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Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

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Mit Vollendung des 68. Lebensjahres erlischt die Zulassung<br />

(§ 95 Abs. 7 SGB V). Diese subjektiven Zulassungsbeschränkungen<br />

sah das Bundesverfassungsgericht als gerechtfertigt<br />

an, da sie ein geeignetes Mittel seien, um die Kosten des<br />

Gesundheitswesens zu begrenzen. Denn eine steigende<br />

Anzahl von Ärzten führe zu einem Anstieg der Ausgaben der<br />

Gesetzlichen Krankenversicherung. Abgesehen davon, dass<br />

dieser Befund angebotsinduzierter Nachfrage im zahnärztlichen<br />

Bereich nicht in einem dem ärztlichen Versorgungssektor<br />

vergleichbaren Maße besteht, erscheint es sehr<br />

zweifelhaft, ob ein partielles „Berufsverbot“ eine dem Übermaßverbot<br />

entsprechende Beschränkung ist, da sie in ihren<br />

Wirkungen einem Eingriff in die freie Berufswahl zumindest<br />

nahe kommt. An Regelungen der Berufsausübung mit nachhaltigen<br />

Auswirkungen auf die Berufswahl legt das Bundesverfassungsgericht<br />

ansonsten einen strengen verfassungsrechtlichen<br />

Maßstab an und hält sie nur für gerechtfertigt, „wenn<br />

sie durch besonders wichtige Interessen der Allgemeinheit<br />

gefordert werden, die nicht anders geschützt werden können“.<br />

Insofern sind auch Regelungen problematisch, die den<br />

Vertrags(zahn-)arzt hindern, seine Praxis oder den Anteil an<br />

einer Gemeinschaftspraxis frei zu veräußern oder zu vererben<br />

(§ 103 Abs. 4 SGB V). Die Rechte an Praxis und Praxisanteil<br />

genießen Eigentumsschutz, weil sie auf nicht unerheblichen<br />

Eigenleistungen des Zahnarztes beruhen und der Sicherung<br />

seiner Existenz dienen, sodass solche Regelungen einer staatlichen<br />

„Zwangsbewirtschaftung“ unverhältnismäßig sind.<br />

In welchem Ausmaß der Sozialgesetzgeber das (zahn-)ärztliche<br />

Berufsrecht und -bild präformiert, zeigt die durch das<br />

GMG neugeschaffene Regelung der medizinischen Versorgungszentren<br />

(§ 95 SGB V). Obwohl das Heilberufsrecht der<br />

Länderkompetenz (Art. 70 GG) und nicht der konkurrierenden<br />

Gesetzgebung des Bundes für die Sozialversicherung<br />

(Art. 74 Nr. 12 GG) unterliegt, setzt der Bundesgesetzgeber<br />

sich über landesrechtliche Regelungen zu gesellschaftsrechtlichen<br />

Formen der Berufsausübung hinweg und favorisiert<br />

fachübergreifende Versorgungszentren und gesellschaftsrechtliche<br />

Organisationsstrukturen.<br />

Er verabschiedet sich damit vom Leitbild der freiberuflichen<br />

Niederlassung in eigener Praxis als idealtypischem<br />

Versorgungsträger und begünstigt hinsichtlich der Bedarfsplanung<br />

(§ 103 Abs. 4a SGB V) und Arbeitszeitregelungen<br />

(§ 101 Abs. 1 S. 6 SBG V) die Zentren, wodurch ein erheblicher<br />

Anpassungsdruck auf die ärztlichen und zahnärztlichen<br />

Selbstverwaltungen hinsichtlich ihrer Berufsordnungen und<br />

Rechtsunsicherheit bezüglich der Berufsaufsicht erzeugt wird.<br />

Die zunehmende Funktionalisierung des Vertragszahnarztes<br />

für Systembedingungen der GKV wird auch im Verhältnis zum<br />

Patienten deutlich. Die Überlagerungen einer an fachlichwissenschaftlichen<br />

Kriterien orientierten Therapieentscheidung<br />

durch Wirtschaftlichkeitsgebote und Regresssanktionen<br />

lässt den Vertragszahnarzt seinen Patienten gegenüber nicht<br />

in einer vertrauensgestützten Zweierbeziehung im freiberuflichen<br />

Sinne gegenüberstehen, sondern in der instrumentellen<br />

Funktionserfüllung für die GKV. Dies ist schon in der Rechtskonstruktion<br />

des Sachleistungsprinzips angelegt, die den<br />

Vertragszahnarzt dem Patienten gegenüber als Realisator<br />

öffentlich-rechtlicher Systembedingungen auftreten lässt.<br />

Mangelnde Transparenz des Leistungsgeschehens, fehlende<br />

Selbstbestimmung und Vertragsautonomie der Partner sowie<br />

die normative Therapiefremdsteuerung durch Richtlinien,<br />

Richtgrößen und Budgets beeinträchtigen die (Zahn-)Arzt-<br />

Patienten-Beziehung ebenso wie die sachwidrigen, insbesondere<br />

an Durchschnittswerten orientierten Regresse der<br />

Behandlungs- und Verordnungsweise (§§ 106 ff. SGB V).<br />

Zusätzlich leidet das (Zahn-)Arzt-Patienten-Verhältnis der<br />

GKV daran, dass durch die Verschärfung datenschutzrechtlicher<br />

Bestimmungen (§§ 284 ff. SGB V) das Arztgeheimnis<br />

und das informationelle Selbstbestimmungsrecht des<br />

Patienten gefährdet werden.<br />

Neben den immer engmaschiger werdenden Instrumentarien<br />

der Wirtschaftlichkeitsprüfung werden dem Vertrags(zahn-)<br />

arzt im Gewande der Qualitätssicherung (§§ 138 a ff. SGB V)<br />

immer neue Therapievorgaben und Prüfungsmodalitäten<br />

auferlegt. Das Spektrum der Maßnahmen reicht von Richtlinien<br />

über verpflichtende Maßnahmen der Qualitätssicherung,<br />

Indikationskatalogen diagnostischer und therapeutischer<br />

Leistungen (§ 136 b SGB V) bis zu evidenzbasierten Leitlinien<br />

diagnostischer und therapeutischer Ziele (§ 137 e SGB V).<br />

Auch das im Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz<br />

vorgesehene „Deutsche Institut für Qualitätsfragen“ wird<br />

Tendenzen verstärken, die Therapiefreiheit des (Zahn-)Arztes<br />

medizinbürokratischen Standards zu unterwerfen.

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