Professor Dr. med. Christian P. Speer Die medizinische - OPUS ...
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2. Allgemeiner historischer Überblick<br />
4<br />
2.1 Gesellschaftliche Stellung und Lebenssituation des Kindes seit der Aufklärung<br />
<strong>Die</strong> gesellschaftliche Stellung des Kindes hat sich im Laufe der Jahrhunderte entscheidend<br />
verändert. Erst in einem langwierigen Entwicklungsprozess entstand unsere heutige<br />
Anschauung, wonach Staat und Gesellschaft sich gemeinsam mit den Eltern um das Wohl des<br />
Kindes kümmern. Es handelt sich dabei vor allem um eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts,<br />
die 1946 in der bayerischen Verfassung mit den Worten: „Gesunde Kinder sind das köstlichste<br />
Gut eines Volkes“, verankert und 1998 durch die Streichung des Wortes „gesunde“ korrigiert<br />
wurde 6 . <strong>Die</strong> Bezeichnung „Jahrhundert des Kindes“, die einem Aufruf der schwedischen<br />
Pädagogin und Schriftstellerin Ellen Key (1849-1926) aus dem Jahre 1900 entstammt, steht<br />
symbolisch für diese Entwicklung 7 .<br />
Bis zum 18. Jahrhundert ist über Alltag und Lebensbedingungen von Kindern nur wenig<br />
überliefert, was daran liegt, dass sie in Literatur und Kunst nur selten thematisiert wurden.<br />
Wenn sie denn überhaupt dargestellt wurden, dann meist in religiösen Szenen oder als kleine<br />
Erwachsene. Das bedeutet nicht, dass sie von ihren Eltern und der Gesellschaft vollständig<br />
vernachlässigt wurden. Der Unterschied zwischen Kind- und Erwachsensein wurde einfach<br />
nicht so bewusst wahrgenommen. Sobald das Kind nicht mehr von der ständigen Fürsorge der<br />
Mutter oder Amme abhängig war, meist mit etwa 7 Jahren, gehörte es der Welt der<br />
Erwachsenen an 8 . <strong>Die</strong>s ist nicht weiter verwunderlich, schließlich war der tägliche Kampf ums<br />
Überleben die größte Sorge der Menschen.<br />
Mit der Aufklärung fand im 18. Jahrhundert eine entscheidende Wandlung statt. Aufgrund von<br />
rationaler Philosophie, Staatsraison und säkularisierter Philanthropie nahm die Aufmerksamkeit<br />
gegenüber dem Kind stark zu. <strong>Die</strong>ses wurde nun, im von Jean-Jaques Rousseau geprägten<br />
„Jahrhundert der Pädagogik“, als bildungsfähigstes Element der Gesellschaft erkannt und zum<br />
6 Vgl. Bayer. Gesetz- und Verordnungsblatt (1998)<br />
7 Vgl. Eulner (1970), S.202; vgl.Schmölders (1999), S.354<br />
8 Vgl. Ariès (1994), S.92, S.558