<strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> <strong>Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsrechts</strong> <strong>in</strong> <strong>Europa</strong>Unterstützung <strong>des</strong> Zugangs zu den Gerichten folglich nur äußerst ger<strong>in</strong>ge Auswirkungen. In der Slowakei ist der Schwellenwertfür den Anspruch auf Prozesskostenhilfe ziemlich hoch, weshalb es e<strong>in</strong>e relativ große Zahl von Personen gibt, die sich die Dienstleistungene<strong>in</strong>es Anwalts nicht leisten können.E<strong>in</strong>e weitere mögliche Barriere besteht <strong>in</strong> den kurzen Fristen zur E<strong>in</strong>reichung e<strong>in</strong>er Beschwerde. Die Richtl<strong>in</strong>ien überlassen es demGesetzgeber <strong>des</strong> jeweiligen Mitgliedstaates, von ihm als angemessen erachtete Fristen zu setzen (Artikel 7 Absatz 3 der Richtl<strong>in</strong>ie zurGleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse, Artikel 9 Absatz 3 der Richtl<strong>in</strong>ie zur Gleichbehandlung im Bereich der Beschäftigung).In allen Ländern können E<strong>in</strong>zelpersonen klagen, nachdem das Beschäftigungsverhältnis beendet ist, sofern die Fristen zur E<strong>in</strong>reichunge<strong>in</strong>er Klage e<strong>in</strong>gehalten werden. E<strong>in</strong> Kläger <strong>in</strong> den Niederlanden, der die Rechtmäßigkeit der Beendigung e<strong>in</strong>es Arbeitsvertrags(unberechtigte/schikanöse Kündigung) zivilrechtlich anfechten möchte, muss dies <strong>in</strong>nerhalb von zwei Monaten nach Beendigung<strong>des</strong> Arbeitsvertrags tun. Nach dem deutschen Allgeme<strong>in</strong>en Gleichbehandlungsgesetz gilt e<strong>in</strong>e Frist von zwei Monaten für Klagen,wobei diese Frist entweder mit dem E<strong>in</strong>gang der Bewerbung beim Arbeitgeber oder mit dem Bekanntwerden <strong>des</strong> benachteiligendenVerhaltens beg<strong>in</strong>nt. In Irland verlangt der Equal Status Act 2000-2004, dass e<strong>in</strong> Kläger den Beklagten <strong>in</strong>nerhalb von zwei Monatennach dem Zeitpunkt <strong>des</strong> Vorfalls (oder <strong>des</strong> letzten Vorfalls) schriftlich über den Inhalt der Beschwerde und die Absicht <strong>in</strong>formiert, dieAngelegenheit vor die Gleichstellungsschiedsstelle zu br<strong>in</strong>gen, falls ke<strong>in</strong>e zufriedenstellende Antwort erfolgt. Selbst angesichts derMöglichkeit, die Frist wegen e<strong>in</strong>es triftigen Grun<strong>des</strong> zu verlängern, der den Beschwerdeführer daran h<strong>in</strong>derte, die Benachrichtigung<strong>in</strong>nerhalb <strong>des</strong> vorgegebenen Zeitraums zu übermitteln, wird befürchtet, dass derartig kurze Fristen für die Opfer e<strong>in</strong> Problemdarstellen können, <strong>in</strong>sbesondere für Menschen mit Lese- und Schreibschwäche, Personen, die die Lan<strong>des</strong>sprache nicht ausreichendbeherrschen, oder Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung. In Ungarn muss für bestimmte Arten rechtlicher Ause<strong>in</strong>andersetzungen (wie imZusammenhang mit der Beendigung e<strong>in</strong>es Beschäftigungsverhältnisses gemäß Artikel 202 <strong>des</strong> Arbeitsgesetzbuches) die Klage<strong>in</strong>nerhalb von 30 Tagen nach der benachteiligenden Maßnahme erfolgen. In Schweden beträgt die Frist e<strong>in</strong>ige