19.01.2016 Aufrufe

MOTORRAD 03/2016

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Immer frisch auf den Tisch: Wo gekocht wird, gibt es<br />

frittiertes Hühnchen oder frittiertes Hühnchen …<br />

Bolivien<br />

Ich atme durch, fasse meinen ganzen<br />

Mut zusammen und fahre in Schrittgeschwindigkeit<br />

am Lastwagen vorbei. Bloß<br />

nicht runterschauen. Bloß nicht! Wie weit es<br />

da wohl runtergeht? Hilfe! Noch nie habe<br />

ich in einen so garstigen Abgrund geschaut.<br />

Mindestens 300 Meter! Steil bergab. Die<br />

Schrittgeschwindigkeit, der Blick nach unten<br />

und diese riesige Angst in mir lassen das<br />

Motorrad kurz instabil werden. Ich besinne<br />

mich, gebe Gas und zische zwischen Lkw<br />

und Abgrund durch. Danach bin ich echt<br />

fertig, zittere am ganzen Körper. Aber Dani<br />

fährt schon wieder weiter . . .<br />

Die Etappe zieht sich immer länger.<br />

Wir kommen nur langsam voran, tun uns<br />

schwer mit dem Staub, den Abgründen,<br />

den rücksichtslosen Lastwagenfahrern. Sie<br />

bremsen nicht für kleinere Fahrzeuge, also<br />

sollte man stets darauf gefasst sein, ganz<br />

spontan einen Ausweichplatz ansteuern zu<br />

müssen. Überlebenswichtig, gerade dann,<br />

wenn man rechts am Abgrund fährt und<br />

die Lkws links an der Wand. Das kostet Zeit<br />

– und Kraft. Bis nach Tarija ist es heute nicht<br />

mehr zu schaffen. Zum Glück gibt es einen<br />

kleinen Ort auf halber Strecke. Und 20 Kilometer<br />

davor wirbt ein großes Plakat für<br />

das Hotel Plaza ebendort. Wir sind gerettet!<br />

Ein Ort, ein Hotel, bis zum Dunkelwerden<br />

erreichbar, was will man mehr?!?<br />

Ein Zimmer in diesem Hotel – zum Beispiel.<br />

Aber es ist leider völlig ausgebucht,<br />

etliche Bohrtrupps haben sich einquartiert.<br />

Sie suchen in diesem Teil Boliviens nach<br />

allem, was sich zu Geld machen lässt. Mineralien,<br />

Metall, Gas … Der Hotelbesitzer will<br />

nicht, dass wir in Schlafsäcken im Innenhof<br />

übernachten. Er empfiehlt uns eine Eco-<br />

Lodge, etwa zehn Kilometer flussaufwärts.<br />

Wir müssen uns sputen, es wird gleich<br />

dunkel. Im letzten Licht biegen wir mit drei<br />

vor uns fahrenden Allrad-Pick-ups von der<br />

Hauptpiste nach rechts ab in einen Feldweg,<br />

der an einer reißenden Furt endet.<br />

Mit weißer Gischt überspült das Wasser die<br />

Hauben der hochbeinigen Toyotas. Mit den<br />

Motorrädern haben wir gar keine Chance<br />

durchzukommen, da steht uns das Wasser<br />

gleich bis zum Hals! Auf der anderen Seite<br />

sehen wir in mittlerweile schwarzer Nacht<br />

die Lichter der Lodge hoch oben am Hang.<br />

Wir schnappen uns das Nötigste an Gepäck<br />

und kämpfen uns zu Fuß durch diese<br />

reißende Strömung. Mit den Motorrädern<br />

wären wir jetzt sicher schon irgendwo 50<br />

Meter weiter flussabwärts …<br />

Wieso kann es nicht einfach mal an<br />

einem Tag glattlaufen? Nach dieser Horrorstrecke<br />

will ich einfach nur noch in die Koje.<br />

Stattdessen kämpfe ich mich in dunkler<br />

Nacht mit vollem Gepäck durch sprudelndes<br />

kaltes Wildwasser. Es steht mir bis zur Hüfte,<br />

klitschnass ist gar kein Ausdruck.<br />

96 LEBEN<br />

3/<strong>2016</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!