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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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NADIA SINGER UND LUTZ GÖRNER:<br />

„HECTOR BERLIOZ. MEINE MUSIKALISCHE REISE<br />

DURCH DEUTSCHLAND, ERZÄHLT IN BRIEFEN<br />

AN MEINE FREUNDE IN PARIS“<br />

15.6. Krefeld, Burg Linn | 21.6. Münster, Rathausfestsaal | 22.6. Jülich, Schlosskapelle<br />

| 29.6. Gießen, Neues Rathaus | 30.6. Nürnberg, Meistersingerhalle<br />

Weitere Informationen: www.goerner-singer.de<br />

des <strong>19</strong>. Jahrhunderts ist, und das nicht nur weil Wagner und Berlioz<br />

das gesagt haben, er ist ein ‚Big Spender‘, der sich unglaublich für<br />

andere eingesetzt hat. Er hat über 400 ausgebildeten Pianisten in<br />

einer Art Master Class in seinem Hause kostenlos Unterricht gegeben.<br />

Sein Motto war: ‚Die Welt steht nicht still, wie sollte die Kunst<br />

still stehen.‘ Das hat mich elektrisiert.“<br />

So entstand eine neue Form des Klavierabends, ein „unterhaltsamer<br />

Klavierabend, bei dem Leben und Musik eines einzigen<br />

Komponisten im Mittelpunkt stehen, einfühlsam, intelligent und<br />

humorvoll“. Das Publikum wird an die Hand genommen, kann sich<br />

in Wort und Musik für die Ideen und Einflüsse Liszts auf die Musikwelt<br />

erwärmen. Sähe man den Kosmos Liszt als Sternenkarte, in<br />

welcher Konstellation ständen die bei den einzelnen Klavierabenden<br />

vorgestellten Komponisten? Da wäre Wagner, sein Schwiegersohn,<br />

dem Liszt in Vorwegnahme den Tristan-Akkord schenkte, oder<br />

Chopin, über den Liszt eine Biografie verfasste. Görner: „Am nächsten<br />

waren ihm Wagner, Berlioz und Chopin, das waren Freunde.<br />

Dass ein Weltheroe als Komponist über einen anderen Weltheroen<br />

als Komponist seiner Zeit eine Biografie schreibt, das hat es noch<br />

nicht gegeben und wird es auch nicht mehr geben. Von Berlioz hat<br />

Liszt eine Menge gelernt, Berlioz war acht Jahre älter als er. Mit <strong>19</strong><br />

Jahren begann Liszt, die Symphonie fantastique aufs Klavier zu<br />

übertragen. Daraus wuchs eine Menge an Transkriptionen, die heute<br />

90 CDs umfassen, alles Werke seiner Zeitgenossen, die heute noch<br />

Rang und Namen haben, zum Beispiel Beethoven, dessen Sinfonien<br />

er aufs Klavier übertragen hat.“ Des Weiteren Schubert, Schumann,<br />

Meyerbeer …<br />

Görner hat seine Vision, das Geflecht, die Beziehungen einer<br />

einzigartigen Musikepoche an aufeinanderfolgenden Abenden auf<br />

die Bühne zu bringen, wahr gemacht. Bis 2020 gibt es elf verschiedene<br />

Programme als exzeptionell betörende Klavierabende. Zu<br />

jedem Abend wurde eine Doppel- oder Triple-CD eingespielt. An<br />

seiner Seite spielt virtuos Nadia Singer, eine brillante junge Pianistin,<br />

die auf einen großen Teil des üblichen Wettbewerbsspiels verzichtet,<br />

um sich Saison für Saison das Klavierwerk eines weiteren<br />

Komponisten zu eigen zu machen, nicht nötig zu erwähnen, dass<br />

sie das gesamte Repertoire auswendig beherrscht. Das gibt ihr viel<br />

Freiraum für Interpretation und Hingabe. Das Publikum ist geradezu<br />

verzückt, wenn sich Singer auf ein Stichwort von Görners<br />

Erzählstrang mit Leichtigkeit das passende Stück aus den Fingern<br />

zaubert. Singer stammt aus Rostow am Don, wo sie ihr Konzertexamen<br />

ablegte. Mit drei Jahren begann sie Klavier zu spielen, sang<br />

aber als Teenager lieber Jazz-Standards in den Clubs der Millionenstadt.<br />

In Weimar studierte sie dann bei Grigory Gruzman. Binnen<br />

eines Jahres errang sie den ersten Preis beim Internationalen Rachmaninov-Wettbewerb<br />