Wochen nach dererfolgten Kündigung, wenn die Klage darauf abzielt, e<strong>in</strong>e Kündigung für ungültig erklären zu lassen, oder <strong>in</strong> manchen Fällen e<strong>in</strong>enMonat nach Ende <strong>des</strong> Beschäftigungsverhältnisses. Des Weiteren können die Länge und die Komplexität der Verfahren abschrecken,wie es ansche<strong>in</strong>end <strong>in</strong> Portugal der Fall ist, und <strong>in</strong> Slowenien gibt es Bedenken, dass manche Verfahren mehr als drei Jahre dauern.Grundlegende Anpassungen bei den Verfahren und Gerichtsgebäuden an die Bedürfnisse von Beschwerdeführern mit Beh<strong>in</strong>derungfehlen oft und können diese von Gerichtsverfahren abhalten. In den Niederlanden gibt es ke<strong>in</strong>e genauen Regeln, nach denen dieGerichte oder die Gleichbehandlungsstelle zugänglich se<strong>in</strong> müssen. Der physische Zugang zu Gerichten und anderen öffentlichenGebäuden wird <strong>in</strong> der Slowakei und <strong>in</strong> Slowenien nicht garantiert. Trotz entsprechender gesetzlicher Anforderungen ist derZugang zu öffentlichen Gebäuden <strong>in</strong> Ungarn und Portugal <strong>in</strong> der Praxis nicht immer garantiert. In Litauen und Portugal müssenInformationen <strong>in</strong> Brailleschrift oder Gebärdensprache zur Verfügung gestellt werden, <strong>in</strong> der Tschechischen Republik, <strong>in</strong> Malta, derSlowakei und Slowenien ist dies jedoch nicht verpflichtend. In Irland wird vor Gericht das Verdolmetschen <strong>in</strong> Gebärdensprache beistrafrechtlichen Verfahren verlangt, nicht jedoch bei Zivilrechtssachen. In Estland und Ungarn ist bei Gericht e<strong>in</strong>e Verdolmetschung<strong>in</strong> Gebärdensprache möglich, Informationen <strong>in</strong> Brailleschrift s<strong>in</strong>d jedoch selten. In Estland besteht e<strong>in</strong>e weitere Barriere dar<strong>in</strong>, dass<strong>in</strong> der Praxis die Gerichte für gewöhnlich <strong>in</strong> russischer Sprache e<strong>in</strong>gereichte Beschwerden abweisen, obwohl die BeschwerdeführerNovember 200966
vor Gericht das Recht auf e<strong>in</strong>en Dolmetscher haben ( 77 ). In Zypern werden Schriftsätze <strong>in</strong> den Gerichten nicht <strong>in</strong> Bl<strong>in</strong>denschrift zurVerfügung gestellt. In ke<strong>in</strong>em Land werden spezifische Verfahrensvorschriften für Personen mit Lernbeh<strong>in</strong>derungen aufgeführt. Dasfranzösische Beh<strong>in</strong>dertengesetz führt e<strong>in</strong>e Stelle e<strong>in</strong>, bei der alle Verwaltungsverfahren zur Durchsetzung der Rechte Beh<strong>in</strong>derterzentral erfasst werden. E<strong>in</strong> Referent leitet dort beispielsweise Beschwerden von Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung an die zuständigeBehörde oder Gerichtsbarkeit weiter.Schließlich kann die ger<strong>in</strong>ge Zahl an Streitfällen Diskrim<strong>in</strong>ierungsopfer abschrecken, da sie den E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen können, e<strong>in</strong>eBeschwerde sei eher erfolglos. Je mehr <strong>in</strong> den Medien über derartige Fälle berichtet wird, <strong>des</strong>to mehr erfahren die Opfer über ihreRechte und die Möglichkeiten zur Verteidigung dieser Rechte.B. Klagebefugnis und VerbändeIn Artikel 7 Absatz 2 der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/43/EG