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Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg 50 Jahre ... - Lzk Bw

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Die Freiberuflichkeit des Zahnarztes im<br />

Spannungsfeld sozialstaatlicher Bindungen<br />

78 |<br />

Das Berufsbild des Zahnarztes im System der Freien Berufe<br />

Der Zahnarzt als Freier Beruf im Sozialstaat bezeichnet eine<br />

berufs-, gesundheits- und sozialpolitische Problemstellung,<br />

die trotz jahrzehntelanger politischer, rechts- und sozialwissenschaftlicher<br />

Diskussionen unter einer Flut gesetzgeberischer<br />

Aktivitäten im Gesundheits- und Sozialwesen nichts<br />

an Aktualität eingebüßt hat und bei jeder Gesundheitsreform<br />

erneut auf dem Prüfstand steht. Das <strong>50</strong>-jährige Bestehen der<br />

<strong>Landeszahnärztekammer</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> gibt erneut<br />

Anlass, sich mit der Rolle des Arztes und Zahnarztes in ihrer<br />

Ambivalenz zwischen freiberuflicher Eigenverantwortung und<br />

zunehmend restriktiver werdenden sozialstaatlichen Bindungen<br />

zu befassen. Dabei sind die Einwirkungen des Berufsund<br />

Vertragsarztrechts auf die Berufsausübung, die vielfältigen<br />

Determinanten des medizinisch-wissenschaftlichen<br />

Fortschritts, das sich wandelnde orale Morbiditätspanorama,<br />

die komplexen gesundheitsökonomischen Bestimmungsfaktoren<br />

und nicht zuletzt die sich entwickelnde Dimension<br />

einer europäischen Sozialunion zu berücksichtigen.<br />

Die viel beschworene Kernfrage, ob der Arzt oder Zahnarzt insbesondere<br />

in seiner Erscheinungsform als Vertrags(zahn-)arzt<br />

noch ein Freier Beruf ist, begegnet von vornherein der Schwierigkeit<br />

einer gewissen begrifflichen Unschärfe eines Freiberuflichkeitsverständnisses,<br />

das in seiner Genese nicht juristischer,<br />

sondern soziologischer Natur ist. Ein solches berufssoziologisches<br />

Vorverständnis der Freiberuflichkeit liegt sowohl<br />

der für die Freien Berufe übergreifenden Gesetzgebung, zum<br />

Beispiel des Steuerrechts, als auch der höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung zu Grunde, soweit sie den Zahnarzt als Freien<br />

Beruf im Sozialstaat verortet. Normative, insbesondere grundrechtliche<br />

Schranken für staatliche Eingriffe und Statusbestimmungen<br />

des Zahnarztes als Freier Heilberuf durch den Gesetzgeber<br />

ergaben sich bisher nicht aus dem Rechtsgehalt der<br />

Freiberuflichkeit, sondern den allgemeinen Schrankenvorbehalten<br />

und grundgesetzlichen Gewährleistungen, insbesondere<br />

der Berufsfreiheit des Art. 12 GG, der allgemeinen Handlungsfreiheit<br />

(Art. 2 GG), dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG)<br />

oder der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) sowie rechtsstaatlichen<br />

Kriterien, wie dem Verhältniskeits- oder Vertrauensschutzprinzip.<br />

Der Begriff der Freiberuflichkeit in seiner<br />

Vieldeutigkeit und Unschärfe ist dadurch gekennzeichnet,<br />

dass er berufssoziologisch höchst unterschiedliche Berufs-<br />

bilder und Berufstypen aggregiert und sowohl gegenüber<br />

gewerblichen Implikationen als auch Selbstständigkeitskriterien<br />

und staatlicher Einbindung schwer abzugrenzen ist.<br />

Sowohl teilweise gewerblich ausgerichtete Berufe, wie die<br />

Apotheker, als auch staatlich Beliehene, wie Notare, werden zu<br />

den Freien Berufen gezählt. Freie Berufe, können in angestellter<br />

oder selbstständiger Form oder in Kombination von beiden<br />

Ausübungsformen praktiziert werden: § 1 der Bundesärzteordnung<br />

und § 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung definieren den<br />

Arzt oder Rechtsanwalt als Freien Beruf, dessen Tätigkeit kein<br />

Gewerbe ist, unabhängig davon, ob er in freiberuflicher Niederlassung<br />

oder als Angestellter, zum Beispiel als Krankenhausarzt<br />

oder als Syndikusanwalt, praktiziert wird. Der „Dichtegrad“<br />

der öffentlich-rechtlichen Einbindung Freier Berufe ist ebenfalls<br />

höchst unterschiedlich: Neben weitgehend „staatsfreien“<br />

Freiberuflern, wie Künstlern und Publizisten, stehen staatlich<br />

gebundene Berufe, wie zum Beispiel Rechtsanwälte, die vom<br />

Gesetz als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ bezeichnet<br />

werden (§ 1 BRAO), Apotheker, denen nach dem Apothekengesetz<br />

die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung obliegt,<br />

oder Ärzte und Zahnärzte, die nach der Bundesärzteordnung<br />

und dem Zahnheilkundegesetz bei der Ausübung ihres Berufes<br />

der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ebenfalls in<br />

staatliche Sozialpflichten eingebunden sind.<br />

Den höchsten Dichtegrad öffentlich-rechtlicher Einbindung<br />

weisen Freie Berufe auf, die wie zum Beispiel Notare oder<br />

öffentlich bestellte Vermessungsingenieure mit staatlichen<br />

Hoheitsfunktionen beliehen sind, sodass ihre Freiberuflichkeit<br />

durch die Indienstnahme für Staatsfunktionen weitgehend<br />

öffentlich-rechtlich überlagert ist.<br />

Schließlich zeigt die Debatte um die Zulässigkeit von Werbeverboten<br />

und gesellschaftsrechtlichen Formen der Berufsausübung<br />

Freier Berufe die Probleme einer Abgrenzung zur<br />

Vergewerblichung, die auch vor dem Berufsbild des Zahnarztes<br />

in seinen verschiedenen Ausübungsformen als Privatzahnarzt,<br />

als Vertragszahnarzt, als Hochschullehrer oder Angestellter<br />

öffentlicher Institutionen nicht Halt macht.<br />

Besonders der Status des Vertragszahnarztes muss sich vor<br />

dem Hintergrund der Systembedingungen der GKV und seiner<br />

zunehmenden Funktionalisierung für die Zwecke der sozialen<br />

Krankenversicherung auf seine Freiberuflichkeit befragen

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