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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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ALTE<br />

MUSIK<br />

Renaud Capuçon und David Fray<br />

Romantischer Bach<br />

„Die Violinstimme erfordert einen Meister. Bach kannte die<br />

Möglichkeiten dieses Instruments und schonte es ebenso<br />

wenig, als er sein Clavier schonte“, schrieb der Musikforscher<br />

Johann Nikolaus Forkel über die Sechs Sonaten für Violine und<br />

Cembalo und wusste, dass sie „äußert sangbar und charaktervoll“<br />

sind. Die Franzosen Renaud Capuçon und David Fray,<br />

beide Meister ihres Fachs, lassen die Kantilenen schweben, und<br />

was den Charakter betrifft, mag man träumend an die hochklassigen<br />

Eigenschaften eines Pétrus denken und dessen vollmundig,<br />

üppig runde Fülle. Die vier Duosonaten aus Bachs essenziellstem<br />

Kammermusikzyklus, in dem das Klavier erstmalig<br />

befreit vom bloßen Basso continuo gleichwertig mit der Violine<br />

parliert, bestechen durch die brillante Anschlagsdynamik<br />

Frays in Harmonie mit der gezielten Akzentuierung der Violinstimme,<br />

die Capuçon in die Schwalbenflughöhe eines<br />

himmlisch blauen Sommerabends führt. Ein romantisch interpretierter<br />

Bach, anmutig und atemberaubend! SELL<br />

Johann Sebastian Bach:<br />

„Sonatas“, Renaud<br />

Capuçon, David Fray<br />

(Erato)<br />

David Fray<br />

FOTO: JEAN-BAPTISTE MILLOT<br />

John Neumeier<br />

Sinnliche Expressivität<br />

Eine umfassende, opulente Werkschau präsentiert John Neumeiers<br />

vielseitiges Wirken als Choreograf, Kostümbildner, Bühnenbildner<br />

und Lichtdesigner. Anlässlich des 80. Geburtstages des<br />

berühmten Ballett-Stars erscheint diese Kollektion, die vier Ballette<br />

auf acht DVDs umfasst: Nijinsky nach Musik von Schumann,<br />

Chopin, Rimski-Korsakow und Schostakowitsch, das Weihnachtsoratorium<br />

Johann Sebastian Bachs, Tatiana and the little Mermaid mit<br />

Musik von Lera Auerbach. Jede einzelne dieser so unterschiedlichen<br />

Produktionen hat ihren besonderen Reiz. Verbunden werden<br />

sie durch die tiefe künstlerische Durchdringung des<br />

jeweiligen Stoffes. Das umfangreiche Booklet sowie<br />

die beigefügten Interviews auf den DVDs bieten<br />

eine Fülle an interessanten Informationen rund um<br />

den Künstler und seine Werke. Menschlich-anrührend<br />

und von außergewöhnlicher sinnlicher Expressivität.<br />

AF<br />

„John Neumeier Collection“, John Neumeier, Hamburg Ballett,<br />

San Francisco Ballet u. a. (Cmajor)<br />

Calmus Ensemble<br />

Prächtige Fülle<br />

SAKRALE<br />

MUSIK<br />

TANZ<br />

Als Leipziger Disputation ging jenes akademische Streitgespräch in die<br />

Geschichte ein, das 15<strong>19</strong> die Reformatoren Karlstadt und Martin Luther mit<br />

dem papsttreuen Johannes Eck führten. Großen Eindruck machte damals beim<br />

Eröffnungsgottesdienst in der Thomaskirche eine zwölfstimmige Messe. War es<br />

die Missa Et ecce terrae motus des Frankoflamen Antoine Brumel? Ja, sagen das<br />

Leipziger Calmus Ensembles und amarcord – und vereinigen dafür erstmals ihre<br />

vokalen Kräfte mit den beiden Sopranistinnen Anna Kellnhofer und Isabel Schicketanz<br />

zum runden Dutzend. Die stets differenzierte, prächtige Fülle der Messe<br />

reicht von ekstatischem Geschnatter und grandiosen Dissonanzen bis zu schwebender<br />

