<strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> <strong>Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrechts</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>E<strong>in</strong>e Reihe spezialisierter Institutionen – z. B. <strong>in</strong> Bulgarien, Frankreich, Irland, Litauen, Österreich, Rumänien, Schweden, Ungarnund Zypern – kann Beschwerden über Diskrim<strong>in</strong>ierungen nachgehen und ist <strong>in</strong> der Regel dazu befugt, bei diesen Untersuchungengegenüber den Beteiligten Zwangsmittel anzuwenden. In Frankreich kann die Hohe Behörde e<strong>in</strong>e Untersuchung mit der Veröffentlichunge<strong>in</strong>er ei<strong>des</strong>stattlichen Feststellung e<strong>in</strong>er Diskrim<strong>in</strong>ierung abschließen, die vor e<strong>in</strong>em Gericht nur durch Vorlage erheblichenBeweismaterials aufgehoben werden kann. Die bulgarische Kommission für den Schutz vor Diskrim<strong>in</strong>ierung hat die Befugnis,Sanktionen zu verhängen. Dazu gehören auch Geldstrafen und die Veröffentlichung der getroffenen Entscheidungen sowie dieMöglichkeit, Täter zu e<strong>in</strong>er öffentlichen Entschuldigung zu zw<strong>in</strong>gen. Die ungarische Gleichbehandlungsbehörde kann Sanktionenauf der Grundlage e<strong>in</strong>er Untersuchung verhängen. Die Gleichbehandlungsbehörde <strong>in</strong> Irland kann nach e<strong>in</strong>er Untersuchung e<strong>in</strong>eAbmahnung wegen Diskrim<strong>in</strong>ierung aussprechen. Unter Umständen werden <strong>in</strong> der Abmahnung das Verhalten, das zur Abmahnunggeführt hat, und die auferlegten Schritte zur Vermeidung weiterer Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgeführt. Die Nichtbeachtung dieserAbmahnung kann e<strong>in</strong>e Verfügung höher<strong>in</strong>stanzlicher Gerichte, <strong>in</strong> denen die Beachtung der Schritte gefordert wird, zur Folge haben.Die meisten Institutionen können e<strong>in</strong>e Schlichtung zwischen den Parteien arrangieren, und die meisten können Gesetzesvorlagensowie Reformvorhaben prüfen und kommentieren.Die folgenden, nicht <strong>in</strong> Artikel 13(2) aufgeführten Institutionen s<strong>in</strong>d ebenfalls <strong>in</strong>teressant und hilfreich:• Das belgische Zentrum für Chancengleichheit und gegen Rassismus kann bei öffentlichem Interesse Klage erheben. Wennes bei dem mutmaßlichen Gesetzesverstoß e<strong>in</strong> konkretes Opfer (natürliche oder juristische Person) gibt ( 99 ), so entscheidetdieses darüber, ob das Zentrum tätig werden kann (Art. 31).• Die Hohe Behörde <strong>in</strong> Frankreich übernimmt dabei Aufgaben der Rechtspflege. In Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichtenkönnen die Beobachtungen der Hohen Behörde <strong>in</strong> Streitfällen herangezogen werden. Darüber h<strong>in</strong>aus kann die Hohe Behörde<strong>in</strong> Strafsachen die eigenen Beobachtungen von sich aus zur Verfügung stellen.• Führt e<strong>in</strong>e Untersuchung e<strong>in</strong>er Beschwerde zu dem Schluss, dass e<strong>in</strong>e direkte und absichtliche Diskrim<strong>in</strong>ierung stattgefundenhat und somit e<strong>in</strong> Straftatbestand vorliegt, kann die französische Hohe Behörde dem Straftäter e<strong>in</strong>e sogenannte transactionpénale – e<strong>in</strong>e Art ausgehandelte strafrechtliche Sanktion – vorschlagen. Hierbei kann es sich um e<strong>in</strong>e Geldstrafe oder e<strong>in</strong>eBekanntmachung (beispielsweise <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Pressemitteilung) handeln. Falls die vorgeschlagene Sanktion abgelehntoder trotz Annahme nicht beachtet wird, kann die Behörde anstelle der Staatsanwaltschaft e<strong>in</strong>e strafrechtliche Verfolgungund Maßnahmen am Strafgericht e<strong>in</strong>leiten.