<strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> <strong>Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrechts</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>E<strong>in</strong>gliederung brauchen“ ( 27 ). Die Forderung <strong>des</strong> Gerichts, dass es wahrsche<strong>in</strong>lich se<strong>in</strong> muss, dass die Bee<strong>in</strong>trächtigung „von langerDauer“ ist, spiegelt sich <strong>in</strong> verschiedenen Def<strong>in</strong>itionen von Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelstaatlichem Recht wider. Beispielsweise wird e<strong>in</strong>eBee<strong>in</strong>trächtigung sowohl <strong>in</strong> Deutschland ( 28 ) als auch <strong>in</strong> Österreich ( 29 ) nicht als vorübergehend betrachtet, wenn sie wahrsche<strong>in</strong>lichm<strong>in</strong><strong>des</strong>tens sechs Monate lang andauern wird. Im Vere<strong>in</strong>igten Königreich ( 30 ) beispielsweise muss e<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung längerals e<strong>in</strong> Jahr andauern. Andere Staaten h<strong>in</strong>gegen verlangen, dass die Bee<strong>in</strong>trächtigung unbefristet andauern muss [Schweden ( 31 ),Zypern ( 32 )]. In Bulgarien geht der Begriff der Beh<strong>in</strong>derung weiter als das vom Europäischen Gerichtshof erarbeitete Konzept, danicht gefordert wird, dass die Bee<strong>in</strong>trächtigung bewirkt, dass „die Teilnahme <strong>des</strong> Betroffenen am Berufsleben e<strong>in</strong>geschränkt wird“ ( 33 ).Die Bee<strong>in</strong>trächtigung/E<strong>in</strong>schränkung selbst ist ausreichend, unabhängig davon, welche Auswirkungen sie auf das Berufsleben derPerson haben kann. Auch ist diese nationale Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> materieller H<strong>in</strong>sicht weiter gefasst, da sie sich auf alle Bereiche bezieht,auch auf das Berufsleben, ohne darauf beschränkt zu se<strong>in</strong>.Es ist noch nicht klar, ob das Gericht die <strong>in</strong> der Rechtssache Navas angegebene Formel als e<strong>in</strong>e erschöpfende Def<strong>in</strong>ition vonBeh<strong>in</strong>derung betrachtet. Insbesondere lässt diese Def<strong>in</strong>ition ke<strong>in</strong>en Spielraum für den Schutz derjenigen, die vermutlich e<strong>in</strong>eBeh<strong>in</strong>derung haben oder <strong>in</strong> Zukunft wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>derung haben werden. Diese Szenarien werden von e<strong>in</strong>igen nationalenRechtsvorschriften vorweggenommen. In den irischen Rechtsvorschriften s<strong>in</strong>d Diskrim<strong>in</strong>ierungsgründe enthalten, die derzeitbestehen, die früher bestanden, sowie solche, die <strong>in</strong> Zukunft bestehen können ( 34 ). Von den niederländischen Rechtsvorschriftens<strong>in</strong>d „tatsächliche oder vermutete Beh<strong>in</strong>derungen oder chronische Erkrankungen“ ( 35 ) abgedeckt, wodurch beispielsweise e<strong>in</strong>ePerson geschützt wird, die e<strong>in</strong>mal Krebs hatte, nun aber nicht mehr unter den Symptomen leidet.E<strong>in</strong>e der wichtigsten Innovationen <strong>in</strong> der Richtl<strong>in</strong>ie zur Gleichbehandlung <strong>in</strong> Beschäftigung und Beruf ist e<strong>in</strong>e Pflicht für Arbeitgeber,angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung den Zugang zu Beschäftigung zu ermöglichen. Wiespäter <strong>in</strong> diesem Bericht noch erörtert wird, ist diese Bestimmung <strong>in</strong> den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt worden.E<strong>in</strong>ige Staaten (z. B. Italien und Polen) haben den Begriff <strong>in</strong> ihrem jeweiligen Recht ganz weggelassen. In vielen anderen Staaten( 27 ) Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 16 <strong>des</strong> rumänischen Gesetzes 448/2006 über den Schutz und die Förderung der Rechte von Personen mit e<strong>in</strong>emHandicap.( 28 ) Paragraf 2 Sozialgesetzbuch IX und Paragraf 3 Beh<strong>in</strong>dertengleichstellungsgesetz.( 29 ) Paragraf 3 <strong>des</strong> Gesetzes gegen Diskrim<strong>in</strong>ierungen aufgrund e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung von 2005.( 30 ) Paragraf 1 Absatz 1 <strong>des</strong> Disability Discrim<strong>in</strong>ation Act 1995.( 31 ) Kapitel 1 Paragraf 5 S. 4 neues Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz (2008:567).( 32 ) Gesetz 127(I)/2000.( 33 ) Gesetz zur Integration von Personen mit Beh<strong>in</strong>derungen, Paragraf 1.1 und 1.2 – Zusätzliche Bestimmung.( 34 ) Paragraf 6 Absatz 1 Buchstabe a <strong>des</strong> Employment Equality Act 1998-2004.( 35 ) Artikel 1 Buchstabe b <strong>des</strong> Gesetzes vom 3. April 2003 zur Durchführung <strong>des</strong> Gleichbehandlungsgesetzes aufgrund e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung odere<strong>in</strong>er chronischen Erkrankung, Staatsblad 2003, 206.November 200922
