OM_04_2020_ePaper
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Katja Zerbst wählt sorgfältig die Ostermusik aus.<br />
Kirchenmänner unter sich (v.l.): Pastor Frank Mühring,<br />
Küster Andreas Wokurka und Pastor Thomas Ziaja.<br />
wird sich streng gehalten. Die Osterpredigt<br />
ist leichter als die Weihnachtspredigt, hier<br />
sind die Erwartungen sehr groß und<br />
müssen bedient werden, man möchte die<br />
Weihnachtsgeschichte hören. Ostern ist da<br />
freier als Weihnachten, da der Ostertext oft<br />
ein anderes Licht auf die Geschichte wirft.<br />
Drei Tage Vorlauf wie für eine normale<br />
Sonntagspredigt reichen nicht aus, für<br />
Ostern reift es deutlich länger, man<br />
braucht gedanklichen Vorlauf und frühere<br />
Auseinandersetzung mit den Predigttexten.<br />
Oberneuland Magazin: Was ist an der<br />
Osternacht so besonders?<br />
Pastor Mühring: Osternacht bedeutet<br />
auch Weinen. Besondere, andere Menschen<br />
kommen dazu, manche von ihnen sieht<br />
man sonst nicht im Gottesdienst. Kerzen<br />
werden verteilt und am Osterlicht entzündet.<br />
Und nun ist auch die Taufe möglich,<br />
der Beginn eines neuen Lebens mit Gott.<br />
Pastor Ziaja: Es ist der Frühgottesdienst, in<br />
welchem das Osterlicht erwartet wird. Auf<br />
den Karfreitag folgt der Karsamstag, ein<br />
ganz ruhiger Tag, alles steht still, es läuten<br />
keine Glocken, keine Amtshandlungen<br />
werden durchgeführt, es herrscht Grabesruh‘.<br />
Und doch geht es im Hintergrund<br />
weiter. Bei dem Lied „Christ ist erstanden“<br />
habe ich Gänsehautfeeling. Dieses Gefühl<br />
schafft die Osternacht.<br />
Oberneuland Magazin: Andreas, was bedeutet<br />
für dich das Osterlicht in der Osternacht?<br />
Andreas Wokurka (Küster): Das Osterlicht<br />
symbolisiert die Auferstehung Jesu,<br />
man kommt vom dunklen Karfreitag.<br />
Diakonin Irina Schwerdtfeger hat mit den<br />
Jugendlichen eine Osterkerze gestaltet.<br />
Diese wird am Feuertopf vor dem Kirchenportal<br />
entzündet und als Osterlicht in die<br />
dunkle Kirche getragen. Man geht also in<br />
die Kirche, wenn es noch dunkel ist, und<br />
kommt heraus, wenn es hell ist.<br />
Oberneuland Magazin: Wann stehst du auf,<br />
damit der Feuertopf pünktlich brennt?<br />
Andreas Wokurka: Sehr früh, 5.30 Uhr<br />
muss alles fertig sein, dann versammelt<br />
sich die Gemeinde der Osternacht andächtig<br />
um das Feuer, zum Wärmen und Innehalten.<br />
Seit einigen Jahren stelle ich mir<br />
drei Wecker, um es bloß nicht zu verschlafen.<br />
Als unsere Kinder im Teeniealter in<br />
den Morgenstunden vom Osterfeuer nach<br />
Hause kamen, wunderten sie sich über<br />
einen Mann, der sehr früh vor der Kirche<br />
um einen Feuertopf tanzte.<br />
Oberneuland Magazin: Wie geht der früh<br />
begonnene Ostermorgen für dich weiter?<br />
Andreas Wokurka: Wenn alle in der Kirche<br />
an ihrem Platz sind, die Kerzen brennen<br />
und die Osternacht gefeiert wird, bereite<br />
ich im Gemeindehaus das Frühstück vor.<br />
