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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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H Ö R E N & S E H E N<br />

FOTO: MARCO BORGGREVE<br />

GESANG<br />

Julian Prégardien<br />

Berührende Schönheit<br />

„You’re still young, that’s your fault / There’s so much you have to know“, sang<br />

Cat Stevens in Father and Son. Nicht bei Julian Prégardien, dem Sohn des großen<br />

lyrischen Tenors. Bei gemeinsamen Aufnahmen wissen sie oft nicht, wer da<br />

gerade singt, weil ihre Stimmtimbres einander so ähneln. Auch Julian ist ein<br />

Meister der Modulation, verfügt über unendliche Nuancen, um jeden Charakter,<br />

jede Stimmungsveränderung Vers für Vers auszuloten – Heinrich Heines feine<br />

Ironie zwischen den Zeilen von Schumanns opp. 24 und 48 mit Momenten<br />

berührender Schönheit wie beim Vater. Julians Interpretation allerdings geht von<br />

den Erkenntnissen historisch informierter Praxis (Neuausgabe von Hansjörg<br />

Ewert) aus und seiner Intuition. „Wahrscheinlich würde Schumann<br />

manche meiner Änderungen zurückweisen. Andere würden ihn jedoch<br />

zum Grübeln bringen, hoffe ich“, schreibt er im Booklet. „Er hat eine<br />

sehr starke und glückliche Persönlichkeit“, sagt der Vater. TPR<br />

Robert Schumann: „Dichterliebe“, Julian Prégardien, Sandrine Piau, Éric Le Sage (Alpha)<br />

Track 4 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Am leuchtenden Sommermorgen<br />

