<strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> <strong>Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrechts</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>E<strong>in</strong>e zweite Beobachtung bezüglich der Umsetzungsmethoden kann <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Bezug auf die Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund <strong>des</strong>Alters gemacht werden. Die Umsetzung der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EG war bezüglich <strong>des</strong> Merkmals Alter im Vergleich zu den anderenMerkmalen besonders schwierig, da es <strong>in</strong> den meisten Mitgliedstaaten ke<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>en Rechtsvorschriften gegen altersbed<strong>in</strong>gteDiskrim<strong>in</strong>ierung gab. Bei der Lösung dieser Probleme haben die Mitgliedstaaten grob gesehen zwei verschiedene Wege e<strong>in</strong>geschlagenbzw. zwei verschiedene Modelle verfolgt, die jeweils bei näherer Betrachtung noch signifikante Unterschiede aufweisen.E<strong>in</strong>e Lösung besteht <strong>in</strong> der direkten oder be<strong>in</strong>ahe direkten Übernahme der Bestimmungen zur altersbed<strong>in</strong>gten Diskrim<strong>in</strong>ierungaus der Richtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> nationales Recht ohne komplizierte Anpassungen an bestehende Praktiken oder detaillierte Änderungenbestehender Rechtsvorschriften. Oben wurde bereits festgestellt, dass die Richtl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> Zypern, Griechenland und Italien durchAntidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetze mehr oder weniger umgesetzt wurden. Bezüglich der altersbed<strong>in</strong>gten Diskrim<strong>in</strong>ierung gilt das Gleichefür Dänemark, Österreich, die Slowakei und Slowenien. Bei dieser Lösung sche<strong>in</strong>en die Länder es vorzuziehen, den Prozess der detailliertenAnpassung bestehender Rechtsvorschriften und Praktiken teilweise zu verlagern, sodass das Problem durch Gerichtsurteileund anschließende Interaktion zwischen Mitgliedstaat und Geme<strong>in</strong>schaftsorganen gelöst wird.Der andere Lösungsweg bestand dar<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> dem jeweiligen Mitgliedstaat detaillierter diskutiert wird, wie die Anforderungender Richtl<strong>in</strong>ie bezüglich der altersbed<strong>in</strong>gten Diskrim<strong>in</strong>ierung vollständig und umgehend <strong>in</strong> bestehende Rechtsvorschriften undPraktiken <strong>des</strong> Mitgliedstaats <strong>in</strong>tegriert werden könnten. Die daraus resultierende legislative Debatte war eher schwierig und komplex,weshalb Belgien, Deutschland, die Niederlande, Schweden und das Vere<strong>in</strong>igte Königreich die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Verlängerungsfristbei der Umsetzung der Anforderungen <strong>in</strong>sbesondere bezüglich der altersbed<strong>in</strong>gten Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> Anspruch genommen haben.Insgesamt haben die meisten Mitgliedstaaten die Richtl<strong>in</strong>ien im Zivil- oder Arbeitsrecht umgesetzt, nur wenige haben auch Bestimmungen<strong>in</strong> das Strafrecht aufgenommen oder dort Änderungen vorgenommen, beispielsweise Belgien. In manchen Länderngibt es Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsbestimmungen, die auf viele verschiedene Teile <strong>des</strong> Rechts verteilt s<strong>in</strong>d, beispielsweise <strong>in</strong> Bulgarienund Lettland. Diese Methode wird aber immer mehr durch die Annahme allgeme<strong>in</strong>erer Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsbestimmungen und-rechtsvorschriften abgelöst. Neuerd<strong>in</strong>gs lässt sich auch e<strong>in</strong> Trend h<strong>in</strong> zu Gleichbehandlungsstellen erkennen, die sich mit mehrerenDiskrim<strong>in</strong>ierungsgründen befassen.In mehreren Mitgliedstaaten verzögerte sich die Umsetzung, weil gewährleistet werden musste, dass die