407 JMahlke, Chinesische Dachformen. 408Eine Beschreibung des Klimas wäre ungenügend, -wollteman nicht auch der Stürme Erwähnung tun, die mit verheerenderGewalt dahinbrausen, durch die mitgeführtenStaubmassen das Licht der Sonne verdunkelnd. Auch unserejunge Kolonie Tsingtau hat Stürme erlebt, die so stark waren,daß ganze Dächer von den nach europäischer Art gebautenHäusern flogen." Man begreift, weshalb die Dächer derChinesen so dick, so massigj so schwer gemacht worden siDdlIn den nördlichen Provinzen kennt man im Winterneben der Kälte auch den Schnee. Selbst in Tsingtauschneit es, allerdings sehr selten und nur wenig. Eine. Ausnahme machte der "Winter im Anfang des Jahres 1905,der eine ungewöhnlich große Menge Schnee brachte. Einehöchst auffallende Erscheinung konnte man bei dieser Gelegenheitbeobachten: Der Schnee schmolz nicht zu Wasserwie bei uns, sondern verdampfte. Dies konnte man besondersan den Stellen erkennen, wo, wie z. B. in Schluchteneine größere Menge Schnee zusammengetrieben war. Hiersah man auch noch viele Wochen nach dem Schneefall, alsschon länget wieder die Sonne ihre wärmenden Strahlenhemiedersandte, weiße Schneeflächen, die allmählich aufgezehrtwurden und verdampften, ohne daß sich der häßlicheSchneematsch gebildet hätte. Ganz ähnliche Erscheinungentreten offenbar im nördlichen Japan auf. Baltzerhat beobachtet, daß es selbst in Tokio noch zu den Seltenheitengehört, daß der Schnee wirklich mehrere Tage langliegen bleibt, weil die Sonne in diesen Breiten eine solcheKraft besitzt, daß ihr Erscheinen die Reste des Schnees, dievielleicht ein am Tage vorher wütender Schneesturm zusammengetriebenhat, in kürzester Zeit zum Yerschwinden bringt.Es leuchtet ohne weiteres ein, daß in einem Landemit solchem Klima, wo man sich gegen Sonne und Regenin ganz anderer Weise als bei uns schützen muß, das Dacheine viel größere Bedeutung gewinnt als bei uns; diese Bedeutungäußert sich im Aufbau ganz allgemein und in derBehandlung der einzelnen Teile, und es ist nicht zu vielgesagt, wenn Heinrich Hildebrand in seinem verdienstvollenWerke über den Tempel Ta-chüeh-sy bei Peking, behauptet,„das eigenartigste Glied in der Baukunst der ostasiatischenVölker ist das Dach."Auch F. Baltzer äußert sich in seiner Abhandlung über„Das japanische Haus" in der <strong>Zeitschrift</strong> für <strong>Bauwesen</strong> von1903 ganz ähnlich: „Das niedrige, meist eingeschossigeHolzhaus .... macht auf den ersten Blick einen schuppenoderscheunenartigen Eindruck, dem anscheinend jede architektonischeWirkung abgeht. Und doch muß man schonvon vornherein eine Ausnahme zugestehen: nämlich in derErscheinung des Daches. Wenn dieses nicht mit Stroh oderHolzschindeln, sondern mit Ziegeln gedeckt ist, st> macht esmit seinem starken Relief, dem lebhaften Fugenspiel derzum Teil mit blendend Weißem Mörtel verstrichenen Stoßfugen,mit seinen durch kräftige Gliederungen hervorgehobenenFirst-, Trauf-, Ort- und Gratlinien, mit der graziösen Schweifungder Trauf kanten an den Ecken eine gefälhge, äußerst lebhafteWirkung, wie sie unsre heimischen Dächer, derenFlächen oftmals dem Auge gänzlich entzogen sind, nichtimmer zu erzielen vermögen."Mit Ausnahme der Turmpagoden hat man es fast immernur mit einstöckigen Qebäuden zu tun; auf diesen fällt demDache tatsächlich außer der wetterschützenden noch die ganzbesondere Aufgabe zu: es hat dem Unterbau, dem Gebäudeüberhaupt, das besonders kennzeichnende Gepräge