CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

K Ü N S T L E R
EINE
UNGEWÖHNLICHE
GESCHICHTE
Wirklich geschmeidig lief seine Karriere nicht an. Weil er als
autodidaktisches Wunderkind, aufgewachsen im toskanischen Hinterland,
nicht ins deutsche Fördersystem passte, musste der Geiger
Augustin Hadelich erst einen Umweg über New York machen.
Nun ist er in Deutschland angekommen.
VON TERESA PIESCHACÓN RAPHAEL
CRESCENDO: Auf einem Youtube-Video packen Sie aus Ihrem
Geigenkasten alles aus, was Ihnen wichtig ist. Zunächst eine
Postkarte von Riparbella ...
Augustin Hadelich: ... einem kleinen Ort in der Toskana mit
1.600 Seelen. Da bin ich aufgewachsen. Meine deutschen Eltern
ließen sich in den 80ern in Riparbella nieder, um Oliven und
Wein anzubauen – alles noch vor der großen Italienwelle.
... als es sich Politiker und Alt-68er – die berühmte Toskana-
Fraktion –, ermüdet vom „Marsch durch die Institutionen“, in
Italien gut gehen ließen.
Ja. Denn das Leben auf einem echten Bauernhof ist nicht so
idyllisch, wie sich das viele Menschen aus der Stadt vorstellen.
Im Gegenteil: Es ist ganz schön hart. Es war schön dort, doch
musikalisch ziemlich abgelegen.
Mit fünf fingen Sie an, Geige zu spielen, auf einem Instrument
aus dem Supermarkt!
Richtig. Mein Vater war mein erster Lehrer. Er war kein Profimusiker
und begleitete mich zu anderen Lehrern und zu Kursen.
Ich hatte zwischen den Unterrichtsstunden immer wochenlange
Pausen, in denen ich selbst arbeitete. Es kommt ja nicht zwingend
auf die Anzahl der Stunden an. Viele Musiker machen die
Erfahrung, dass sie erst nach dem Studium endlich alles machen,
18 w w w . c r e s c e n d o . d e — Juni – Juli – August 2019