Master Dominique Matthieu - Pestalozzianum
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2. THEORETISCHE RAHMENKONZEPTION<br />
Anforderungen [...] fertig zu werden.“ (Lazarus 1981, S. 213). Ob ein solches Bewältigungshandeln<br />
gefordert ist, hängt nicht von objektiven Beurteilungskriterien, sondern von deren Interpretation<br />
durch die beteiligten Person ab. Diese Beurteilung wird anhand von Bewertungen (Appraisals)<br />
vollzogen, wobei zwischen primärer und sekundärer Bewertung eines Situationenkomplexes<br />
differenziert wird. Die primäre Bewertung ist verbunden mit dem inneren Bild, das sich das Subjekt<br />
von der Situation macht. Diese kann als bedrohlich, schädlich-verlustreich oder herausfordernd<br />
interpretiert werden. Die Einschätzungsleistungen werden in Anbetracht möglicher Folgen für das<br />
subjektive Wohlbefinden vollbracht. Bei der sekundären Bewertung sind das subjektive innere Bild<br />
und die verfügbaren Ressourcen zentral. Verfügbare Mittel und Wege werden abgewogen.<br />
Resultate der wechselseitigen Handlung zwischen Subjekt und Umwelt werden wahrgenommen und<br />
in weitere Handlungskonzeption integriert. Diese kognitiven Leistungen werden als<br />
Neubewertungen (Re-Appraisals ) aufgefasst (Richartz 2000, S. 14-16). Dabei wird klar, dass das<br />
Bewertungshandeln temporär konstitutioniert ist und stets modifiziert wird. Nebst diesem<br />
Prozesscharakter können allerdings auch beständige personen- oder situationsspezifische Coping-<br />
Stile beobachtet werden.<br />
Wird eine Sachlage als stressreich wahrgenommen, wählt die betreffende Person einen ihr sinnvoll<br />
scheinenden Coping-Modus (Informationssuche, direkte Aktion, Aktionshemmung, intrapsychische<br />
Formen), um eine bestimmte Coping-Funktion (problemorientiert oder emotionsorientiert) zu<br />
realisieren. Diesen Vorgang an einem praktischen Beispiel illustriert: Wenn ein jugendlicher<br />
Leistungssportler es in der Wettkampfzeit als stressreich empfindet, am Abend noch für Prüfungen<br />
zu lernen, entscheidet er sich, mit der Lehrperson zu sprechen (direkte Aktion) um einige Prüfungen<br />
in der Trainingsphase nachholen zu können (problemorientiertes Coping) Er kann sich vom<br />
unbefriedigenden Zustand aber auch innerlich distanzieren, (intrapsychische Form) um seine<br />
Gefühle zu regulieren (emotionsorientiertes Coping). Dieser Vorgang kann sich auf bewusster oder<br />
unbewusster Ebene abspielen.<br />
Unter Bewältigung (coping) wird also jegliches Bemühen aufgefasst, „mit [inneren oder äusseren]<br />
Anforderungen fertig zu werden, die in der Einschätzung der betreffenden Personen interne oder<br />
externe Ressourcen auf die Probe stellen oder überfordern“ (vgl. Richartz 2000, 14). Bewältigung<br />
ist also ein wertfreier Begriff, er bezeichnet bloss den Versuch, mit einer Situation umzugehen. Im<br />
aktuellen Diskurs folgt der Copingbegriff aber einer „evasiven Tendenz“ (Seiffge-Krenke 1989), da<br />
er auch für die Beschreibung von Adaptionsleistungen an mild belastende Ereignisse verwendet<br />
wird, bei denen nicht direkt von einer Ressourcen-Beanspruchung oder -Überforderung gesprochen<br />
werden kann.<br />
Für die Analyse der alltäglichen Belastungen, denen jugendliche Leistungssportler ausgesetzt sind,<br />
ist dieses Konzept deshalb attraktiv, weil damit die unterschiedliche Wahrnehmung der Belastung<br />
durch die Protagonisten exploriert werden kann. Dessen ungeachtet wirft das Paradigma aber auch<br />
Probleme auf. Zunächst ist fraglich, ob das Modell in seinem Grundcharakter wirklich<br />
interaktionistischen Zügen folgt, oder ob die veraltete Vorstellung von Ursache und Wirkung<br />
(belastende Situation als Ursache, Bewertung und Bewältigung als Wirkung) präsent ist. Des<br />
weiteren wird nicht differenziert zwischen ereigniszentrierten (z.B. ein Streit mit einem guten<br />
Freund) und längerfristigen Belastungen, wie es die Doppelbelastung von Schule und<br />
Leistungssport darstellen kann. Ebenso müssen diese unterschiedlichen Belastungsformen aus ihrer<br />
Kombination und lebensweltlichen Einbettung heraus interpretiert werden. Schliesslich ist auch zu<br />
bezweifeln, ob die Konzeption genügend forschungsnah oder zu theoretisch ist, wenn<br />
beispielsweise die theoretische Trennung von Bewertungen und Bewältigung evaluiert werden soll.<br />
Das will heissen, dass die subjektive Einschätzung einer Situation bereits Teil des<br />
Bewältigungshandelns sein kann. Demgemäss wird in dieser Arbeit auf die Exploration von<br />
Bewältigungsstilen verzichtet, wohlwissend dass diese mit dem Hauptgegenstand, den sozialen und<br />
personalen Ressourcen einer Person verflochten sind.<br />
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