NEUE<br />

WELTEN<br />

Der Komponist Jóhann Jóhannsson entzog sich Zeit seines<br />

Lebens der simplen Einordnung und kultivierte in<br />

seinen Kompositionen den stilistischen Grenzgang. Wie<br />

vielfältig und klangsinnlich das gelang, zeigt diese hochwertig<br />

aufbereitete Edition mit frühen Werken des 2017<br />

verstorbenen Komponisten. Klassische Formen, elektronische<br />

Klänge, sinfonische Passagen und Elemente der<br />

Minimal Music fließen kunstvoll ineinander und lassen<br />

Jóhann Jóhannsson<br />

Faszinierende Grenzgänge<br />

Klangbilder von suggestiver Dichte und Melancholie entstehen.<br />

Die Edition umfasst sechs Werke des Komponisten,<br />

darunter viele Filmmusiken, außerdem einen ausführlichen<br />

Begleitband. Ein faszinierend dichtes Erlebnis<br />

für all jene, die Jóhannssons vielschichtiges Werk posthum<br />

noch intensiver entdecken möchten. DW<br />

Jóhann Jóhannsson: „Retrospective I“ (DG)<br />

Helmut Deutsch<br />

Wahrhaftig ergänzen<br />

Im Schatten des Sängers – das scheint das Schicksal<br />

des Liedbegleiters zu sein. „Bin ich zu laut?“,<br />

schmunzelte Gerald Moore, der langjährige<br />

Begleiter von Dietrich Fischer-Dieskau in seiner<br />

Biografie, sekundiert von Roger Vignoles’ Lied<br />

The Battle Hymn of the Accompanist (auf YouTube<br />

zu sehen). Auch der legendäre Hermann Prey,<br />

mit dem Helmut Deutschs Karriere in den<br />

<strong>19</strong>80er-Jahren begann, verstand sich als „Chef“,<br />

um ihm dann zu sagen: „Das klingt so dämlich;<br />

mach doch was draus!“ Und Deutsch „machte“,<br />

erfasste, wie ein Radar, jede Nuance des Sängers,<br />

jede Empfindung und Bewegung, um ihn mit „seiner“<br />

Stimme wahrhaftig zu ergänzen, im Wissen,<br />

dass die Gleichberechtigung zwischen Sänger und<br />

Begleiter keine politisch gesellschaftliche, sondern<br />

eine rein musikalische Frage ist. Amüsant<br />

lesen sich Deutschs „politisch<br />

unkorrekte“ Bemerkung, er<br />

kenne keinen, der zeitgenössische<br />

Musik gerne singe, und kaum<br />

jemanden, der sie mag, und<br />

andere Wahrheiten. TPR<br />

Helmut Deutsch: „Gesang auf Händen<br />

tragen. Mein Leben als Liedbegleiter“<br />

(Henschel)<br />

BUCH<br />

Christian Thielemann<br />

Daumenkino<br />

Wäre dieser Bildband nicht so prächtig und,<br />

ja, auch mächtig, wäre man wohl wirklich<br />

versucht, die Seiten schnell durch die Finger<br />

gleiten zu lassen, um Christian Thielemann<br />

unmittelbar beim Dirigieren zu „erleben“.<br />

Man tut aber gut daran, sich Zeit zu<br />

nehmen für dieses Porträt in Bildern. Ungewöhnlich<br />

nahe kommt man dem Künstler,<br />

obwohl kein einziges privates Foto enthalten<br />

ist, sondern lediglich ein Motiv in<br />

unzähligen Varianten: Beseelt, ergriffen,<br />

fröhlich, wütend, verbissen – keine Gefühlsregung<br />

fehlt in diesem Kaleidoskop der Leidenschaften,<br />

das der Fotograf Lois Lammerhuber<br />

klug zusammengestellt hat. Er<br />

war der Erste, der Thielemann während<br />

einer laufenden Aufführung aus dem Bayreuther<br />

Graben mit der Kamera begleiten<br />

durfte. Thielemann selbst erzählt dazu ausgesprochen<br />

unterhaltsam von sich und seiner<br />

großen Passion:<br />

dem Dirigieren. BS<br />

Christian Thielemann:<br />

„Dirigieren/Conducting“,<br />

Clemens Trautmann,<br />

Lois Lammerhuber<br />

(Edition Lammerhuber)<br />

Cornelia Funke<br />

Eine<br />

mystische Reise<br />

„Da, hört ihr das? […] Engel. Sie kommen, um<br />

die Alpträume zu jagen, die die Dunkelheit<br />

gebiert und um das Licht der Sterne zu ernten.“<br />

So beginnt die neue Geschichte der<br />

berühmten Kinderbuchautorin Cornelia Funke.<br />

Ein Engel in der Nacht handelt von zauberhaften<br />

Wesen, die ein Mädchen mit gebrochenem<br />

Herzen heilen wollen. In mehreren Dimensionen<br />

wird der Zuhörer auf eine mystische Reise<br />

geschickt: Funkes angenehme Stimme, stets<br />

begleitet vom Cellisten Matt Haimovitz und<br />

seinem Uccello Ensemble, wechselt ab mit<br />

Musik von Luna Pearl Woolf und Wiegenliedern<br />

aus der ganzen Welt. Zusätzlich finden<br />

sich in der CD-Box zehn liebevoll illustrierte<br />

Kärtchen, die dem Zuhörer eine visuelle Vorstellung<br />

von Rahmiel, dem Engel der Nacht,<br />

und Luna, dem Mädchen mit dem gebrochenen<br />

Herzen geben. Ein geheimnisvolles, wunderbar<br />

detailreiches Projekt. Bei diesem Hörerlebnis<br />

ist das Einschlafen erlaubt –<br />

oder vielleicht auch ein schöner<br />

Tagtraum? SK<br />

Cornelia Funke, Luna Pearl Woolf:<br />

„Ein Engel in der Nacht“,<br />

Matt Haimovitz, Uccello Ensemble<br />

(Pentatone)<br />

HÖR-<br />

BUCH<br />

40 w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – Juli – <strong>August</strong> 20<strong>19</strong>

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