Akzess-Arbeit Altes Testament bei Prof. Dr. Th. Krüger Theologische ...
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Das Bewusstsein einer Heiligkeit des Lebens kann in keinem der Texte explizit gefunden<br />
werden. Implizit schwingt es dennoch möglicherweise <strong>bei</strong>m Schächtgebot oder auch <strong>bei</strong><br />
Spr 12,10 mit.<br />
1.5.1. Hierarchie<br />
In vielen der untersuchten Texte tritt das dahinterstehende Hierarchieverständnis ganz<br />
deutlich hervor. Diese Hierarche ‚Tier-Mensch-Gott’ wird als Selbstverständlichkeit gesehen,<br />
ist jedoch eigentlich eine recht schwierige Angelegenheit: Die Annahme einer objektiven<br />
Werthierarchie setzt einen Standpunkt ausserhalb der Wertordnung voraus. Den hat<br />
der Mensch jedoch nicht. So ist es eigentlich eine menschliche Arroganz, wenn die Verfasser<br />
der Texte davon ausgehen, dass der Mensch das höchste Wesen auf Erden ist, weil der<br />
Mensch selbst dies gar nicht beurteilen kann. 114 Die Auffassung, dass nur der Mensch beseelt<br />
und Ebenbild Gottes sei 115 , bietet keinen Anlass, das Leiden oder das Leben der Tiere<br />
weniger ernst zu nehmen. 116 In den alttestamentlichen Texten kommt jedoch deutlich zum<br />
Ausdruck, dass die Autorschaft diese Überlegung gar nicht angestrebt hat. Vielmehr wurde<br />
dann der entgegengesetzte Weg eingeschlagen, nämlich die Überzeugung, dass der Mensch<br />
gerade mit diesem einzigartigen Beseelt-Sein und Ebenbild-Sein, für das Tier, und die<br />
Schöpfung im Allgemeinen, eine Verantwortung zu übernehmen hat.<br />
1.5.2. ‚Mitleidsethik’<br />
Alle untersuchten Texte appellieren an das Bewusstsein, dass die Tiere, wie die Menschen,<br />
von Gott geschaffene und demnach von Gott gewollte Lebewesen sind. Die Gewissheit der<br />
Leidensfähigkeit des Tieres kommt in einigen Texten deutlich zum Vorschein: So <strong>bei</strong>spielsweise<br />
in Spr 12,10 oder auch in Dtn 5. Es muss hier aber angeführt werden, dass die<br />
Leidensfähigkeit des Tieres in den Texten nicht explizit zu finden ist. Sie steht nur im Hintergrund<br />
der Texte. Doch wäre es undenkbar, den Texten diese Basis abzusprechen. Hier<br />
nun von einer ‚Mitleidsethik’ im modernen Sinn zu sprechen, ist möglicherweise etwas<br />
hoch gegriffen. Dennoch ist deutlich, dass diese Texte nicht von Tieren als leidensunfähige,<br />
bedürfnislosen Gegenständen sprechen, sondern dass sie im Gegenteil das Leben und<br />
die Bedürfnisse der Tiere ernst nehmen.<br />
114 Vgl. WOLF, S. 112.<br />
115 Vgl. Gen 2.<br />
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