415 Mahlke, Chinesische Dachformen. 416Abb. 25.Verzierung des unteren Dachgratesmit Ticrßguroa.der verwendete Kalk einwandfrei ist, so ist doch hei demgroßen Mangel an gutem Sande nur ein sehr mäßigen Ansprüchengenügender Mörtel zu erzielen. Statt guten Sandesist man in den allermeisten Fällen genötigt, sich des Lösseszu bedicneo, der ungeheuere Flächen in Cliina bedeckt undvon dem Ä. Gaedertz, Egl. Banrat, Direktor der Schantung-Eisenbalm-Gesellschaft, in seinem Vortrag über Schantung,gelialten in der Kolonialgesellschaft Berlin - Charlottenburg— 1902 — folgendes mitteilt: „Der Löß ist aus eckigenSandkörnern und tonigen Teilen zusammengesetzt; ein leichterEisengehalt im Ton ruft die braungelbe Farbe hervor. DerLöß ist sehr mürbe, aber doch so fest, daß er vertikal inhohen Wänden ansteht. Sehr feine Köhrchen durchziehenihn mit zahlreichen stets nach unten gehenden Verästelungen;die Röhrchen sind mit einer dünnen Schicht kohlensaurenKalkes bekleidet. Eine Schichtung ist nicht vorhanden, dagegeneine große Neigung zu vertikalen Zerklüftungen. Bänkekommen allerdings vor, aber nur beim Vorhandensein festermergeliger Konkretionen, deren Längsachse stets senkrecht ist."Nehmen wir an, die Chinesen paßten sich europäischerBauweise soweit an, daß sie die aufgebogenen Ecken ihrerDächer in die bei uns übliche Gratform zurückbögen, sowürde, wenn sonst alle Voraussetzungen dieselben blieben,die Zerstörung des Daches gerade an den untersten Stellender hohen Qratholme am ersten beginnen. Die schätzendeGratverstärkung würde unter dem Einflüsse ihrer eigenenSchwere bei der geringen Zugfestigkeit des ZiegelstofFee unddes verwendeten Mörtels abreißen (vgl, auch Hildebrand, dervon magerem Gemisch sandiger Erde mit Luftkalk spricht),und auch der etwa zunächst noch stehenbleibende obere Restwürde bald ins Rutschen kommen. Damit das nicht geschieht,verflachen die Chinesen die Neigung der Grate besonders imunteren Teil und schaffen so für diesen ein fast wagerechtesLager, auf dem die Reibung stark genug ist, um auch demSchub vom oberen stärker geneigten Teil zu widerstehen.Wie ein Blick auf die linke Seite der Abb. 4 Bl. 47 lehrt, woder Grat eines kleinen Daches, von anscheinend untergeordneterBedeutung, ohne Gratholme von einfachen Mönchziegelngebildet wird, sehen die Chinesen von der umständlichenAufkrempung sofort ab, wenn hohe Gratholme nichtvorhanden sind, wenn das AbrutschenTOD Gratholmen alsonicht zu befürchten steht. Sounscheinbar gerade dieses Beispielan sich ist, hat es docheine sehr wesentliche Bedeutungfür die Prüfung der Richtigkeitmeiner Erklärung derAufkrempung an den Traufen;ich weise daher besonders aufden flaohgedeckten Grat dieseskleinen Daches hin.Für die Regenreihen bestehtdie Gefahr des Abreißensdes unteren Teiles nicht indemselben Maße wie für diehohen Gratholme; sie könnenalso ebenso wie bei uns zurTraufe geführt werden; dieTtauf linie muß sich nun den überihr liegenden Traufpunkt desGrates suchen; sie schwingt sich im Bogen herauf und soentsteht die eigenartige Aufkrerapung der Dachecke.Die Eigentümlichkeit der chinesischen Dächer,die Äufbiegung der Traufe an den Ecken, erklärtsich also als eine Folge von Rücksichten, dieman auf die Eigenschaften des verwendeten Baustoffesin einem Klima der geschilderten Art genommenhat.Nicht immer ist der Grataufbau in gleicher Stärke vomFirst zum Traufpunkt heruntergeführt. Man beobachtet vielmehrhäufig eine Schwächung des unteren Teiles und zwaretwa so weit, als das Dach frei über seine Unterstützungenhinausragt; so wird die Tragekonstruktion entlastet, gleichzeitigaber die obere Dachhaut in gewisse Beziehung zu demunteren Kern gestellt; es ist keine Frage, daß außer reinkonstruktiven hier auch Schönheitsrücksichten maßgebend gewesensind, die ganz allgemein in China eine sehr vielgrößere RoUe spielen, als man gewöhnlich denkt. Auf dieDauer wird man sieh auch bei uns nicht dem Heiz entziehenkönnen, der in der Schönheit dieser Dachbildungen liegt Idiglaube nicht, daß wir Europäer in Ziegeldachbilduagen, besondersauf kleinen einstöckigen Gebäuden, jemals Schöneresgeleistet haben, als das, was Bauten zrigen, wie z. B^ diePavillons in Tsinanfu (Abb. 4 Bl. 47 und Text-Abb. 26),Tsiningscho (Abb. 1 Bl. 46) oder Peking (Text-Abb. 27).Dieser untere schwächere Teil des Gratkammea, langund stark genug, um bei seiner fast wagerechten Lage demsteileren massigeren Teil als Widerlager dienen und ihn vordem Abrutschen schützen zu können, pflegt meist besetzt zusein mit kleinen Tierflguren (Text-Abb. 25). In dem japanischenWßrke „ Beport of coUege of engineering Imperial univeraityof Tokyo, Decoration of Palace buildinga of Peking"von K. Ogawa in Tokyo 1906 lesen wir darüber: „Diese Tierfiguren(vorher angeführt sind Drachen, Löwen, Giraffen, Pferde,Phönixe) sieht man oft in einer Beihe hintereinander auf denEckgraten der Dächer, angeführt durch einen Phönix mitMenschenantlitz. Auf dem Dache der T'ai-h6-Halle (Peking,verbotene Stadt) wird die kleine Gesellschaft von einem an-