leibt der Begriff mehrdeutig, und es ist nicht klar, welche rechtlichen Folgen es hat, wenn e<strong>in</strong> Arbeitgeber ke<strong>in</strong>e angemessenenVorkehrungen trifft (Griechenland, Lettland, Litauen, Ungarn).E. Sexuelle OrientierungSehr wenige Staaten haben <strong>in</strong> ihren Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsvorschriften das Merkmal der sexuellen Orientierung def<strong>in</strong>iert. In Bulgarienwird die sexuelle Orientierung im Rahmen <strong>des</strong> Gesetzes zum Schutz vor Diskrim<strong>in</strong>ierung, Paragraf 1.9, Zusätzliche Bestimmung,als „heterosexuelle, homosexuelle oder bisexuelle Orientierung“ def<strong>in</strong>iert. Das Gesetz <strong>in</strong> Großbritannien spricht von der sexuellenOrientierung h<strong>in</strong> zu (a) Personen <strong>des</strong> gleichen Geschlechts, (b) Personen <strong>des</strong> anderen Geschlechts oder (c) Personen <strong>des</strong> gleichenGeschlechts und Personen <strong>des</strong> anderen Geschlechts ( 36 ). Das deutsche Allgeme<strong>in</strong>e Gleichbehandlungsgesetz von 2006 verwendetden Begriff „sexuelle Identität“. Dieser soll über die sexuelle Orientierung h<strong>in</strong>ausreichen und auch den Schutz von transsexuellenPersonen vor Diskrim<strong>in</strong>ierung umfassen.Viele der Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Bestimmungen der Richtl<strong>in</strong>ie zur sexuellen Orientierung betreffen die Bandbreiteder Ausnahmen, die für Arbeitgeber mit e<strong>in</strong>em religiösen Ethos gelten (siehe oben den Abschnitt zu Religion oder Weltanschauung).Diese Ausnahmen s<strong>in</strong>d sensible Themen, weil e<strong>in</strong>ige Arbeitgeber aufgrund ihrer religiösen Überzeugung gegenüber Homosexualitätfe<strong>in</strong>dlich e<strong>in</strong>gestellt se<strong>in</strong> können. E<strong>in</strong> weiteres Kernthema s<strong>in</strong>d die sozialen Leistungen für Partner und die Frage, <strong>in</strong>wiefern <strong>in</strong>nerstaatlichesRecht dem Arbeitgeber erlaubt, mit der Beschäftigung zusammenhängende Leistungen nur auf diejenigen Arbeitnehmerzu beschränken, die verheiratet s<strong>in</strong>d (z. B. e<strong>in</strong> Rentenanspruch für e<strong>in</strong>en überlebenden Ehegatten). Anzumerken ist auch, dass es <strong>in</strong>den meisten Staaten wenige oder gar ke<strong>in</strong>e Beispiele für Fälle von Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund der sexuellen Orientierung gibt, dievor Gericht gebracht wurden. Bedenken bezüglich der Vertraulichkeit halten möglicherweise e<strong>in</strong>ige Personen davon ab. Außerdemist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Staaten das allgeme<strong>in</strong>e politische Klima unfreundlich (Polen) oder offen fe<strong>in</strong>dlich gegenüber der Gleichstellung vonLesben, Homosexuellen und Bisexuellen (z. B. <strong>in</strong> Litauen).F. AlterEs wird im Allgeme<strong>in</strong>en angenommen, dass das Alter e<strong>in</strong> objektives Merkmal mit e<strong>in</strong>er natürlichen Bedeutung ist, und daher wir<strong>des</strong> nicht def<strong>in</strong>iert. Die meisten Mitgliedstaaten haben den Anwendungsbereich dieser Rechtsvorschriften nicht e<strong>in</strong>geschränkt. Nurvom irischen Gleichbehandlungsgesetz 1998-2007 für den Beschäftigungsbereich wird <strong>des</strong>sen gesamter Anwendungsbereichauf Personen beschränkt, „die mit ihrem Alter nicht mehr unter die gesetzlich geregelte Schulpflicht fallen“ ( 37 ). Ähnlich wurde <strong>in</strong>Dänemark im Jahr 2006 e<strong>in</strong> Gesetz verabschiedet, das Personen unter 18 Jahren ke<strong>in</strong>en Schutz gewährt, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tarifvertrage<strong>in</strong>e unterschiedliche Behandlung vorgesehen ist ( 38 ). Auch gilt das Verbot der unterschiedlichen Behandlung aufgrund <strong>des</strong>( 36 ) Vorschrift 2 Absatz 1 der Employment Equality (Sexual Orientation) Regulations 2003, S.I. 1661.( 37 ) Paragraf 6(f)(3).( 38 ) Gesetz Nr. 31/200.23 November 2009