3-2017
Fachzeitschrift für Industrielle Automation, Mess-, Steuer- und Regeltechnik
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Editorial<br />
Klaus-Dieter Walter ist Geschäftsführer<br />
der SSV Software Systems GmbH in<br />
Hannover<br />
Achtung! Stark zunehmendes Innovationstempo<br />
In der drahtlosen IoT-Welt tut sich etwas. Über viele Jahre versuchten die<br />
etablierten Mobilfunkprovider unter dem Arbeitstitel „Machine-to-Machine<br />
(M2M) Communication“ ihre Mobilfunkverbindungsdienste und SIM-Karten<br />
neben dem umsatzträchtigen Marktsegment Mobil Internet auch im industriellen<br />
Umfeld für Embedded Systems- und Automatisierungsanwendungen zu<br />
vermarkten. Die Kundenanforderungen sind zwar völlig unterschiedlich, die<br />
von den etablierten Providern angebotenen Dienste aus technischer Sicht<br />
allerdings nicht. Über M2M-Tarife wurden lediglich preisliche Differenzierungen<br />
geschaffen, da viele M2M-Applikationen weder allzu große Datenmengen<br />
bewegen noch hohe Übertragungsgeschwindigkeiten benötigen.<br />
Durch das IoT wurde inzwischen deutlich, dass die meisten Devices<br />
lediglich als stationäre Sensordatenquellen einzustufen sind. Die wichtigsten<br />
Anforderungen solcher „Sensor-type Systems“ sind stromsparender<br />
Batteriebetrieb, effizientes Versenden kleiner Datenmengen mit einer der<br />
Aufgabenstellung angepassten IT-Security und – vor allem – monatliche<br />
Betriebskosten im Eurocent-Bereich. Hinzu kommt das Problem der<br />
unzureichenden Leistungsübertragungsbilanz (Link Budget) bestehender<br />
2G/3G/4G-Netze: Ein drahtloser IoT-Sensor muss sich zukünftig auch im<br />
zweiten Untergeschoss einer Tiefgarage befinden können und trotzdem eine<br />
makellose Funkverbindung zu einer Cloud aufweisen.<br />
Auf exakt diese Anforderungen hat sich in den letzten Jahren eine<br />
Anbieterfraktion konzentriert und im lizenzfreien ISM-Band eine IoTgeeignete<br />
Alternative zum in die Jahre gekommenen M2M-Angebot von<br />
T-Mobile, Vodafone und Co. geschaffen. Die beiden bekanntesten Vertreter<br />
aus der ISM-Welt sind LoRa und Sigfox. Sie nutzen in Europa den 868-MHz-<br />
Frequenzbereich, um mit einem Link Budget zwischen 151 und 156 dB<br />
kleine Datenmengen mit „kbps“-Geschwindigkeit über Entfernungen von bis<br />
zu 15 km und mehr zu übertragen. Auf Grund des besonders ausgefeilten<br />
Energiemanagement und dem Ziel, eine Batterielebensdauer von bis zu<br />
10 Jahren zu ermöglichen, spricht man von einer „LPWA- (Low Power Wide<br />
Area-) Funktechnik“.<br />
Die disruptiven Entwicklungen im LPWA-ISM-Bereich haben inzwischen<br />
dazu geführt, dass die Mobilfunkwelt über den Branchenverbund 3GPP mit<br />
den Release 13-Spezifikationen nun ebenfalls neue LPWA-IoT-Funktechniken<br />
für die lizenzpflichtigen LTE- und GSM-/UMTS-Frequenzen entwickelt hat, die<br />
kurz vor dem Roll-out stehen. Besonders NB-IoT (Narrow Band IoT) – auch<br />
LTE Cat-NB1 genannt – adressiert exakt die gleiche Zielgruppe wie LoRa und<br />
andere. Beide LPWA-Konzepte, also sowohl LoRa und Co. im ISM-Band als<br />
auch NB-IoT im Lizenz-gesicherten Mobilfunk, lassen sich als architektonische<br />
Innovationen identifizieren - die LPWA-ISM-Lösungen je nach Sichtweise sogar<br />
als radikale Innovation.<br />
Bisher zeichneten sich die Mobilfunker auf ihrem Weg von 2G in<br />
Richtung 5G ja bestenfalls durch inkrementelle Innovationen aus. Es wurde<br />
genaugenommen immer nur die Bandbreite vergrößert und die Paketumlaufzeit<br />
(Round Trip Time) verringert. Geringer Strombedarf, die einfache „kbps“-<br />
Übertragung kleinster Datenmengen, eine Netzabdeckung bis hinunter in<br />
Kellerräume usw. spielten keine Rolle. Durch die Herausforderungen aus der<br />
ISM-Welt wurde mit dem 3GPP-Release 13 eine Spezifikation geschaffen, die<br />
sich an genau den bisher vernachlässigten Kundenanforderungen orientiert,<br />
um im IoT nicht den Anschluss zu verlieren. Wir alle sollten uns nun darauf<br />
einstellen, dass über die LPWA-Funkinnovationen optimale Voraussetzungen<br />
für neue digitale Geschäftsmodelle entstehen. Die Kaffeemaschine für einen<br />
Euro, die durch ein werksseitig eingebautes und vorkonfiguriertes Embedded<br />
LPWA-Funkinterface für die nächsten 24 Monate automatisch Kaffeekapseln<br />
über eine digitale Serviceplattform nachbestellt, wird kommen.<br />
Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems GmbH, www.ssv-embedded.de<br />
PC & Industrie 3/<strong>2017</strong> 3