirklichen die sie verbindende Idee des sich selbst<br />

bestimmenden Menschen in einer freiheitlichen Ordnung (...).<br />

Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt<br />

deshalb, durch Gesetz – also durch einen Akt des vom Volk<br />

gewählten Gesetzgebers – für abgegrenzte Bereiche der<br />

Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen<br />

der Selbstverwaltung zu schaffen. Dadurch darf<br />

zum einen ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen<br />

geschaffen und verwaltungsexterner Sachverstand aktiviert<br />

werden.“<br />

Im Sinne einer Gesamtwürdigung heißt es dann wenig später:<br />

„Gelingt es, die eigenverantwortliche Wahrnehmung einer<br />

öffentlichen Aufgabe mit privater Interessenwahrnehmung<br />

zu verbinden, so steigert dies die Wirksamkeit des parlamentarischen<br />

Gesetzes. Denn die an der Selbstverwaltung beteiligten<br />

Bürger nehmen die öffentliche Aufgabe dann auch im<br />

wohlverstandenen Eigeninteresse wahr; sie sind der öffentlichen<br />

Gewalt nicht nur passiv unterworfen, sondern an ihrer<br />

Ausübung aktiv beteiligt.“<br />

Mit diesen Ausführungen knüpft der Zweite Senat knapp und<br />

prägnant an die Leitbilder an, die bereits in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts die Bildung der Träger funktionaler Selbstverwaltung<br />

bestimmt haben. Sie werden jedoch nicht nur als<br />

historische Motivation zur Kenntnis genommen, sondern in die<br />

Entfaltung des demokratischen Prinzips des Art. 20 Abs. 2 GG<br />

harmonisch integriert. Praktische Wirksamkeit, die sinnvolle<br />

Nutzung privater Interessen als Potenzial für die staatsentlastende<br />

Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und die unverzichtbare<br />

Letztverantwortung des Staatsvolkes in Gestalt des<br />

Gesetzgebers werden hier in ausgewogener und zugleich innovativer<br />

Form einander zugeordnet. Der Beschluss stellt damit<br />

eine wertvolle und wichtige Fortentwicklung sowohl des demokratischen<br />

Prinzips als auch der Integration der funktionalen<br />

Selbstverwaltung in den modernen Verfassungsstaat dar.<br />

Der immer wieder erklingende Vorwurf, es handle sich bei den<br />

Kammern und der funktionalen Selbstverwaltung um ein ständestaatliches<br />

Relikt, dürfte damit endgültig überwunden sein.<br />

Die Bewertung des Kammerwesens im Lichte der neueren<br />

Dokumente und Rechtsakte der Europäischen Union<br />

Ein erstes wichtiges Dokument für die Einschätzung der Rolle,<br />

die die EU-Kommission den Kammern zuweist, stellt das Weissbuch<br />

Europäisches Regieren vom 25. Juli 2001 dar. Das durch<br />

Wissenschaft und Praxis sehr kritisch aufgenommene Dokument<br />

spiegelt in seinen Grundorientierungen weiterhin die Zielsetzungen<br />

der EU-Politik für die Einbeziehung der Bürger und die<br />

Zusammenarbeit mit den Verwaltungen der Mitgliedstaaten wieder.<br />

Das Konzept des „Guten Regierens“ wird in dem Weissbuch<br />

vor allem durch die Begriffe Offenheit und Partizipation sowie<br />

neue Formen der Zusammenarbeit, insbesondere das Modell der<br />

Ko-Regulierung sowie der offenen Koordinierung, konkretisiert.<br />

Auf die Kammern wird dabei zumeist unter dem Obergriff der<br />

Berufsorganisationen Bezug genommen, die einerseits als<br />

Partner der Ko-Regulierung und offenen Koordinierung angeführt<br />

werden, andererseits aber auch Mittler der Partizipation der<br />

Unionsbürger sind. Die Betonung der partizipativen Demokratie<br />

in Art. 46 des EU-Verfassungsentwurfs stellt eine konsequente<br />

Fortschreibung dieses Ansatzes dar. Dabei kann an die dogmatische<br />

Konzeption der funktionalen Selbstverwaltung, wie sie das<br />

Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung<br />

weiter entfaltet hat, nahtlos angeknüpft werden.

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