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Master Dominique Matthieu - Pestalozzianum

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2. THEORETISCHE RAHMENKONZEPTION<br />

2.2. Doppelbelastung im schulischen-leistungssportlichen Kontext<br />

Aus den bisherigen Überlegungen geht hervor, dass sich die Belastung im leistungssportlichen<br />

Rahmen nicht auf die Konsequenzen eines einzelnen, spezifischen Ereignisses bezieht. Vielmehr ist<br />

es die Gesamtheit von Anforderungen und wiederkehrenden Prozessen, denen die betreffenden<br />

Personen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt sind und die dann in ihrer Korrelation als (dauer-<br />

) belastend erlebt werden (können).<br />

Leistungssportliches Engagement beansprucht einen grossen Zeitraum im Alltag jugendlicher<br />

Akteure. Gemäss Forschungsergebnissen von Brettschneider&Richartz (1996, S. 61) variiert die<br />

wöchentliche Trainingszeit je nach Sportartengruppe, Sportart und Trainingsalter von 5 bis 36<br />

Stunden. Ergänzt man die Zeit, die für das Training aufgewendet wird, mit der Schul- und Fahrzeit,<br />

kann die Gesamtaktivität jugendlicher LeistungssportlerInnen das Format einer 90-108.5-<br />

Stundenwoche annehmen (vgl. Richartz&Brettschneider 1996, S. 61). Bei solchen Berechnungen<br />

stellt sich allerdings die Schwierigkeit der Definition dieser Aktivitäten. Oder anders gefragt: Was<br />

zählt zur Schul-, was zur Trainings-, was zur Freizeit? Die Dauerbelastung resultiert jedoch nicht<br />

primär aus dieser hohen zeitlichen Gesamtaktivität, sondern aus deren Auswirkungen auf die<br />

Lebenswelt und die Rhythmisierung des Alltags dieser Jugendlichen. „Nicht nur der blosse Umfang<br />

der Belastung ist das Problem, sondern auch die aus der Doppelbelastung von Training und Schule<br />

resultierende Zerstückelung des Alltags“ (Brettschneider 2001, S. 234).<br />

Aus einer soziologischen Perspektive heraus wird diese Doppelbelastung als ein Pendeln der<br />

Beteiligten zwischen zwei Systemen und ihren Maximen verstanden. Sowohl die Schule als auch<br />

der Sport sind gesellschaftliche Teilsysteme, wobei das Sportsystem zwar keine gesellschaftliche<br />

Funktion innehat, jedoch mit anderen Gesellschaftsbereichen wie Erziehung, Gesundheit oder<br />

Politik in enger Verbindung steht. So beruht die Ausübung von Leistungssport beispielsweise nicht<br />

auf pädagogischen Beweggründen und stellt doch einen Erfahrungsraum dar, der für die<br />

jugendliche Sozialisation und Selbstkonzeptentwicklung relevant ist (vgl. Heim 2002, S. 157/158).<br />

Systemtheoretisch betrachtet verfügt jedes System über einen eigenen, spezifischen Code, über den<br />

es definiert und abgegrenzt wird und der dessen Reproduktion ermöglicht (vgl. Becker 1987, 20).<br />

Im (Leistungs-)sportsystem ist die binäre Codierung von Sieg und Niederlage wirksam. Sportliche<br />

Leistungen werden dann als erfolgreich eingestuft, wenn ein Sieg über den Konkurrenten<br />

verzeichnet werden kann, das Prinzip der Überbietung ist handlungsleitend. Aus diesen<br />

Ausführungen wird klar, dass die Möglichkeiten zur Evaluation von Leistungen im sportlichen<br />

System eingeschränkter sind als im schulischen, bei dem es primär darum geht „Anforderungen zu<br />

erfüllen, die an alle gleichgestellt sind und die in unterschiedlichem Mass erfüllt werden können“<br />

(Brettschneider&Richartz 1996, S. 246) und erst in zweiter Linie um einen Vergleich mit<br />

Konkurrenzpartnern. Ob eine schulische Leistung als erfolgreich eingeschätzt wird, ist also<br />

vielmehr von subjektiven Massstäben abhängig.<br />

Nebst diesen institutionellen Ansprüchen werden die Mechanismen und Zielsetzungen der<br />

beschriebenen sozialen Felder durch Rollen und Träger vermittelt, die im sportlichen Bereich durch<br />

Trainer, Betreuer und Funktionäre und im schulischen Rahmen durch Lehrer besetzt werden. Die<br />

jugendlichen Leistungssportler übernehmen ebenfalls eine Rolle, die durch spezifische<br />

Verhaltensweisen und Attribute, beispielsweise in Fragen des Lebenswandels, gekennzeichnet ist<br />

und Erwartungshaltungen von seiten der Institution und der sozialen Umwelt hervorruft.<br />

Die Frage stellt sich nun, wie jugendliche LeistungssportlerInnen mit diesen Anforderungen fertig<br />

werden. Welche Unterstützungsquellen ziehen sie zu Hilfe? Oder um es im Rahmen des<br />

Belastungs-Bewältigungsparadigmas zu formulieren, welche sozialen und personalen<br />

Bewältigungsressourcen stehen ihnen zur Verfügung? Wie werden diese genutzt? Diese und<br />

weiterführende Fragen bilden den Diskussionsgegenstand der folgenden zwei Subkapitel.<br />

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