zu gebenund zur Schönheit des Ganzen beizutragen und zwar erheblichmehr als etwa die Dächer auf mehrstöckigen europäischenBauten. Pal#ologue schreibt hierüber in seinemWerke: „L'art chinois": ;,Bei allen Gebäuden spielt dasDach die Hauptrolle; von seiner Beschaffenheit hängt dieSchönheit, die Großartigkeit oder Bedeutungslosigkeit einerBaulichkeit ab. Das Übergewicht, welches derartig einemin der abendländischen Architektur wenig auffällig behandeltenGebäudeteil eingeräumt wird, erklärt sich aus demUmstand, daß der Aufriß eine sehr geringe Erhebung hatund das Dach der augenfälligste Teil der Gebäude ist. Umin die Eintönigkeit einige Abwechslung zu bringen, greiftman, besonders bei PalÄsten und Tempeln, zur Verdopplungund selbst zur Verdreifachung des Daches."Eigentlich kommen in China nur Sattel- und Zeltdächervor. Turm- und Kuppeldächer kennt der Chinese nicht. Dieverbreitetste form ist die der einfachen Satteldächer (Text-Abb. 6). Gewöhnliche Walmdächer sind selten (Text-Abb. 5,9 und 10). Ziemlich häufigist der Krüppelwalm undzwar merkwürdigerweise dieForm, welche in Deutschlandsich nur selten findet.Dies ist der KrOppelwalm,dessen Traufe in gleicher Höhemit der Satteltraufe liegt (Text*Abb. 12.Abb. 7 u. 11). Für den besondersauf dem Lande in derdeutschen Heimat so beliebten Krüppelwalm ist mir ein Beispielin China nicht bekannt. Pultdächer haben nicht dieBedeutung wie bei uns. Wenn sie hier in Deutschland nichtElemente besonderer Daohgruppierungen, sondern lediglich eineFolge unserer baupolizeilichen Vorschriften sind, wirken siefast immer unschön. In China sind mir alleinstehende Pultdächernicht aufgefallen; sie treten immer als Teile einerDachgruppierung auf und bilden dann meist den Schutz derAbb. 14.Sctnitt op.18.Schnitt bb.Abb. 15.Abb. 10.19.Schnitt dd.
409 Mahlke, Chinesische Dachformen. 4L0nackte Erde ist, deren Mauern ausStrohlehm aufgeführt oder aus Granitfindliugenhochgepackt und derenDächer mit Stroh gedeckt sind. Aufden zwei Querbalken, — Binderbalken— welche das Haus in dreiRaumteile zerlegen, wird ein Dachstuhlaufgesetzt, auf dem die Pfcttenruhen, die zunächst mit einer LageKauliangstroh gedeckt werden; dieseswird mit Lehm verschmiert und mitBerggras oder Weizenstroh bedecktDer Dachfirst wird mit sattelförmigenneboneinandcrgereihten großen Ziegelnüberstülpt, •— Stroh- und ßohrdächersieht man auch auf einfachen Tempelanlagenund Klöstern (Text-Abb. 1).Solide Häuser mit Ziegeldächern tritVtman zumeist nur in Städten undAbb. 20. Tompeldach in Poschan, Firatbekrönung aus Terrakotta,reichen Marktflecken, weniger aufdem flachen Lande.Wann zuerst Dachziegel in China hergestellt wurden,ist nicht sicher festgestellt; diese Technik scheint im drittenJahrhundert v. Chr. begonnen und bald danach allgemein bekanntgeworden zu sein (vgl. Oskar Münsterberg, ChinesischeKunstgeschichte, 1910, Band 1 S. 73). Die Dachziegel sehenaußen und im Bruch wie die übrigen chinesischen Mauersteineblaugrau aus. Diese blaugraue Farbe ist keine Besonderheitdos zum Brennen verwendeten Tons. Der Tonläßt sich ebensogut rot brennen, braucht aber dazu schärferesFeuer. Wenn auch die Brandhaut der graublauen Ziegeleine gewisse Ilärto aufweist, so sind doch die dumpfklingendenZiegel innen meist nicht genügend durchgebrannt,so daß nach Verletzung der äußeren Brandhaut die Verwitterungdes inneren Teiles rasch vor sich geht. Die Dachziegelmögen, da sie dünner sind, im allgemeinen etwashärter