,.••'•'(.'''':417 Mahlke, Chinesische Dachformen. 418Abb. 26. Pavillon an den heiligen Quellen in Tsinanfu.deren Wesen, halb Mensch, halb Tier, aageführt. DerSammelname für diese Figuren ist „"Kuei-lung-Tzu"; siebilden die Verzierung der Dachgrate zusammen mit „Ch6ngwen"und „Pang-\7en"-Figiiron."Die Besehreibung dieser Dachverzierung in der japanischenVeröffentlichung läßt erkennen, daß man es hiermit einer EigentQmliclLkeit der chinesischen Architektur zutun hat. Man hat ja auch in der Japanischen Ärchitotturdie First- und Gratholme, und man kennt dort auch dieSchwächung des unteren Holmteiles; den Schmuck diesesschwächeren Holmteiles durch kleine Tierfiguren kennt manin Japan nicht; den hat nur China. Diesen Verzierungenwerden wahrscheinlich religiöse Anschauungen zugrunde liegen.Zur Erfindung dieser Gratverzierungen mag man auf höchsteinfache Weise gekommen sein: vor der Erfindung, als dieGratholme von oben bis unten in gleichmäßiger Stärke verliefen,wurde besonders der untere Teil vom Wetfer angegriffenund zerstört, und es läßt sieh denken, daß einzelneStücke mit klaffenden Fugen stehen blieben. Mit einigerPhantasie hat man dann in die so entstandene UnregelmäßigkeitOrdnung hineingebracht und eine höchst zierliche undanmutige Ausdrucks weise gefunden für Gedanken, die demreligiösen Änschauungskreise des Chinesen entsprachen. Allediese Figürehen haben das eine Gemeinsame: sie sitzen inbeschaulicher Buhe eines hinter dem andern, einem Drachonmaulden Rücken kehrend, das aus dem unteren Ende desstärkeren oberen Oratkammteiles gegen sie herauswächstMan könnte geneigt sein, sie für ein Zeichen des Friedenszu halten; sie sind hier keinen Gefahren ausgesetzt; innerhalbdieses (Tempel) - Gebietes sind sie geschützt; sie brauchensich nicht zu fürchten, der Draclie schützt sie.Wir sind gewohnt, uns unter einem Drachen etwasBösartiges vorzustellen. Der chinesische Drache hat aber mitunserm Lindwurm nur die Ähnlichkeit in der äußeren Formgemein. Über den chinesischen Drachen und seine Bedeutungschreibt Missionssuperintendent Yoßkarap (Tsingtau) in seinembemerkenswerten Werk „Unter dem Banner des Drachen undim Zeichen des Kreuzes" u. a. folgendes: „ Der Chinesenennt den Drachen das gute, schaffende, erhaltende Prinzip,der Himmel und Erde beherrscht, die mächtige Ursache allerVeränderungen in der Natur. Er sieht in ihm den Erhalterall der guten Mächte und Kräfte, die ein großes Reich zusammenhalten,damit es nicht zusammenbreche. Dieser Gedanke,daß der Drache etwas Gutes bedeute, ist fast unausrottbarmit dem Sinnen und Donken des chinesischen Volkesverwachsen. Jeder chinesische Schüler lernt den Yit-Kinauswendig, „das Buch der Verwandlungen", welches eineArt von Naturphilosophie der Chinesen ist. In diesem Buchbegegnen wir auf Schritt und Tritt dem Drachen, als dermächtig treibenden Kraft in der ganzen Natur. Alle Erscheinungenam Himmel und auf Erden werden durch denDrachen erklärt, der seine Gestalt verkürzen und verlängernkann und der je nach den Jahreszeiten seine Farbe wandelt."Die Zahl der kleinen Tierfiguren, die vor dem Drachenauf dem unteren Gratende sitzen, ist sehr verschieden; esscheint, als ob die Zahl der Tiere der gleichartigen Grateein und desselben Daches, ein und desselben Dachgeschosees,stets dieselbe ist, während sie je nach den Stockwerkenwechselt. Die Grattierchen pflegen gleichhoch und in gleichenAbständen hintereinander wie in Parade aufmarschiert zu sein;ihre Seheitel liegen in der Verlängerung der Oberkante desstärkeren Gratteiles. Zweifellos liegt dieser ßegelmäßigkeitein ästhetisches Empfinden zugrunde; der Schönheitssinn wirdhierdurch viel besser befriedigt, als wenn die Reihe derkleinen Zierfiguren nicht vorhanden wäre und der schwächereGratteil so nackt und kahl bliebe, wie bei japanischenDächern.Über die Holzkonstruktion dieser Qratanfkrempung verbreitetsich H. Hildebrand folgendermaßen; „Die Traufliniensind sowohl im Grundriß wie im Aufriß an den Enden ausgeschweift.Die Schweifung im Grundriß (Text-Abb. 29) istdurch allmähliche Verlängerung der <strong>Sp</strong>arren nach den Gebäudeeckenzu erreicht, während das Aufwärtaschweifen derweit ausladenden Traufecken, das auf den Ausländer einen sofremdartigen, aber, nachdem man sich an den Anblick gewöhnthat, und bei der maßvollen Ausführungsweise dieser Tempeleinen künstlerisch durchaus wohltuenden Eindruck hervorruft,in einfacher und sinnreicher Weise bewirkt ist. Die beidenAbb. 27. Peking, Huf im Tung-yo-miao.27*
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