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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart.
Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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Üben ist für <strong>August</strong>in Hadelich wie ein<br />

komplexes Denksportspiel: Um etwas<br />

technisch Schweres zu bewältigen, unterteilt<br />

man es in kleine Aufgaben, bevor man es<br />

wieder zusammensetzt<br />

was der Lehrer ihnen jahrelang gesagt hatte, eben weil sie es<br />

nicht mehr regelmäßig jede Woche zu hören bekommen. Ich<br />

hatte gute, sehr unterschiedliche Lehrer: vom italienischen<br />

Geiger Uto Ughi, der für mich als Kind ein großes Vorbild war,<br />

über Christoph Poppen, Igor Ozim hin zu Norbert Brainin vom<br />

Amadeus Quartett, der ein Haus in der Nähe von Florenz hatte.<br />

Auch Franz Fischer, Konzertmeister des Philharmonischen<br />

Orchesters Würzburg, setzte sich für Sie ein. Im Interview<br />

beklagt er, die deutsche Musikratsszene habe Sie „ausgegrenzt“,<br />

weil Sie als quasi autodidaktisches Wunderkind aus<br />

dem toskanischen Hinterland nicht in das Idealbild des<br />

FOTO: LUCA VALENTA<br />

Förder systems passten.<br />

Ich sehe das weniger so und verstehe die Skepsis, wenn jemand<br />

plötzlich aus Italien nach Deutschland kommt. Viele kamen mit<br />

der Geschichte nicht zurecht, weil sie ungewöhnlich war. Mit 20<br />

zog ich nach New York, um an der Juilliard School zu studieren.<br />

Meine Karriere nahm dann auch in Amerika ihren Anfang, nach<br />

dem Gewinn des Geigenwettbewerbs in Indianapolis 2006,<br />

und machte einige Jahre später den Sprung nach Europa, weil<br />

Dirigenten, die mit mir in den USA gespielt hatten, mich zu<br />

europäischen Orchestern mitnahmen.<br />

Musikstudenten kommen aus aller Welt nach Deutschland und<br />

Österreich, weil hier die Wiege der klassischen Musiktradition<br />

ist und die Hochschulen kaum etwas kosten. Sie aber gingen<br />

nach New York.<br />

Ich wollte unbedingt in die ganz große Stadt, gerade weil ich aus<br />

Riparbella kam. Kurzzeitig war ich in Berlin – ein Kulturschock<br />

für mich. In New York fand ich in puncto Wetter und Essen<br />

mehr Nähe zu Italien und fühlte mich sofort wohl – eine Stadt,<br />

in der meine Geschichte nicht aus dem Rahmen fiel. New York ist<br />

sehr stimulierend, eine Stadt, die niemals schläft! Das Kulturleben<br />

ist unglaublich intensiv, und alle wichtigen Musiker und<br />

Orchester kommen vorbei.<br />

In Ihrem Geigenkoffer findet sich auch ein Rubikwürfel.<br />

Ich reise natürlich nicht mit dem Würfel um die Welt, aber<br />

komplexe Denksport- und Brettspiele liegen mir sehr. Der<br />

Rubikwürfel kann von einem Menschen nicht in einem Anlauf<br />

gelöst werden – erst wenn man diese Aufgabe in kleinere Schritte<br />

zerlegt, ist sie lösbar. Ähnlich ist es auch beim Üben: Um etwas<br />

technisch Schweres zu bewältigen, muss man es oft in kleinere<br />

Aufgaben unterteilen und an den kleinen technischen Details<br />

isoliert arbeiten, ehe man alles wieder zusammensetzt.<br />

Im Koffer haben Sie außerdem eine Ausgabe des<br />

„New Yorker“.<br />

Ich liebe dieses Magazin! Der „New Yorker“ verwendet für<br />

Porträts oder Kritiken meistens Zeichnungen statt Fotos. Ich bat<br />

einen Zeichner, der mich 2009 fürs „New Yorker“-Magazin<br />

zeichnete, das Coverbild für mein nächstes Album mit den<br />

Violinkonzerten von Brahms und Ligeti zu gestalten.<br />

Sehr modern, farbenfroh und abstrakt ...<br />

Ich wollte nicht, dass der Name Ligeti die Menschen verschreckt<br />

und das Album womöglich düster oder abweisend<br />

aussieht. Es sollte vielmehr farbig, aufregend und hell sein,<br />

genau wie die Musik auf dem Album. Ich spiele auf dieser<br />

Aufnahme meine eigene Kadenz zum Brahms-Konzert und eine<br />

tolle neue Kadenz für das Ligeti-Konzert des<br />

britischen Komponisten Thomas Adès. Es war<br />

ein Traum, diese beiden großen Konzerte<br />

zusammen aufzunehmen!<br />

n<br />

Brahms, Ligeti: „Violinkonzerte“, <strong>August</strong>in Hadelich (Warner)<br />

<strong>19</strong>

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