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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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E R L E B E N<br />

DAS PHÄNOMEN MOZART<br />

Der Theatersommer im Goethe-Theater Bad Lauchstädt<br />

öffnet anregende Perspektiven auf Goethes Opernambitionen.<br />

VON RUTH RENÉE REIF<br />

Zwei Jahre nach ihrer Uraufführung in Wien 1791 besuchte Goethe<br />

in Frankfurt am Main eine Aufführung von Mozarts Singspiel<br />

Die Zauberflöte. Es beeindruckte ihn so sehr, dass er am nächsten<br />

Abend gleich noch einmal hinging. Im Januar des darauffolgenden<br />

Jahres zeigte er am Weimarer Hoftheater seine eigene Inszenierung<br />

des Werks, die überaus erfolgreich war, im Sommer auch im Kurtheater<br />

Lauchstädt gezeigt wurde und noch lange eine Stütze des<br />

Repertoires blieb. „Die Zauberflöte hat wieder viele Zuschauer aus<br />

der Nachbarschaft herbeigelockt“, schrieb Goethe 1798 an <strong>August</strong><br />

Wilhelm Schlegel.<br />

Das von der Kammersängerin Edda Moser ins Leben gerufene<br />

und geleitete Festspiel der deutschen Sprache öffnet den Blick zurück<br />

und ermöglicht die einzigartige Sicht auf Goethe als Theaterpraktiker.<br />

Seine Inszenierung wird rekonstruiert und unter der Regie<br />

von Igor Folwill im Goethe-Theater Bad Lauchstädt wieder auf die<br />

Bühne gebracht. Das Thüringische Landesmusikarchiv bewahrt<br />

eine restaurierte Fassung der Weimarer Partitur mit den Veränderungen<br />

auf, die Goethe und sein späterer Schwager Christian <strong>August</strong><br />

Vulpius an ihr vornahmen. Die beiden gliederten das zweiaktige<br />

Werk in drei Akte, strafften die Figuren und entschärften Passagen,<br />

an denen sich Herzog Carl <strong>August</strong> hätte stoßen können. Auch<br />

Goethes Regieanweisungen sind erhalten. So verlangte er etwa für<br />

den Drachen, der die Schlange ersetzt, einen großen Schweif und<br />

für Papagenos Käfig zwei große Vögel mit bunten Federn und<br />

beweglichen Flügeln.<br />

Goethes Verhältnis zur Musik war das eines Dichters. Das<br />

Wort stand für ihn im Vordergrund. Der<br />

Erfolg Mozarts und die überwältigende Wirkung<br />

seines Werks faszinierten ihn. Er rätselte,<br />

wie sie zu erklären waren, und suchte,<br />

dem Phänomen Mozart auf die Spur zu kommen.<br />

Zugleich sah er in ihm auch einen Konkurrenten.<br />

1785 begann er, das Singspiel<br />

GOETHE-THEATER<br />

BAD LAUCHSTÄDT<br />

Bis 26. Oktober<br />

Informationen und Kartenservice:<br />

besucher@goethe-theater.com<br />

www.goethe-theater.com<br />

Scherz, List und Rache zu schreiben und ließ es durch seinen alten<br />

Frankfurter Freund und Freimaurer-Bruder Christoph Philipp<br />

Kayser vertonen. Was Goethe vor Augen hatte, war eine neue<br />

Kunstform: eine Oper deutscher Sprache. Genau die aber schuf<br />

Mozart. „Alles unser Bemühen ging verloren, als Mozart auftrat“,<br />

klagte Goethe Jahre später in seiner Italienischen Reise. „Die Entführung<br />

aus dem Serail schlug alles nieder, und es ist auf dem<br />

Theater von unserem so sorgsam gearbeiteten Stück niemals die<br />

Rede gewesen.“ Das ändert sich jetzt. Im Goethe-Theater bringt<br />

Igor Folwill mit Werner Ehrhardt am Pult das Stück über Scapin<br />

und Scapine, die einen geizigen Doktor überlisten und dazu bringen,<br />

eine von Rechts wegen ihnen gehörende Erbschaft herauszurücken,<br />

auf die Bühne und gibt Einblicke in die Idealvorstellungen,<br />

die Goethe darin entwickelte.<br />

Bad Lauchstädt war Goethes sächsisches Arkadien. Nicht nur<br />

Adelige und reiche Bürger zog es im 18. Jahrhundert zu den mondänen<br />

Kuranlagen. Auch die intellektuelle Elite fand sich ein: Schiller,<br />

Hegel, Wieland, Gottsched. 1791 übernahm Goethe in seiner<br />

Funktion als Intendant des Weimarer Hoftheaters die Leitung des<br />

sommerlichen Spielbetriebs. Am 26. <strong>Juni</strong> 1802 wurde der von ihm<br />

initiierte Theaterneubau, zu dessen Innenausstattung er genaue<br />

Anweisungen erteilt hatte, mit einer festlichen Aufführung von<br />

Mozarts Oper La clemenza di Tito eröffnet. Der Geburtstag dieses<br />

einzigen original erhaltenen Theatergebäudes aus der Goethe-Zeit<br />

wird mit einer musikalischen Lesung gefeiert. Das Flair des einstigen<br />

Kurbetriebs lässt ein abwechslungsreiches Konzertprogramm<br />

unter Mitwirkung des MDR Sinfonieorchesters,<br />

der Deutschen Streicherphilharmonie sowie<br />

zahlreicher Solisten im Historischen Kursaal<br />

lebendig werden. Und ein Wiedersehen gibt es<br />

mit Mozarts Così fan tutte in der Inszenierung<br />

der Oper Halle von Axel Köhler und mit Robbert<br />

van Steijn am Pult.<br />

■<br />

FOTO: UWE KOEHN<br />

58 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – Juli – <strong>August</strong> 20<strong>19</strong>

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