• Die niederländische Gleichstellungskommission kann Organisationen (e<strong>in</strong>schließlich Behörden) beratend bei der Frage, obdie Beschäftigungspraxis gegen Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrecht verstößt, zur Seite stehen.( 99 ) In e<strong>in</strong>igen Fällen gibt es ke<strong>in</strong> konkretes Opfer, aber dennoch e<strong>in</strong>en Verstoß gegen gelten<strong>des</strong> Recht, beispielsweise, wenn e<strong>in</strong> Arbeitgebersich damit brüstet, durch entsprechende Auswahlverfahren die E<strong>in</strong>stellung von Homosexuellen zu verh<strong>in</strong>dern. Dieser Sachverhalt muss alsVerstoß gemäß Artikel 6(1) gewertet werden, und die <strong>in</strong> Artikel 31 genannten Verbände und Organisationen haben e<strong>in</strong> Interesse daran, Klagee<strong>in</strong>zureichen und e<strong>in</strong>e gerichtliche Klärung anzustreben.November 200984
• Die ungarische Gleichbehandlungsbehörde kann zum Schutz der Rechte von Personen bzw. Gruppen, deren Rechte verletztworden s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Popularklage (actio popularis) <strong>in</strong>itiieren.• Die irische Gleichbehandlungsbehörde kann Beschwerden <strong>in</strong> Bezug auf Diskrim<strong>in</strong>ierung, diskrim<strong>in</strong>ierende Werbung undInhalte von Tarifverträgen vor das Gleichstellungsgericht br<strong>in</strong>gen. Darüber h<strong>in</strong>aus ist die Behörde berechtigt, e<strong>in</strong>e Prüfungauf Gleichbehandlung vorzunehmen, d. h. festzustellen, wie hoch der Grad der Gleichbehandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmtenUnternehmen bzw. e<strong>in</strong>er bestimmten Branche ist. Auf der Grundlage der Prüfergebnisse wird anschließend e<strong>in</strong> Gleichbehandlungsplanaufgestellt. Dieser Plan besteht aus e<strong>in</strong>em Maßnahmenpaket zur Förderung der Chancengleichheit beiBeschäftigung und <strong>in</strong> den Unternehmen. Bei Organisationen mit über 50 Mitarbeitern kann die Behörde die Prüfung vonsich aus e<strong>in</strong>leiten und e<strong>in</strong> Maßnahmenpaket beschließen. Wenn das Maßnahmenpaket nicht umgesetzt wird, kann dieGleichbehandlungsbehörde konkrete Schritte zur Umsetzung vorschreiben. Die Nichtbeachtung dieser Abmahnung kanne<strong>in</strong>e Verfügung höher<strong>in</strong>stanzlicher Gerichte, <strong>in</strong> denen die Beachtung der Schritte gefordert wird, zur Folge haben.Zum Schluss sollen e<strong>in</strong>ige Bedenken <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>zelne Staaten beleuchtet werden. Es werden Bedenken laut, dass e<strong>in</strong>igespezielle Institutionen zu regierungsnah ausgelegt s<strong>in</strong>d und daher Gefahr laufen, nicht unabhängig genug arbeiten zu können.So ist das italienische Amt <strong>in</strong> das Gleichbehandlungsm<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>gegliedert. Der slowenische Anwalt für den Gleichbehandlungsgrundsatzverfügt nicht über e<strong>in</strong> eigenes Budget, sondern wird aus dem Amt für Chancengleichheit f<strong>in</strong>anziert. Angesichtsder geltenden Ernennungsregeln und der Tatsache, dass der Anwalt vor dem Ende se<strong>in</strong>es Mandats entlassen werden kann, gibt esZweifel h<strong>in</strong>sichtlich der Unabhängigkeit dieser Institution. Der spanische Rat zur Förderung der Gleichbehandlung aller Personenohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft ist dem M<strong>in</strong>isterium für Arbeit und Soziales angegliedert und damit imWesentlichen e<strong>in</strong>e Regierungsorganisation. Darüber h<strong>in</strong>aus wird die Unabhängigkeit <strong>in</strong> der gesetzlichen Grundlage nicht erwähnt.85 November 2009