<strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> <strong>Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrechts</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>Die Richtl<strong>in</strong>ie zur Gleichbehandlung <strong>in</strong> Beschäftigung und Beruf verpflichtet die Arbeitgeber dazu, „angemessene Vorkehrungenzu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um denMenschen mit Beh<strong>in</strong>derung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung e<strong>in</strong>es Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahmean Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßigbelasten.“ ( 50 ) In den folgenden Staaten gibt es rechtliche Bestimmungen, die der Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungenaus der Richtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> etwa entsprechen: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Griechenland, Irland, Lettland,Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Slowakei, Spanien, Ungarn, das Vere<strong>in</strong>igte Königreich undZypern. Dabei gibt es große Unterschiede. E<strong>in</strong>erseits gibt es Bestimmungen, die e<strong>in</strong>e grundlegende Verpflichtung auferlegen, mit nurwenigen Angaben dazu, wie diese umzusetzen ist (z. B. Litauen). Andererseits gibt es Staaten, die ausführlichere Anleitungen dazugeben, wie diese <strong>in</strong> der Praxis anzuwenden s<strong>in</strong>d (z. B. Vere<strong>in</strong>igtes Königreich). In Zypern ist die Pflicht, „angemessene Vorkehrungen“zu treffen, nicht auf den Arbeitsplatz beschränkt, sondern deckt grundlegende Rechte ab (das Recht auf selbstbestimmtes Leben,Diagnose und Prävention von Beh<strong>in</strong>derung, persönliche Unterstützung durch Hilfsmittel, Dienste usw., Zugang zu Wohnraum,Gebäuden, Kommunikation durch besondere Mittel, Dienste für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Integration, Fortbildung,Beschäftigung auf dem offenen Markt usw. und die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen, e<strong>in</strong>schließlich Transport undTelekommunikation).Die Verpflichtung zu angemessenen Vorkehrungen wurde <strong>in</strong> Italien und Polen nicht <strong>in</strong> die nationalen Rechtsvorschriften aufgenommen.In Ungarn s<strong>in</strong>d die rechtlichen Verpflichtungen <strong>in</strong> Bezug auf bereits beschäftigte Personen stärker als <strong>in</strong> Bezug auf Personen,die e<strong>in</strong>e Beschäftigung suchen. In Frankreich ist die Pflicht zum Treffen von angemessenen Vorkehrungen begrenzt auf Personen,die bereits offiziell als Beh<strong>in</strong>derte anerkannt s<strong>in</strong>d, während <strong>in</strong> Bulgarien das Gesetz zum Schutz vor Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> Artikel 16 undArtikel 32 angemessene Vorkehrungen für Personen mit Beh<strong>in</strong>derungen <strong>in</strong> Bezug auf Beschäftigung und Bildung vorsieht. In Rumäniensieht das Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz von 2000 ke<strong>in</strong>e angemessenen Vorkehrungen für Personen mit Beh<strong>in</strong>derungen vor, aberim Gesetz 448/2006 über den Schutz und die Förderung der Rechte von Personen mit Beh<strong>in</strong>derungen, das denselben persönlichenGeltungsbereich wie das Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz hat, ist e<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Sicherstellung angemessener Vorkehrungen fürden Zugang zu verschiedenen öffentlichen und privaten Diensten und E<strong>in</strong>richtungen und <strong>in</strong> den Arbeitsbeziehungen verankert.Obwohl die Def<strong>in</strong>ition der Verpflichtung variiert, wird sie gewöhnlich der Beschränkung unterworfen, dass sie ke<strong>in</strong>e „unverhältnismäßigeBelastung“ für den Arbeitgeber darstellen darf: Dies gilt für Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Irland, Lettland,Litauen, die Niederlande, Österreich, Portugal, die Slowakei, Spanien und Zypern. In der Präambel zu der Richtl<strong>in</strong>ie werden Kriterienangedeutet, die bei der Bestimmung, ob e<strong>in</strong>e bestimmte Vorkehrung angemessen ist, zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d. In Erwägungsgrund21 werden drei zu bedenkende Fragen aufgezählt, die oft <strong>in</strong> die nationalen Rechtsvorschriften bzw. <strong>in</strong> die Rechtsprechungaufgenommen wurden:( 50 ) Artikel 5 der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EG.November 200934
• der f<strong>in</strong>anzielle und sonstige Aufwand: Bulgarien, Deutschland, F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Irland, Malta, Spanien, Vere<strong>in</strong>igtesKönigreich und Zypern;• die Größe und die f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen der Organisation oder <strong>des</strong> Unternehmens: F<strong>in</strong>nland, Irland, Malta, Österreich,Slowakei, Vere<strong>in</strong>igtes Königreich und Zypern;• die Möglichkeit, öffentliche Mittel oder andere Unterstützung zu erhalten: Deutschland, F<strong>in</strong>nland, Frankreich, Irland, Malta,Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Spanien, Vere<strong>in</strong>igtes Königreich und Zypern.Ob das Nichterbr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>er angemessenen Vorkehrung als e<strong>in</strong>e ungesetzliche Diskrim<strong>in</strong>ierung zu ahnden ist, ist <strong>in</strong> den nationalenRechtsvorschriften oft nicht ganz e<strong>in</strong>deutig (z. B. <strong>in</strong> Lettland, Ungarn, Zypern). In Bulgarien fehlt e<strong>in</strong>e Bestimmung zu der Beziehungzwischen dem Nichterbr<strong>in</strong>gen angemessener Vorkehrungen und den Verboten der unmittelbaren oder mittelbaren Diskrim<strong>in</strong>ierung,aber die Gerichte haben <strong>in</strong> mehreren Fällen festgestellt, dass dies e<strong>in</strong>e unmittelbare (und ke<strong>in</strong>e mittelbare) Diskrim<strong>in</strong>ierung darstellt.In Frankreich gilt e<strong>in</strong> Nichterfüllen dieser Pflicht als gesetzeswidrige Diskrim<strong>in</strong>ierung; allerd<strong>in</strong>gs wird nicht def<strong>in</strong>iert, ob es sichhierbei um unmittelbare oder mittelbare Diskrim<strong>in</strong>ierung handelt. In Schweden wird das fehlende Erbr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>er angemessenenVorkehrung mit dem Begriff der unmittelbaren Diskrim<strong>in</strong>ierung verknüpft. Im Gegensatz hierzu wird <strong>in</strong> Dänemark und <strong>in</strong> Österreichdas fehlende Erbr<strong>in</strong>gen angemessener Vorkehrungen als mittelbare Diskrim<strong>in</strong>ierung e<strong>in</strong>gestuft. In der Slowakei wird das fehlendeErbr<strong>in</strong>gen angemessener Vorkehrungen als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung betrachtet und ist nicht gleichbedeutendmit e<strong>in</strong>er unmittelbaren oder mittelbaren Diskrim<strong>in</strong>ierung. Dies schließt jedoch nicht aus, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Situationdie Handlung oder Unterlassung e<strong>in</strong>es Arbeitgebers ebenso die Def<strong>in</strong>ition der unmittelbaren oder mittelbaren Diskrim<strong>in</strong>ierungerfüllen kann. Im Vere<strong>in</strong>igten Königreich wiederum wird das fehlende Erbr<strong>in</strong>gen angemessener Vorkehrungen als e<strong>in</strong>e spezifischeForm von Diskrim<strong>in</strong>ierung def<strong>in</strong>iert.35 November 2009