gebrannt sein, als die gewöhnlichen Mauerziegel; siesich um einen maßiven inneren Gebäudekern herumziehendenVeranden, so daß sie dann im ganzen die Mantelfläche einerabgestumpften Pyramide bilden; sie tragen aber in Chinaimmer zur Erhöhung der Schöüheit des Ganzen bei.Au£er dieser Dachform kommt noch eine sehr eigentümlicheDachbildung vor, die eigentlich weiter nichts istals ein Zwillingssatteldach. Zwei parallele Satteldächer sindmit ihren beiden einander zugekehrten Traufen vereinigt."Wie die Wasserabführung aus dieser verwachsenen Traufebewirkt wird, ist aus der Text-Abb. 12 zu erkennen; einflacher Sattel ist so zwischen die inneren Seiten des Zwillingsdacheseingefügt, daß die ganze Wassermenge, welche auf denzwischen den beiden Firsten liegenden Teil herniederregnet,mit Gefälle den beiden Punkten zugeführt wird, wo dieGiebel mit ihrer Traufe aneinander stoßen.Die Zeltdächer sind von besonderer Eigenart; sie habenkreisrunde und vieleckige Grundriß formen und bestehen, wiedie Satteldächer, aus einem, zwei, oder höchstens drei Geschossen,Es kommt auch vor, daß der vieleckige Grundrißdes inneren Gebäudekerns im unteren Dachgeschoß beibehaltenwird, während das höhergeordnete, spitz zulaufende Dachgeschoßaus kreisrunder Traufe ansteigt. Liegt der Dachbildungein Vieleck zugrunde, so finden sich auch der Zahlder Ecken entsprechend viel Grate mit den eigenartigen "Aufkrempungen. Ist der Grundriß kreisrund, so liegt keinAnlaß zur Gratbildung vor; die Folgen davon sind das Pehlender Aufkrempungen und eine kreisrunde in der Ebene liegendeTraufe. Eine besondere Abart dieser Zeltdäolier sind dieDächer der vielgesohossigen Pagoden. Mansarddächor gibtes ebensowenig wie Kuppelbauten. An keinem Dach inChina stehen die Ziegel an der Traufe steiler als in derNähe des Firstes. Das wäre aber gerade an Mansard- undan Kuppeldächern der Fall.Man findet Ziegel- und Rohrdächer. Es gibt auch flacheLehmdächer, die jährlich wiederholt mit Lehm beschmiert•werden müssen, um die entstandenen Fugen abzudichten.Die größere Mehrzahl der Unbegüterten begnügt sichmit Wohnungen allereinfachster Art, deren Fußboden diehaben aber auch nur eine sehr geringe Festigkeit. Anbesseren Gebäuden findet man deshalb auch glasierte Dachziegelverschiedener Färbung, die naturgemäß der Witterungbesser widerstehen, als einfach gebrannte Steine. Auch Firsteund Grate sind manchmal mit glasierten Kacheln ausgestattet.Die Chinesen kennen, soweit ich beobachten konnte,nur Dachziegel von Formen, die uusern Klosterdächern eigensind; es gibt Nonnendächer und Mönch-Nonnendächer. Merkwürdigerweisehaben sie ihre Dachziegel ganz ähnlich bezeichnetwie wir: sie unterscheiden männliche und weibliche.Die Grundform des Dachziegels ist etwa die eines halbenmehr oder weniger flachen Zylinders oder eines halben abgestumpftenKegelmantels ohne jeden Ansatz oder EinschnittDiese Form findet in einfachster Weise als Nonnendaeh Verwendung.Ein mit reicher FirstbekrÖnung verziertes Tempeldachin Poschan (Text-Abb. 20) gibt eine Vorstellung davon.Beachtenswert ist die besonders schöne regelmäßige Lage derZiegel; so regelmäßig wie auf diesem Bilde findet man nichthäufig die Eindeckung, Da die Ziegel dieses Nonnendachesnicht durch Mönche überdeckt sind, müßte eigentlich zwischenje zwei Ziegelreihen eine offene Mörtelfuge entstehen. EinBlick auf die Abbildung lehrt, daß eine solche Fuge nicht
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