Richtl<strong>in</strong>ien im gesamtenStaatsgebiet e<strong>in</strong>es Mitgliedstaats und auf allen Regierungsebenen umgesetzt werden. Beim Vere<strong>in</strong>igten Königreich verzögerte sichdie Umsetzung <strong>in</strong> Gibraltar. Der Europäische Gerichtshof stellte kürzlich fest, dass F<strong>in</strong>nland se<strong>in</strong>e Vertragsverpflichtungen nichterfüllt hat, weil es die Åland-Inseln bei se<strong>in</strong>er Umsetzung der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/43/EG ausgenommen hat ( 13 ). Wegen Nichtumsetzung( 13 ) Rechtssache C-327/04, Kommission gegen F<strong>in</strong>nland, 24. Februar 2005. Am selben Tag wurde festgestellt, dass auch Luxemburg wegen mangelnderbzw. nicht erfolgter Umsetzung der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/43/EG gegen das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht verstößt, Rechtssache C-320/04, Kommission gegenLuxemburg. Der Europäische Gerichtshof stellte dann fest, dass auch Deutschland (Rechtssache C-329/04) und Österreich (Rechtssache C-335/04)wegen mangelnder bzw. nicht erfolgter Umsetzung der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/43/EG gegen das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht verstoßen.November 200914
der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EG hat die Kommission auch e<strong>in</strong>e Klage gegen Deutschland, F<strong>in</strong>nland, Luxemburg und Österreich angestrengt( 14 ). Dabei verstießen Deutschland und Luxemburg gegen ihre EG-Vertragsverpflichtungen, weil sie die Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EGnicht umgesetzt haben ( 15 ). Unter<strong>des</strong>sen wurde die Arbeit der Europäischen Kommission am Verfahren wegen Zuwiderhandlungfortgesetzt. So sandte sie am 20. November 2009 beispielsweise e<strong>in</strong>e begründete Stellungnahme an das Vere<strong>in</strong>igte Königreich,weil dort die Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EG nicht korrekt <strong>in</strong> nationales Recht umgesetzt worden war. In der Begründung hieß es, dassdas nationale Recht die „Anweisung zur Diskrim<strong>in</strong>ierung“ nicht klar verbiete und ke<strong>in</strong> klares Beschwerdeverfahren für Beh<strong>in</strong>dertefestlege. Auch seien die Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung für religiöseArbeitgeber weiter gefasst als durch die Richtl<strong>in</strong>ie gestattet. Die Europäische Kommission beschloss ferner, das dieselbe Richtl<strong>in</strong>iebetreffende Verfahren wegen Zuwiderhandlung gegen die Slowakei und Malta e<strong>in</strong>zustellen, da deren nationale Gesetzgebung<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang mit den EU-Anforderungen gebracht wurde. Entsprechend vere<strong>in</strong>barte die Europäische Kommission am selben Tagauch die Beendigung von Verfahren wegen Zuwiderhandlung gegen Malta, die Slowakei und Spanien, nachdem diese Länder ihrenationale Gesetzgebung so abgeändert hatten, dass die Richtl<strong>in</strong>ie zur Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse (2000/43/EG)vollständig umgesetzt wurde.In diesem Bericht sollen die wichtigsten Grundthemen beider Richtl<strong>in</strong>ien untersucht werden: die Diskrim<strong>in</strong>ierungsgründe, dieDef<strong>in</strong>ition von Diskrim<strong>in</strong>ierung, die geeigneten Vorkehrungen, der persönliche und materielle Geltungsbereich <strong>des</strong> Gesetzes, dieAusnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung und positive Maßnahmen, Rechtsbehelfe und Rechtsdurchsetzung, Gleichbehandlungsstellenund Probleme mit der Umsetzung und E<strong>in</strong>haltung.( 14 ) Rechtssache C-133/05, Kommission gegen Österreich, Beschwerde vom 21. März 2005, und Rechtssache C-99/05, Kommission gegen F<strong>in</strong>nland,Beschwerde vom 24. Februar 2005.( 15 ) Rechtssache C-70/05, Kommission gegen Luxemburg, Urteil vom 20. Oktober 2005, und Rechtssache C-43/05, Kommission gegen Deutschland,Urteil vom 23. Februar 2006.15 November 2009