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Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

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Dafür spricht auch Folgendes: Die berufsgerichtliche Struktur<br />

sowohl hinsichtlich der vier Bezirksberufsgerichte wie auch<br />

hinsichtlich des Landesberufsgerichts zeichnet sich durch eine<br />

bewusst gewollte Berufs- und Praxisnähe aus, Praxisnähe<br />

in der für einen praktizierenden Zahnarzt nächstliegenden<br />

Bedeutung. Dafür stehen in erster Linie die bereits erwähnten<br />

zahnärztlichen Beisitzer, die sowohl bei den erstinstanzlichen<br />

Bezirksberufsgerichten wie auch in der Rechtsmittelinstanz<br />

des Landesberufsgerichts gegenüber den Juristen das gleiche<br />

Stimmengewicht haben und folglich in der Mehrheit sind; sie<br />

können die Juristen überstimmen. Nun sind Nichtjuristen als<br />

Richter nichts Ungewöhnliches: Schöffen, Handelsrichter,<br />

Arbeits- und andere Laienrichter sind ein fester Bestandteil<br />

der rechtsprechenden Gewalt, die nach § 1 des Deutschen<br />

Richtergesetzes „durch Berufsrichter und durch ehrenamtliche<br />

Richter“ ausgeübt wird. Ungewöhnlich ist die baden-württembergische<br />

Regelung aber deshalb, weil hier Gerichtsbarkeit<br />

nicht wie sonst vom Land oder vom Bund, sondern von einem<br />

Kammerorgan ausgeübt wird. Es verwundert nicht, dass dies<br />

in den Anfängen der 60er <strong>Jahre</strong> Anwälte auf den Plan gerufen<br />

hat, die das für verfassungswidrig hielten. Freilich ohne Erfolg:<br />

das Bundesverfassungsgericht hat schon 1964 die Verfassungsmäßigkeit<br />

auch der von einer Kammer getragenen<br />

Gerichte bejaht, sofern der Staat bei der Bestellung der Richter<br />

entscheidend mitwirkt und deren Unabhängigkeit von der<br />

Kammer gewährleistet ist.<br />

Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass die Mitglieder<br />

der Berufsgerichte zwar von der <strong>Landeszahnärztekammer</strong> vorgeschlagen,<br />

aber vom Sozialministerium im Einvernehmen<br />

mit dem Justizministerium – auf die Dauer von fünf <strong>Jahre</strong>n –<br />

bestellt werden; sie besitzen richterliche Unabhängigkeit.<br />

Dies gilt auch für die beisitzenden Zahnärzte. Es wurde schon<br />

angedeutet: deren Rolle im berufsgerichtlichen Verfahren kann<br />

nicht hoch genug eingeschätzt werden, weil sie ihre besondere<br />

Sachkunde, ihre Berufserfahrung, ihre Kenntnis der örtlichen<br />

Gegebenheiten, ihre Menschenkenntnis und ihr Wissen um die<br />

Abläufe in einer Praxis in die Verhandlung einbringen. Für die<br />

Urteilsfindung ist dies oft unverzichtbar. Es trägt aber auch<br />

maßgeblich dazu bei, für die Entscheidungen nicht nur juristische,<br />

sondern auch fachliche Akzeptanz in der Zahnärzteschaft<br />

zu finden. Die persönliche Bemerkung sei erlaubt: Wenn es<br />

dem Landesberufsgericht in den vergangenen <strong>Jahre</strong>n und Jahrzehnten<br />

gelungen ist, solche Akzeptanz zu schaffen, so ist dies<br />

Dr. Walther Eitel<br />

nicht zum geringsten seinen fachlich wie menschlich qualifizierten<br />

– weiblichen und männlichen! – zahnärztlichen Beisitzern<br />

und deren Engagement zu danken.<br />

Was aber nun eine berufsunwürdige Handlung ist, orientiert<br />

sich in erster Linie – nicht allein – an den Vorschriften der<br />

Berufsordnung für Zahnärzte und Zahnärztinnen. Sie nennt<br />

besondere Berufspflichten, zu denen ganz allgemein die<br />

gewissenhafte Ausübung des Berufs nach den Regeln der<br />

zahnärztlichen Kunst und den Geboten der Menschlichkeit<br />

gehört, ebenso die Erwartung, dass der Zahnarzt dem<br />

Vertrauen entspricht, das ihm im Zusammenhang mit dem<br />

Beruf entgegen gebracht wird (§ 2 der Berufsordnung). Über<br />

diese allgemeinen Grundsätze hinaus statuiert die Berufsordnung<br />

etwa unter den Stichworten Vertretung, persönliche<br />

Berufsausübung, Dokumentationspflicht, Notfalldienst,<br />

Gutachterpflichten, Gebühren, Verschwiegenheitspflicht,<br />

Verhalten gegenüber Kollegen, Führen von Berufsbezeichnungen,<br />

Praxisschilder, unangemessene Werbung und<br />

Anpreisung etc. Berufspflichten ganz detailliert. Verfehlungen<br />

außerhalb des Berufs ziehen, anders als in den Anfangszeiten<br />

der Berufsgerichtsbarkeit, heute nur noch in seltenen<br />

Ausnahmefällen neben dem Strafverfahren auch berufsrechtliche<br />

Konsequenzen nach sich. Das lange Zeit dominierende<br />

Problem des „berufsrechtlichen Überhangs“ wie z. B. bei strafrechtlich<br />

schon abgerügten Trunkenheitsfahrten und anderen<br />

Straftaten ist in der Berufsgerichtsbarkeit nahezu bedeutungslos<br />

geworden.<br />

Es gibt Zahnärzte, die das verbal gewiss harte Verdikt des<br />

„berufsunwürdigen Verhaltens“ als besonders ehrenrührig<br />

empfinden und nur deshalb die zweite Instanz anrufen, auch<br />

wenn das erstinstanzliche Bezirksberufsgericht im Tenor seines<br />

Urteils nur den Wortlaut des Kammergesetzes angewandt<br />

hat, so, wie es das tun musste. Man mag darin eine erfreuliche<br />

Empfindlichkeit in Sachen Berufsehre sehen, obwohl<br />

es zutrifft, dass der Begriff des berufsunwürdigen Verhaltens<br />

eine große Bandbreite standesrechtlicher Verfehlungen unterschiedlichster<br />

Gewichtung umfasst. Die vorstehende Aufzählung<br />

der in der Berufsordnung genannten Berufspflichten lässt<br />

dies schon erahnen. Zu den Verstößen, die das Ansehen der<br />

Zahnärzteschaft in der Öffentlichkeit sehr empfindlich beschädigen<br />

(und zugleich regelmäßig zu zusätzlicher Beanspruchung<br />

von Kollegen führen), gehören Verstöße gegen die Notfall-<br />

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