und <strong>in</strong> Artikel 9 Absatz 2 der Richtl<strong>in</strong>ie 2000/78/EG heißt es: „Die Mitgliedstaaten stellensicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den <strong>in</strong> ihrem e<strong>in</strong>zelstaatlichen Recht festgelegtenKriterien e<strong>in</strong> rechtmäßiges Interesse daran haben, für die E<strong>in</strong>haltung der Bestimmungen [dieser Richtl<strong>in</strong>ien] zu sorgen, sich entwederim Namen <strong>des</strong> Beschwerdeführers oder zu <strong>des</strong>sen Unterstützung und mit <strong>des</strong>sen E<strong>in</strong>willigung an den <strong>in</strong> [diesen Richtl<strong>in</strong>ien] zurDurchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können.“ Es liegt im Ermessender Mitgliedstaaten, wie diese Klausel <strong>in</strong> Bezug auf die Unterstützung, die Opfer von Verbänden erhalten können, umgesetzt wird.Die „Unterstützung“ e<strong>in</strong>es Opfers ist häufiger der Fall als die Möglichkeit, „im Namen“ e<strong>in</strong>es Opfers e<strong>in</strong> Verfahren e<strong>in</strong>zuleiten.In Dänemark, F<strong>in</strong>nland, Schweden und Großbritannien lassen sich ke<strong>in</strong>e speziellen Vorschriften für die Beteiligung von Verbändenan Diskrim<strong>in</strong>ierungsverfahren f<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong>zelne Rechtsanwälte (die für e<strong>in</strong>e Organisation arbeiten) können e<strong>in</strong> Opfer mit <strong>des</strong>senE<strong>in</strong>willigung vor Gericht vertreten und sich somit zu <strong>des</strong>sen „Unterstützung“ an e<strong>in</strong>em Verfahren beteiligen; außerdem dürfenGewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen ihre Mitglieder vertreten. In Großbritannien können Verbände mit ausreichendemInteresse (locus standi) an e<strong>in</strong>er Angelegenheit gegen Behörden Klage auf e<strong>in</strong>e gerichtliche Überprüfung gemäß Verwaltungsrechterheben, selbst wenn sie nicht selbst Opfer e<strong>in</strong>er rechtswidrigen Handlung wurden. Die Anforderung <strong>des</strong> ausreichenden Interesseswurde <strong>in</strong> den vergangenen Jahren von britischen Gerichten und Gewerkschaften großzügig ausgelegt. NRO und die Gleichstellungskommissionenhaben durch gerichtliche Überprüfungsverfahren wichtige Klagen gegen Behörden angestrengt. Darüberh<strong>in</strong>aus dürfen allgeme<strong>in</strong>e und spezielle Gerichte nach eigenem Ermessen Verbänden mit entsprechendem Fachwissen <strong>in</strong> jedemFall e<strong>in</strong>e „Neben<strong>in</strong>tervention“ gestatten, wodurch Verbände Ausführungen zu e<strong>in</strong>er Rechtsfrage präsentieren können, um die es <strong>in</strong>dem Verfahren geht. Solche „Neben<strong>in</strong>terventionen“ werden häufig <strong>in</strong> komplizierten Diskrim<strong>in</strong>ierungsfällen zugelassen. In der Praxiswerden Beschwerdeführer von den Gleichstellungse<strong>in</strong>richtungen, Gewerkschaften, Race Equality Councils, anderen ehrenamtlichen( 77 ) In Estland kann das Verwaltungsgericht seit dem 1. Januar 2009 den Personen, die ihres Rechts beraubt s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Übersetzung der Beschwerdenund sonstigen Unterlagen zur Verfügung stellen (Artikel 10 Absatz 9 <strong>des</strong> Gesetzes über Verwaltungsgerichtsverfahren).67 November 2009