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CRESCENDO 4/19 Juni-August 2019

CRESCENDO – das Magazin für klassische Musik und Lebensart. Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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Interviews unter anderem mit Gidon Kremer, Augustin Hadelich, Benjamin Schmid und Maurice Steger.

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Daniel-Hope-Kolumne<br />

„DIE KÜNSTE SIND UNVERZICHTBAR“<br />

Daniel Hope im Gespräch mit Rob Gibson, Executive und Artistic Director des<br />

Savannah Music Festivals. Hope war Associated Artistic Director. Nun hören beide auf.<br />

Daniel Hope: Du warst die treibende<br />

Kraft hinter dem Savannah Music<br />

Festival, hast in 17 Tagen über 100<br />

Konzerte aller Musikrichtungen geplant<br />

und präsentiert – und das 16 Jahre<br />

lang. Warum gibt es so wenig Multi-<br />

Genre-Festivals?<br />

Rob Gibson: Ich kenne nur sehr wenige<br />

Leute, die in der Kunst arbeiten – Musiker<br />

eingeschlossen –, die die ganze Palette der<br />

Musik mögen. Ein Opernfestival oder ein<br />

Kammermusikfestival zu veranstalten, ist<br />

ein anspruchsvolles und edles Unterfangen,<br />

aber das ist es normalerweise nur für<br />

einen kleinen Teil der Bevölkerung – was<br />

die Vermarktung wiederum erleichtert.<br />

Ich war schon immer daran interessiert,<br />

musikalische Erlebnisse für alle anzubieten,<br />

egal ob das Studenten, Eltern,<br />

Kindergärtner oder Senioren waren. Es<br />

spielte keine Rolle, ob die Produktion<br />

gesanglich oder instrumental war, religiös<br />

oder säkular, akustisch oder verstärkt,<br />

drinnen oder draußen. Ich tanze auch<br />

gern zu Live-Musik. Deshalb haben wir<br />

beim Festival in Savannah erkannt, dass<br />

die musikalischen Künste unverzichtbar<br />

sind – denn sie können uns ermutigen,<br />

Mitleid zu empfinden, verschiedene<br />

Kulturen zu umarmen, kritisch zu denken<br />

oder einfach nur eine gute Zeit zu haben,<br />

während wir den Blues wegtanzen.<br />

Wurde die Programmgestaltung jemals<br />

von Trends und Moden beeinflusst?<br />

Kunst und Musik sind keine Trends – sie<br />

sind Traditionen, die ständig erweitert,<br />

bearbeitet und verfeinert werden. In der<br />

Musikbranche jedoch geht es ums Geld,<br />

Trends und Moden tun ihr gut. Ein<br />

Großteil der Musik, die unsere Kinder im<br />

Radio hören, mag sich gut anfühlen. Auch<br />

ein Schokoriegel fühlt sich gut an – hat<br />

Rob Gibson (r.) mit Daniel Hope<br />

aber keinen Nährwert. Wir nutzen die<br />

aufkeimende Sexualität unserer Kinder<br />

aus. Wir nutzen ihren Mangel an Kultiviertheit<br />

aus. Wir setzen Dekadenz mit<br />

Hipness gleich. Wir sehen in unseren<br />

Kindern einen Markt, und es ist peinlich.<br />

Aber schuld sind nicht unsere Kinder.<br />

Schuld sind wir.<br />

Europäische Kunstförderung unterscheidet<br />

sich sehr von der der Vereinigten<br />

Staaten. Welche Auswirkungen hat<br />

das für ein Festival wie Savannah?<br />

In meinen 16 Jahren als Veranstalter<br />

haben wir nie mehr als acht Prozent<br />

unseres jährlichen Budgets aus staatlichen<br />

Quellen erhalten. In dieser Zeit jedoch<br />

kamen 40 Prozent der Besucher von außerhalb.<br />

Dieser Zustrom an Kulturtourismus<br />

stärkte die lokalen Unternehmen<br />

und führte zu erheblichen Ausgaben- und<br />

Besucheraktivitäten. Wir wurden Teil<br />

dieses kreativen Unternehmens und des<br />

Geschäftslebens der Gemeinde.<br />

In deiner Karriere hast du Wynton<br />

Marsalis, Keith Jarrett, Miles Davis und<br />

viele andere Künstler präsentiert. Gab es<br />

jemals Unebenheiten auf dem Weg?<br />

Einige Künstler können exzentrisch,<br />

furchterregend oder anspruchsvoll sein,<br />

aber jede Unebenheit führt schließlich zu<br />

einer guten Geschichte. Ich darf mich<br />

glücklich schätzen, mit vielen Musikern<br />

zusammenzuarbeiten, darunter Sir<br />

George Solti, Astor Piazzolla, Ravi<br />

Shankar, Count Basie, Sejii Ozawa, Ella<br />

Fitzgerald, Nusrat Fateh Ali Khan, Lionel<br />

Hampton, Daniel Barenboim, Sarah<br />

Vaughan, Tito Puente, Benny Carter und<br />

Dizzy Gillespie – von denen jeder seinen<br />

ganz eigenen Charme hatte.<br />

Du warst auch Executive Producer and<br />

Director of „Jazz at Lincoln Center“.<br />

Bekommt der Jazz jetzt die Anerkennung,<br />

die er verdient?<br />

Jazz war schon immer Kunst, und die<br />

Menschen auf der ganzen Welt erkannten<br />

sofort das Genie von Leuten wie Louis<br />

Armstrong und Duke Ellington. Wynton<br />

Marsalis sagte immer, dass der Jazz die<br />

Musik revolutioniert habe, indem er den<br />

einzelnen Musikern die Autorität verlieh,<br />

„ihre Geschichte zu erzählen“. Die Herausforderung<br />

besteht darin, dass unser<br />

Bildungssystem noch umgebaut werden<br />

muss, um dieser Revolution Rechnung zu<br />

tragen. Solange das nicht geschieht, wird<br />

der Jazz ein kleines, aber hingebungsfreudiges<br />

Publikum unterhalten.<br />

Was steht als Nächstes für dich auf<br />

dem Plan?<br />

Ich freue mich darauf, für den hervorragenden<br />

Hotelier Richard Kessler zu<br />

arbeiten, der in seinen zahlreichen<br />

Locations im Süden Innen- und Außen-<br />

Events veranstaltet. Hier in Savannah<br />

entsteht eine Outdoor-Plaza mit 500<br />

Plätzen, ein Musikzentrum mit mehr als<br />

300 Plätzen (The Power Station), ein neuer<br />

River Walk, drei Dachterrassen und<br />

verschiedene Ballsäle, Lobbys und Bars, in<br />

die wir viel Musik integrieren werden. n<br />

ZEICHNUNG: STEFAN STEITZ<br />

FOTO: FRANK STEWART<br />

82<br />

w w w . c r e s c e n d o . d e — <strong>Juni</strong> – Juli – <strong>August</strong> 20<strong>19</strong>

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