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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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„Ein rotes Kleid ist eine Botschaft“<br />

Anruf bei Jan Meier, Leiter der Kostüm- und Maskenabteilung Salzburger Festspiele,<br />

die vom 20. Juli bis 31. <strong>August</strong> über die Bühne gehen.<br />

Herr Meier, wobei störe ich Sie gerade?<br />

Ich sitze vor den Bewerbungen der Hospitanten für die Salzburger<br />

Festspiele im Sommer. Alle möchten gern zu Jacques Offenbachs<br />

Orphée aux enfers mit Barrie Kosky und Victoria Behr. Was<br />

verständlich ist – nicht umsonst ist Victoria<br />

Behr Kostümbildnerin des Jahres.<br />

Wo liegt in Ihrer täglichen Arbeit momentan<br />

der Schwerpunkt?<br />

Soeben liegt der Fokus auf jenem Orphée. Es<br />

handelt sich hier um eine Co-Produktion mit<br />

der Komischen Oper Berlin. Ein Teil meines<br />

Teams, das diese Produktion betreut, ist<br />

gerade eine fahrende Werkstatt. Sie packen<br />

hier in Salzburg alles ein, vom Spiegel bis zur<br />

Nadel, und reisen dorthin, wo die Künstler<br />

dieser Produktion sind, und machen in diesem<br />

Fall in Berlin die Anproben.<br />

Worin bestehen die besonderen<br />

Herausforderungen?<br />

Die Herausforderung ist oftmals die Größe der<br />

Produktion. Wir haben Chorstärken von etwa<br />

100 Personen. Wie bekommt man diese Masse angezogen? Wir<br />

beginnen mindestens ein Jahr vorher mit der Vorbereitung und<br />

der Konzeption. Meine durchdachte Gesamtorganisation lässt<br />

aber auch spontane künstlerische Ideen zu. Planung und Logistik<br />

ist ebenso wichtig wie Intuition und Fingerspitzengefühl. Bei<br />

Produktionen der Größenordnung wie Simon Boccanegra von<br />

Giuseppe Verdi etwa braucht man Zeit. Oder 2018, bei Pique<br />

Dame, da wurden knapp 500 Kostüme für den Chor angefertigt<br />

– etwa fünf Kilometer Stoff! Damit hätten wir das Festspielhaus<br />

sehr gut einwickeln können.<br />

Hat man bei Kostümen und Maske die aktuelle Mode im Blick?<br />

Es gibt natürlich immer Einflüsse, und manchmal kommen die<br />

aus der Haute Couture. Als John Galliano für Dior oder Alexander<br />

McQueen ihre große Zeit hatten, hat man auffallend viele<br />

Abbildungen aus diesen Couture-Kollektionen gesehen. Momentan<br />

ist das eher weniger en vogue. Natürlich gibt es Zeitströmungen,<br />

die wir auch aufnehmen. Bei Peter Sellars’ Inszenierung von<br />

Jan Meier<br />

Mozarts Idomeneo ist das Thema Flüchtlinge sehr stark besetzt.<br />

Wir fragen uns dann: Welche Kleidung spiegelt dieses Thema?<br />

Wir recherchieren und übersetzen es für das Theater. Die<br />

Kostüme werden dann auf die Choristen und Statisten zugeschneidert.<br />

Eine spannende Herausforderung.<br />

Also gilt hier: „Kleider machen Leute!“?<br />

Das auf jeden Fall. Wir aus der Abteilung<br />

Kostüm und Maske sind am nächsten an der<br />

Person dran. Man geht heute sensibel auf<br />

Darsteller und Sänger ein. Nicht nur die<br />

Körperlichkeit ist relevant, sondern man fragt<br />

auch: Welcher Persönlichkeit stehe ich<br />

gegenüber, als Mensch und in seiner Rolle?<br />

Gibt es trotzdem noch Diven, mit denen man<br />

diskutieren muss?<br />

Immer wieder mal, aber seltener. Ich kenne<br />

Geschichten von früher, in denen spezielle<br />

Kostüme erstellt wurden, die bei der Sängerin<br />

nicht auf Gegenliebe stießen. Es ist bei uns<br />

Usus, dass man sich vorher mit den Protagonisten<br />

trifft und sie auch kostümtechnisch<br />

einlädt, sich „gemeinsam auf die Reise zu begeben“. Es ist wichtig,<br />

die Vorstellungen, wie sie eine Rolle anlegen und darstellen<br />

wollen, abzufragen und dies in die Umsetzung einzubringen.<br />

Vermitteln Kostüme Botschaften?<br />

Ein Kostüm etabliert einen Stil auf der Bühne. Ganz klar: Ein<br />

rotes Kleid ist eine Botschaft. Man setzt Farben für Charaktere<br />

ein. Kostüme unterstützen einen Charakter – hier gehen Regie,<br />

Bühne und Kostüm Hand in Hand.<br />

Der jüngst verstorbene Karl Lagerfeld hat einmal gesagt: „Wer<br />

Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“<br />

Wie stehen Sie zu dieser Meinung?<br />

Ich habe im vergangenen Jahr auf einer Fachtagung für Bestattungskultur<br />

einen Vortrag über die Entwicklung der Figur des<br />

Todes im Jedermann gehalten. In der Diskussionsrunde habe ich<br />

gefragt: „Warum trägt der Tod nicht auch mal Jogginghose?<br />

Warum ist er nicht der Mann von nebenan, der im Büdchen steht,<br />

sein Bier trinkt und sagt: ,Ich lauer auf dich!‘?“<br />

■<br />

DAVID JOHANNES RANFTL begegnete uns<br />

bei der Recherche zum Thema Fächer. Wir stießen<br />

dabei auf das Deutsche Fächermuseum in<br />

Bielefeld, dessen aktuelle Ausstellung „Ein Streifzug<br />

durch das Alte Europa“ er kuratiert. Ranftl<br />

begann bereits mit 13 Jahren, sich für Fächer des<br />

17. bis frühen 20. Jahrhunderts zu interessieren,<br />

der Weg zu einer heute sehr ansehnlichen Sammlung lag nahe. Das<br />

Studium der Kunstgeschichte ebenso, er schloss mit der Arbeit „Die<br />

Fächerkultur am Münchner Hof zwischen 1850 und <strong>19</strong>14“ ab. Für<br />

dieses Heft stellte er uns nicht nur die Fotos von Fächern aus seiner<br />

Sammlung zur Verfügung, sondern auch sein fundiertes Wissen und<br />

seine ansteckende Begeisterung. (www.faechersammlung.de)<br />

HINTER DEN KULISSEN<br />

Der Fotograf ROLAND STEITZ<br />

geht auf „Panorama-Jagd“. Entdeckt<br />

hat er die Panoramafotografie 2011<br />

und musste sich zunächst im Umgang<br />

mit dem Stativ, dem Panoramakopf<br />

und der Kamera üben.<br />

Mittlerweile erhält er, wie er selber<br />

findet, „brauchbare Ergebnisse“.<br />

Diese Einschätzung kann man mehr<br />

als teilen, wenn man sich die Panoramatouren<br />

vom Prinzregententheater,<br />

dem Münchner Siegestor, aber auch etwa einem Basketball-<br />

Court so ansieht ... (www.meinepanoramen.eu)<br />

FOTOS: C. BRASCH, BERLIN; PRIVAT; ROLAND STEITZ<br />

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