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Einen Wermutstropfen mussten Doringer<br />
und seine Mannen freilich schlucken.<br />
Denn wie jede Menge Fans im deutschsprachigen<br />
Raum hatten sie große Stücke<br />
auf den Österreicher Matthias Walkner gesetzt,<br />
der im vergangenen Jahr bei seinem<br />
ersten Dakar-Auftritt gleich einen Tagessieg<br />
verbucht hatte, bevor er Etappe zehn nach<br />
einer Lebensmittelvergiftung aufgeben<br />
musste. Nach dem Wechsel des fünfmaligen<br />
Dakar-Siegers Marc Coma vom aktiven<br />
Sport in die Dakar-Organisation Mitte letzten<br />
Jahres hatte Walkner Coma als Rallye-<br />
Weltmeister abgelöst. Wie gut seine Chancen<br />
auf ein Spitzenendergebnis nach den<br />
Plätzen vier, zehn, elf, drei und zwei in den<br />
ersten echten Wertungsprüfungen gewesen<br />
wären, ist schwer zu sagen – da galt ja<br />
noch die zurückhaltende KTM-Team-Strategie<br />
für die erste Woche. Die Frage muss offen<br />
bleiben. Walkner war als Gesamt-Dritter<br />
in die siebte Etappe gestartet. Doch nach<br />
etwa 15 Kilometern in der gezeiteten Sonderprüfung<br />
zwischen Uyuni in Bolivien und<br />
Salta in Argentinien übersah er, von der<br />
Sonne geblendet und von vor ihm aufgewirbeltem<br />
Staub in der Sicht behindert,<br />
eine tiefe Auswaschung. Der 29-Jährige<br />
stürzte und blieb mit gebrochenem Oberschenkel<br />
liegen. Wenige Tage nach der erforderlichen<br />
Operation in La Paz/Bolivien<br />
konnte er in die Heimat geflogen werden<br />
und grüßte am 15. Januar auf Facebook<br />
halbwegs vergnügt aus einem Krankenhaus<br />
in Salzburg – inklusive der Röntgenbilder<br />
seines Oberschenkels im Vorhernachher-Vergleich.<br />
Ingo Zahn (links, unten) war der einzige<br />
deutsche Motorradfahrer bei der<br />
Dakar <strong>2016</strong>. Der Privatfahrer scheiterte<br />
an völlig unerwarteten Problemen<br />
Rallye Dakar <strong>2016</strong><br />
knapp, weil die Motorräder erst kurz vor der<br />
Dakar fertiggestellt werden.“ Allerdings<br />
räumt Doringer ein, dass Svitko vom Werksteam<br />
gegen Ende der Dakar mit Ersatzteilen<br />
versorgt wurde, weil seine eigenen ausgegangen<br />
waren: „Dabei gab es auch größere<br />
Bremsscheiben, wie sie die Werksfahrer verwenden.“<br />
Ansonsten unterscheide sich die<br />
Production Racer ohnehin nur um wenige<br />
Prozent vom Werksrenner. Bei diesen Unterschieden<br />
dürfte es sich um eine etwas<br />
höhere Motorleistung, vor allem aber um<br />
feinste Federelemente aus der KTM-eigenen<br />
Fahrwerksschmiede WP handeln, die um<br />
Klassen leichter sind als das Material, das<br />
Normalsterbliche kaufen können.<br />
Mit Price als Sieger, Antoine Méo als<br />
Siebtem, Laia Sanz als Siegerin der Frauenwertung<br />
auf Rang 15 und Jordi Viladoms<br />
an 17. Position durften Doringer und seine<br />
Truppe nicht nur vier ihrer fünf Fahrer im<br />
Ziel feiern, sondern auch den 15. KTM-<br />
Gesamtsieg in Folge – das hört sich schwer<br />
nach einem Erfolg für die Ewigkeit an.<br />
Und das angesichts der Tatsache, dass das<br />
mäch tige Honda-Werk seit nunmehr vier<br />
Jahren alles daransetzt, die KTM-Vorherrschaft<br />
in der Wüste zu brechen. „Ehrlich<br />
gesagt habe ich von der Konkurrenz nicht<br />
viel erwartet“, sagt Doringer, „um die haben<br />
wir uns keine Gedanken gemacht, sondern<br />
uns um uns selbst gekümmert.“ Zum Verdacht,<br />
die drei Honda-Etappensiege in der<br />
ersten Rallye-Woche könnten von der KTM-<br />
Strategie begünstigt worden sein, sagt<br />
er nur: „Wir planen für 14 Tage und achten<br />
darauf, in der ersten Woche noch etwas<br />
Potenzial nach oben offen zu lassen und<br />
wenige Fehler zu machen.“ Das Ergebnis<br />
spricht für sich – und auch dafür, dass die<br />
KTM-Ingenieure eventuell viel länger nach<br />
Op timierungsmöglichkeiten für die nächste<br />
Ausgabe ihres Rallye-Motorrads suchen<br />
müssen als die Kollegen bei Honda.<br />
Einen Tag vor Walkner war Ingo Zahn,<br />
dem einzigen deutschen Motorrad-Starter,<br />
das gleiche Missgeschick passiert wie dem<br />
Österreicher. Anders als Walkner brach<br />
sich Zahn jedoch lediglich eine Rippe und<br />
die Nase – er fuhr als 79. ins Etappenziel.<br />
„Löcher, vor denen im Roadbook mit nur<br />
einem Ausrufezeichen gewarnt wird, sind<br />
durch die Unwetter hier so stark ausgewaschen<br />
worden, dass inzwischen ein komplettes<br />
Motorrad darin verschwinden kann“,<br />
schilderte der 52-jährige Bayer. Tatsächlich<br />
wurde die Rallye von den Auswirkungen<br />
des Wetterphänomens El Niño erwischt,<br />
das immer wieder für verheerende Überschwemmungen<br />
in Südamerika sorgt. Peru<br />
und Chile, die zunächst auf dem Routenplan<br />
der Dakar <strong>2016</strong> gestanden hatten, zogen<br />
sich als Gastländer früh zurück. Sie sahen<br />
sich außerstande, den reibungslosen Ablauf<br />
einer internationalen Großveranstaltung<br />
sicherzustellen und gleichzeitig auf vorhersehbare<br />
Katastrophen reagieren zu können.<br />
Die Rallye führte deshalb nur durch Argentinien<br />
und Bolivien. Den Dakar-Teilnehmern<br />
bescherte El Niño in den ersten Tagen Regen<br />
in biblischen Ausmaßen, in der zweiten<br />
Woche in der als „Hölle von Fiambalá“ verrufenen<br />
argentinischen Wüstenregion Temperaturen<br />
bis zu 50 Grad Celsius. Die erste<br />
Etappe der Rallye wurde komplett abgesagt,<br />
drei weitere wegen unpassierbarer überschwemmter<br />
Streckenteile gekürzt. Drei<br />
Etappen mussten gekappt werden, weil vor<br />
allem viele Motorradfahrer in der höllischen<br />
Hitze zu dehydrieren drohten.<br />
Ingo Zahn versuchte dieses Jahr bereits<br />
zum vierten Mal, die Herausforderung der<br />
Dakar zu meistern. 2010 war er nach zwei<br />
Tagen mit gebrochener Schulter ausgefallen,<br />
2013 hatte er als 85. den Zielort erreicht.<br />
2014 brach Zahn sich erneut nach<br />
118 SPORT<br />
3/<strong>2016</strong>