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Devran_Kommunikation_Sprache_und_soziales_Milieu_2013 ... - IDS

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‛Mensch Meier’ – Arbeiter is Arbeiter 235Otto kennt die Situation älterer Arbeitsloser; sie haben kaum eine Chance amArbeitsmarkt <strong>und</strong> ihnen bleibt nur die Frührente, das heißt: mit erheblichenfinanziellen Abschlägen aus dem Arbeitsleben auszuscheiden.Auf Ottos Äußerung des tiefen Mitgefühls für den arbeitslosen Fre<strong>und</strong> folgtder Höhepunkt in der Auseinandersetzung des Ehepaares. Marthas AntwortDann hat er Zeit zum Leben stellt die positiven Seiten des Rentnerlebens dar,die für einen gut situierten Vorruheständler gelten mögen, der sich jetzt dieWünsche erfüllen kann, auf die er im Arbeitsleben verzichten musste. Dochangesichts der schlechten finanziellen Lage von früh verrenteten Arbeitern istdie von Martha präsentierte Sicht reiner Sarkasmus: Der früh verrentete Arbeiterhat zwar Zeit, aber keinen Spielraum (enge Wohnverhältnisse, geringefinanzielle Mittel etc.), diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Martha zeigt völligesUnverständnis für die ökonomische Lage der Arbeiterschaft <strong>und</strong> Ahnungslosigkeitin Bezug auf die Gemütslage ihres Mannes.Otto reagiert mit Vehemenz auf Marthas Sicht auf Frührente: Brauch keineZeit zum Leben, will arbeiten. Aufschlussreich ist der Wechsel der Referenz inOttos Antwort. Bisher war das Schicksal des Fre<strong>und</strong>es Gruschke Gesprächsthema;jetzt spricht Otto über sich in der 1. Person Singular. Das heißt, eridentifiziert sich mit dem Unglück des Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> weiß, dass ihn dasselbeUnglück treffen wird. In der Gegenüberstellung von Zeit zum Leben im Sinnevon ‘arbeitsfreie Zeit’, die Otto zurückweist, <strong>und</strong> Arbeit, die Otto will, bringtKroetz sehr präzise die Notlage eines Arbeitslosen auf den Punkt: Zeit zumLeben bedeutet für ihn nichts anderes als Armut, Ausweglosigkeit, sozialenAbstieg <strong>und</strong> Isolation. In der Literaturkritik bezeichnet Henrichs (zitiert nachRiewoldt (Hg.) 1985, S. 163) den Satz Brauch keine Zeit zum Leb'n, will arbeitenals „Ottos unvergeßliche Replik“.Damit sage Kroetz mehr über den Notstand der Arbeiterschaft aus als langwierigesozialpsychologische Studien. Kroetz zeigt durch die Figur Otto Meierdie Angst eines potenziell Arbeitslosen, der bitter seinen Wunsch zum Arbeitenausdrückt. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird verständlich, warum Ottodurch Überanpassung an die erschwerten Arbeitsbedingungen hofft die drohendeArbeitslosigkeit zu verhindern:(Pause)Ich brauch keine Angst haben, weil ich in die bestn Jahre bin <strong>und</strong> waskann. Da hats welche gebn, gell, die ham nein gsagt, wie der Meister

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