Ruhe und göttlicher Majestät: Alles kosten sie sauber, lustvoll und mit<br />

rhythmischem Drive aus. Passende Gregorianik, katholische Kirchenmusik und<br />

trotzige Reformationswerke runden diesen klingenden Einblick<br />

in eine theologisch-politisch umkämpfte Zeit ab. WW<br />

Antoine Brumel, Thomas Stoltzer, Johann Walter und Josquin des Préz:<br />

„Leipziger Disputation“, Calmus Ensemble, amarcord, Anna Kellnhofer und<br />

Isabel Schicketanz (Carus)<br />

Track 11 auf der <strong>CRESCENDO</strong> Abo-CD: Herr, wie lang willst du mein so gar<br />

vergessen? von Thomas Stoltzer<br />

Ben Wright<br />

Eine Fülle<br />

fantastischer Einfälle<br />

Theater, Oper, Tanz: Ben Wright hat schon in allen drei Bereichen gearbeitet.<br />

Seine Produktion „The feeling of going“ ist deshalb ein Hybrid aus<br />

ihnen. Zu Musik und Texten von Jónsi, dem Sänger der isländischen Band<br />

Sigur Rós, hat Wright mit dem Skånes Dansteater sowie dem Orchester<br />

und Chor der Malmö Opera eine Reise in eine Traumwelt inszeniert. Mit<br />

surrealen Bildern, die an die Ästhetik von René Magritte, Max Ernst und<br />

Robert Wilson erinnern, erzählt er aus der Perspektive eines jungen<br />

Mannes ein dunkles Märchen voll bizarrer Begegnungen mit Unterbewusstem.<br />

Virtuose Soli, Pas de deux und Gruppenszenen gehen fließend<br />

ineinander über; Videos und 3-D-Effekte verstärken magisch ihre Wirkung<br />

im Raum. Eingefangen mit Kameras, die sich<br />

zwischen den Akteuren und über ihnen bewegen,<br />

fasziniert eine Fülle fantastischer Einfälle. ASK<br />

Jónsi: „The feeling of going“, Moto Boy, Ben Wright, Skånes<br />

Dansteater, Malmö Opera Orchestra & Chorus (Arthaus)<br />

NEUE<br />

WELTEN<br />

Tianwa Yang<br />

Eine Bandbreite von Affekten<br />

Sind das drei Violinkonzerte, die nicht so genannt werden, oder<br />

haben wir es mit einem Zyklus zu tun, mit drei Einzelwerken, die<br />

kompositorisch und emotional ein Ganzes ergeben? Solche<br />

Querverbindungen kennt man von Wolfgang Rihm durchaus und<br />

auch die Folge dieser Stücke für Violine und Orchester, entstanden<br />

zwischen <strong>19</strong>92 und 2009, entwickelt eine nachvollziehbare<br />

dramaturgische Logik; von der zarten, fast esoterischen Verinnerlichung<br />

in Gesungene Zeit über das scherzohaft vergnügte Lichtes<br />

Spiel bis hin zum theatralisch bewegten COLL’ARCO zeigt Rihm<br />

mit identischer Besetzung eine große Bandbreite von Affekten.<br />

Die Interpretation von Tianwa Yang und dem Dirigenten Darrell<br />

Ang bewegt sich technisch auf hohem Niveau, der Klang ist transparent,<br />

ausdifferenziert und clean, leider<br />

eine Spur zu neutral und kühl für den Ausdrucksmusiker<br />

Rihm. FS<br />

Wolfgang Rihm: „Gesungene Zeit, Lichtes Spiel u. a.“,<br />

Tianwa Yang, Deutsche Staatsphilharmonie<br />

Rheinland-Pfalz, Darrell Ang (Naxos)<br />

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