23.11.2012 Aufrufe

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

lassen. Die Kumulation vielfältiger Einschränkungen beruflicher<br />

Freiheiten, die sowohl die medizinisch-therapeutische<br />

Komponente (Einschränkung der Therapiefreiheit durch<br />

Arzneimittelbudgets, Richtlinienvorgabe, Kontrolldichte der<br />

Wirtschaftlichkeits-Qualitätssicherung) als auch die ökonomischbetriebswirtschaftliche<br />

Dispositionsfreiheit (wirtschaftliche<br />

Restriktionen durch Budgetierung, Degression, Realwertverluste,<br />

gesetzgeberische Vergütungsinterventionen) sowie<br />

das berufliche Umfeld freier Entscheidungs- und Entfaltungsmöglichkeiten<br />

(Zulassung, Bedarfsplanung, Altersgrenze,<br />

Praxisübergabemodalitäten) umfassen, haben dazu geführt,<br />

den Kassen- bzw. Vertrags(zahn-)arzt als „Amtswalter der<br />

gesetzlichen Krankenversicherung“, als „Semi-Beamter“, als<br />

quasi Beliehener „mit Sozialanspruch auf Teilhabe der aus<br />

Zwangsabgaben gespeisten Gesamtvergütung“ anzusehen.<br />

Insbesondere vor dem Hintergrund sozialstaatlicher Einbindung<br />

durch die Gesetzliche Krankenversicherung wird die Problematik<br />

zahnärztlicher Freiberuflichkeit auf einige zentrale<br />

Fragestellungen fokussiert:<br />

■ Was ist das Proprium der Freiberuflichkeit des zahnärztlichen<br />

Berufsbildes und zahnärztlicher Berufsausübung?<br />

■ Welchen konkreten Rechtsgehalt hat der Begriff der<br />

Freiberuflichkeit, insbesondere im Hinblick auf die<br />

grundgesetzlichen Gewährleistungen?<br />

■ Welche rechtsstaatlichen, insbesondere grundrechtlichen<br />

Schranken gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit ergeben<br />

sich angesichts der Tatsache, dass Freiberuflichkeit nichts<br />

genuin Statisches ist, sondern gerade im Sozialstaat einer<br />

Dynamik unterliegt, die vom gesellschaftlichen, wissenschaftlichen<br />

und ökonomischen Innovationsprozessen<br />

ausgelöst wird?<br />

Berufs- und Vertrags(zahn-)arztrecht als Determinanten<br />

der Freiberuflichkeit<br />

Die zahnärztliche Berufstätigkeit innerhalb des Systems der<br />

zahnärztlichen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland<br />

ist in der Regel – nämlich soweit es sich um den Vertragszahnarzt<br />

handelt – bestimmt von zwei Komponenten: dem zahn-<br />

Prof. Dr. Burkhard Tiemann<br />

ärztlichen Berufsrecht, das sich insbesondere im Gesetz über<br />

die Ausübung der Zahnheilkunde i. d. F. der Bekanntmachung<br />

vom 16. April 1987 (BGBl. I, S. 1225) sowie der ergänzenden<br />

Approbationsordnung für Zahnärzte i. d. F. vom 17. Dezember<br />

1986 (BGBl. I, S. 2524) und den landesrechtlichen Heilberufsund<br />

Kammergesetzen niedergeschlagen hat, ferner den<br />

kassenarztrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Regelungen<br />

des SGB V, sowie in den Richtlinien, Mantel- und<br />

Gesamtverträgen, die durch dieses Gesetzeswerk ihre rechtliche<br />

Ausgestaltung erfahren haben.<br />

Sowohl im Zahnheilkundegesetz als auch in der Berufsordnung<br />

für die deutschen Zahnärzte vom 06. November 1975 wird der<br />

zahnärztliche Beruf als ein „seiner Natur nach Freier Beruf“<br />

bezeichnet, der nur in Diagnose- und Therapiefreiheit ausgeübt<br />

werden kann und dessen Ausübung kein Gewerbe<br />

darstellt. Der Zahnarzt ist demnach verpflichtet, seinen Beruf<br />

nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst und nach Geboten<br />

der Menschlichkeit auszuüben, dem ihm im Zusammenhang<br />

mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen,<br />

sein Wissen und sein Können in den Dienst der Pflege, der Erhaltung<br />

und der Wiederherstellung der Gesundheit zu stellen.<br />

Diese generelle Definition der Berufspflichten wird in den<br />

Berufsordnungen in eine Palette von Einzelpflichten ausdifferenziert,<br />

die von der Fortbildungspflicht über Schweigepflicht,<br />

Aufzeichnungspflicht, Kollegialitätspflicht bis hin zur Übernahme<br />

von Pflichten wie dem Notfalldienst reicht.<br />

| 79<br />

Die freiberufliche Komponente der zahnärztlichen Berufsausübung<br />

als eigenverantwortliche, weisungsunabhängige, nicht<br />

in erster Linie erwerbswirtschaftliche Tätigkeit paart sich bei<br />

einer Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung mit<br />

den Bindungen des Kassenarztrechts. Das Spannungsverhältnis<br />

zwischen der Eigenverantwortlichkeit des Freien Berufes<br />

und dem rechtlichen Standard des Kassensystems hat das Bundesverfassungsgericht<br />

im Grundsatzurteil zur Rechtsstellung<br />

des Kassenarztes bzw. Kassenzahnarztes 1960/61 dahingehend<br />

umschrieben, dass der Kassenarzt kein eigener Beruf<br />

sei, der dem des nicht zu den Kassen zugelassenen, frei praktizierenden<br />

Arztes gegenübergestellt werden könne. Vielmehr<br />

sei die Tätigkeit des Kassenarztes nur eine Ausübungsform<br />

des Berufes des frei praktizierenden Arztes. Die Rechtsstellung<br />

des Kassenarztes sei auch kein öffentlicher Dienst; zwar<br />

sei der Kassenarzt durch die Zulassung in ein öffentlich-recht-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!