Professor Dr. med. Christian P. Speer Die medizinische - OPUS ...
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3.1.4 <strong>Die</strong> Wohnsituation<br />
36<br />
Würzburg war von einem festen Mauernkranz umgeben und lag im Talkessel des Maines<br />
eingebettet, der bereits damals eine wichtige Handels- und Verkehrsader darstellte. Erst als<br />
König Maximilian II. 1856 die Festungseigenschaft der Stadt rechts des Mains aufhob, konnte<br />
sich die Stadt fortan über die Stadtmauern hinaus ausdehnen 83 .<br />
Franz von Rinecker, die später ausführlich zu behandelnde Schlüsselfigur bei den<br />
Verhandlungen um die Würzburger Kinderklinik, gab 1848 eine gute Beschreibung seiner<br />
Heimatstadt und analysierte darin gleichzeitig, welchen Einfluss die Wohnqualität der einzelnen<br />
Stadtviertel auf die Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung hatte:<br />
„<strong>Die</strong> Stadt Würzburg liegt an beiden Ufern des Mains, der die Stadt von Süden gegen<br />
Norden durchströmt, ringsum von Mauern und Wällen und grösstentheils trockenen,<br />
theilweise aber (gegen Norden am Pleichacher Tor) mit Wasser und tiefem Schlamm<br />
gefüllten Gräben umgeben in einem, unmittelbar vor der Stadt durch niedrige Berge<br />
begränzten Thale(...). <strong>Die</strong> Stadt selbst, die in fünf Distrikte eingetheilt ist, deren 4 am<br />
östlichen und der 5. am westlichen Mainufer liegen, ist ziemlich tief hinter ihren Wällen<br />
verborgen und trägt in ihrem Innern steht deutlich das Gepräge der mannigfachen<br />
Umwandlungen, die sie im Laufe der Zeiten erlitten. Der ältere längs des Flusses am<br />
östlichen Ufer hingebaute Theil der Stadt zeigt bei engen, oft sehr langen und krumm<br />
laufenden Gassen, welche, mit hohen Häusern auf beiden Seiten, den Zutritt der freuen<br />
Luft und des Sonnenlichtes erschweren, eine ziemlich dicht gedrängte Bevölkerung, die<br />
ihrem größeren Theile nach aus wenig bemittelten und armen Leuten besteht. Bei der<br />
tiefen Lage dieser ganzen Gegend ist dieselbe fast jährlich, besonders im Vorfrühlinge<br />
durch das Austreten des Maines herbeigefuehrte Ueberschwemmungen ausgesetzt,<br />
wodurch bei dem Eindringen und längeren Verweilen des Wassers in den unteren<br />
Etagen und Kellern die Wohnungen oft den größeren Theil des Jahres hindurch von<br />
Feuchtigkeit durchdrungen bleiben. Endlich drängen sich gerade hier die Abflüsse der<br />
in den Main mündenden Kloaken zusammen – lauter Momente, die auf die Salubrität<br />
dieses Theils der Stadt gefährdent wirken müssen und in der That finden sich auch hier<br />
(in der Kärrnersgasse, Büttnersgasse, Augustinergasse, Korngasse u.s.w.) die<br />
reichlichste Ernte für die Poliklinik. (Der fünfte Distrikt, das sogenannte Mainviertel,<br />
obschon auch längs des Flusses hingebaut, zeigt diese ungünstigen Verhältnisse bei<br />
83 Vgl. Wirsing (1980), S.10