in Frankfurt am Main.<br />

Nun sind Görner und Singer im Sommer mit Berlioz unterwegs.<br />

Berlioz konnte zwar Gitarre und Flöte spielen, nicht aber<br />

Klavier. Wenn Liszt dessen Werke für Klavier bearbeitete, dann,<br />

um ihn auf seinen Konzertreisen bekannt zu machen, denn zu<br />

Beginn wollte kaum ein Orchester die monströsen Partituren in<br />

die Tat umsetzen. Es ist ein wahres Erlebnis zu hören und zu<br />

sehen, wie die beiden den Planeten Berlioz in die Umlaufbahn<br />

schicken.<br />

■<br />

Ioan-Holender-Kolumne<br />

BEWAHREN WIR DAS<br />

STADTTHEATER<br />

Als Leo Nucci im März sein 40-jähriges Debüt an der Wiener<br />

Staatsoper mit einem glänzenden Arienabend feierte,<br />

erhielt er als Geschenk das Plakat mit seinem Debüt als<br />

Figaro im Barbier von Sevilla aus dem Jahr <strong>19</strong>79. Nucci sprang<br />

damals für ein erkranktes Ensemblemitglied ein, und neben<br />

seinem Namen stand „als Gast“. Alle anderen Rollen wurden<br />

selbstverständlich von Mitgliedern des Haus-Ensembles<br />

besetzt. Das war in allen großen Opernhäusern der Bundesrepublik<br />

von München bis Hamburg so. Doch bereits als ich<br />

<strong>19</strong>91 die Direktion der Wiener Staatsoper übernahm, gab<br />

es die Spezifizierung „a. G.“ nicht mehr. Heute kennt man<br />

diesen Zusatz gar nicht. Vielmehr versuchen sogar kleine<br />

und mittlere Stadttheater, Hauptpartien mit Gästen zu<br />

besetzen. Für einen angehenden Opernsänger wird es damit<br />

unmöglich, sich langsam und entsprechend seiner vokalen<br />

Entwicklung ein Repertoire aufzubauen.<br />

Als Ersatz dafür führen nahezu alle großen Opernhäuser<br />

sogenannte Opernstudios. Diese funktionieren neben<br />

dem Normalbetrieb des Opernhauses, und die Mitglieder<br />

des Studios werden für kleinere Partien dort auch eingesetzt.<br />

Die Ausbildung im Opernstudio ist auf zwei Jahre beschränkt.<br />

So übernehmen die Opernstudios die Endausbildung, die in<br />

den Musikhochschulen stattfinden sollte, und stellen eine<br />

Zwischenstufe zum Beruf dar. Sie sind aber eine Notlösung<br />

und ein Ersatz für die ersten Engagements, bei denen Anfänger<br />

mit wichtigen und ihrer Entwicklung entsprechenden<br />

Partien betraut werden. Es ist gut, dass es sie gibt, denn es<br />

ist fast der einzige Ort, an dem angehende Sänger noch<br />

wachsen können, wenn auch äußerst bescheiden bezahlt.<br />

Wenn die Stadttheater keine vollständigen Ensembles<br />

mehr beschäftigen und ihre Existenz weiterhin gefährdet ist,<br />

dann gerät die gesamte Gattung Oper in Gefahr. Als Gastsänger<br />

kann man sich nicht aussuchen, welche Partie man<br />

singt. Ein Opernhaus engagiert, was es braucht, und die<br />

wenigsten jungen Sänger sagen Nein zu einer Partie, die sie<br />

nicht singen sollten. Ein von einem kundigen Leiter geführtes<br />

Opernhaus engagiert ein Ensemblemitglied nach dem Repertoirevorhaben<br />

oder richtet den Spielplan danach aus, welche<br />

Sänger zur Verfügung stehen. Der Markt dagegen reagiert<br />

wie die Opernszene, und die Sänger sind eine sekundäre<br />

Notwendigkeit. Sie müssen sich einordnen, um zu<br />

überleben.<br />

„kulTOUR mit Holender“ auf<br />

ServusTV Deutschland:<br />

27. und 30.6. „Tokyo. Teil 1“ | 4. und 7.7. „Günther<br />

Groissböck – ein Bass lässt tief blicken“ | 18. und 21.7.<br />

„Sofia – Kulturperle Bulgariens“<br />

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