Master Dominique Matthieu - Pestalozzianum
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2. THEORETISCHE RAHMENKONZEPTION<br />
wirksam für die Anlage und Verwendung sozialer Ressourcen im Allgemeinen sind vergangene<br />
positive Erfahrungen in der Bindungsherstellung. Diese sind gemäss obiger Ausführung in der<br />
Elternbeziehung angelegt. Es muss aber auch an dieser Stelle wiederholt betont werden, dass<br />
Beschreibungen von familiären Strukturen in Hinsicht auf die Bindungsqualität nicht normativ<br />
vollzogen werden können. Ob die betreffenden Strukturen als Ressource genutzt werden, hängt von<br />
der Interpretation der jugendlichen LeistungssportlerInnen ab. So kann eine starke Elternbindung<br />
von Jugendlichen beispielsweise auch als einengend empfunden werden.<br />
Einleitend in dieses Kapitel zur elterlichen Unterstützung wurde auf die Reorganisation sozialer<br />
Beziehungen im Jugendalter und die anwachsende Bedeutsamkeit Gleichaltriger hingewiesen. Die<br />
folgenden Kapitel sind inhaltlich der Auseinandersetzung mit der Funktion Gleichaltriger,<br />
namentlich Peers und FreundInnen, gewidmet.<br />
2.3.2. Unterstützung durch Peers im Klassen- und Trainingsverband<br />
In diesem ersten Teilkapitel wird auf die unterstützende Funktion von Peerbeziehungen im<br />
Klassenverband oder der Trainingsgruppe eingegangen. In den letzten Jahrzehnten war der Entwurf<br />
der Familie tiefgreifenden Umstrukturierungsprozessen unterworfen. An die Stelle “klassischer“<br />
Familien mit langfristiger Bindung an beide Elternteile und deren klaren Rollenteilung sind andere<br />
Varianten von Familienformen getreten. Im Hinblick auf Autoritätsstrukturen haben sich auch die<br />
Beziehungen zwischen den Generationen gewandelt. Trotz diesen Veränderungen, hat die Substanz<br />
der Elternbeziehung für die Jugendlichen nicht an Bedeutung verloren (Fend 1990). Dessen<br />
ungeachtet, bilden sie aber nur einen Teil im sozialen Netzwerk Jugendlicher. Wird der familiäre<br />
Hintergrund als unbefriedigend erlebt, können Peers gewisse familiäre Funktionen übernehmen.<br />
Den Peers kommt in der Adoleszenz in vielerlei Hinsicht eine wichtige Bedeutung zu, die, wie<br />
bereits mehrfach bemerkt, zeitgleich mit der Ablösung der Eltern steigt. Durch den Kontakt mit<br />
Gleichaltrigen erwerben Kinder und Jugendliche wertvolle soziale Kompetenzen und die Lösung<br />
von altersspezifischen Entwicklungsaufgaben wird erleichtert. Zentral für Peerbeziehungen ist aber<br />
vor allem auch deren emotionaler Unterstützungscharakter in problematischen oder schwierigen<br />
Situationen.<br />
Nimmt man die Lebenswelt jugendlicher LeistungssportlerInnen ins Visier, erfolgen Interaktionen<br />
mit der Gleichaltrigengruppe wegen des geringen Zeitbudgets vorwiegend im Rahmen des Klassen-<br />
oder Trainingsverbands. Bei letzterem vollzieht sich der Aufbau von Peerbeziehungen in einer<br />
speziellen Weise: Der Bezug zu Gleichaltrigen der Trainingsgruppe oder je nach Sportart auch der<br />
Mannschaft ist in erster Linie durch ein Konkurrenzverhältnis konstituiert. „Die evaluativen<br />
Massstäbe für den Leistungssport stellen [...] Sieg und Niederlage dar und nicht etwa Geselligkeit<br />
[...], Fairness oder Kameradschaft“ (Bette&Schimank 1995, S. 28). Aufgrund der Natur des<br />
Menschen als sozialen Wesens, sind aber auch letztgenannte Attribute im Leistungssport zentral.<br />
Einer soziologischen Gedankenweise folgend, entfalten sie sich auf einer zweiten Ebene der<br />
Handlungssteuerung, nämlich der Operationalisierung des Handlungsziels “Erfolg“. Der Code der<br />
Erfolgsrationalität (Sieg oder Niederlage) wird dabei vorübergehend ausgeblendet und Solidarität<br />
und Kameradschaft befähigt zur Bewältigung leistungssportlicher Alltagserfahrungen. Das<br />
Konkurrenzdenken wird vorläufig sekundär oder in die Zukunft verlagert, und Werte wie<br />
Kameradschaftlichkeit, Fairness oder gegenseitige Unterstützung spielen eine wichtige Rolle.<br />
Definieren jugendliche LeistungssportlerInnen die Aufgabe der Peers in der beschriebenen Weise,<br />
können diese als wertvolle soziale Ressourcen dienen (vgl. Heim 2002, S. 159). Eine ausgeprägte<br />
Form der Peerbeziehungen stellen Freundschaftsbeziehungen dar, die im folgenden Abschnitt<br />
ergründet werden.<br />
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