Auch wenn fast jeder einen Beitrag zum<br />
Buffet leistet, müssen Eier und Kaffee für<br />
40–70 Frühaufsteher gekocht und Brötchen<br />
aufgebacken werden. Es gibt Helfer,<br />
die im Vorfeld Tische eindecken und im<br />
Anschluss beim Aufräumen helfen. Und<br />
haben hier alle ihren Platz gefunden, bereite<br />
ich den 10-Uhr- Ostergottesdienst vor.<br />
Feuertopf, Abendmahl und Kerzen der<br />
Osternacht müssen weggeräumt werden.<br />
Nach österlichem Glockengeläut und<br />
Beginn des Gottesdienstes schaue ich im<br />
Gemeindehaus nach dem Rechten.<br />
Oberneuland Magazin: Jeder Gottesdienst ist<br />
musikalisch anders geprägt, welche Bedeutung<br />
hat die Musik für euch?<br />
Pastor Mühring: Ein fröhlicher Wechsel<br />
der Lieder an Ostern reißen aus dem<br />
dumpfen Trauermodus heraus und führen<br />
zu einer anstrengenden Freude, Leben ist<br />
wieder da.<br />
Pastor Ziaja: Musik ist ein sehr komplexes<br />
Thema zu Ostern, an diesen Tagen geht<br />
nicht alles, die Mischung muss stimmen.<br />
Die Musikauswahl ist für Frau Zerbst eine<br />
große Herausforderung.<br />
Oberneuland Magazin: Katja, wie bereitest<br />
du dich auf die sehr unterschiedlichen Ostergottesdienste<br />
vor, in denen auch musikalisch<br />
einige Themen der Gemeinde nahe gebracht<br />
werden sollen?<br />
Katja Zerbst: Es gibt zunächst weitreichende<br />
Vorbesprechungen mit den Pastoren,<br />
hier wird der grobe Rahmen abgesteckt.<br />
Dann beginnen die ersten Proben und erst<br />
danach findet eine Schluss-Abstimmung<br />
mit den Pastoren statt.<br />
Oberneuland Magazin: Wie sieht im<br />
Besonderen die Vorbereitung für<br />
Gründonnerstag und Karfreitag aus?<br />
Katja Zerbst: Der Gründonnerstag ist ein<br />
Abendmahls-Gottesdienst, da sollten die<br />
Stücke eher meditativen Charakter haben.<br />
Den Karfreitag- Gottesdienst gestaltet die<br />
Kantorei schon viele Jahre mit, die Sängerinnen<br />
und Sänger treffen sich recht zeitig<br />
zum Einsingen, dabei ist sehr bemerkenswert,<br />
dass einige von ihnen schon über<br />
80 Jahre alt sind. Die Stille gehört zum<br />
Karfreitag und ist ein Element der musikalischen<br />
Gestaltung. Es müssen Lieder und<br />
Stücke gewählt werden, die nur an diesem<br />
Tag passen. Mindestens eine halbe Stunde<br />
vor Gottesdienstbeginn wird das Einsingen<br />
beendet, die Gottesdienstbesucher sollen<br />
die Stille fühlen, wenn sie in die Kirche<br />
kommen.<br />
Oberneuland Magazin: Die Osternacht ist kein<br />
gewöhnlicher Gottesdienst. Seit vielen Jahren<br />
feiern wir diese fast 90 Minuten lange Messe<br />
mit besonderen Gesängen des Vocal Ensembles<br />
Terra Nova. Wie bereitet ihr euch gemeinsam<br />
auf diesen Ostermorgen vor?<br />
Katja Zerbst: Die Sängerinnen und Sänger<br />
des Vocal Ensembles bekommen die Stücke<br />
vier Wochen vorher zugeschickt und<br />
müssen diese im Selbststudium erlernen.<br />
Bis zur Osternacht gibt es vier, teilweise<br />
sehr zeitaufwendige Proben. Sich bereits<br />
um 4.30 Uhr am Ostersonntag zum Einsingen<br />
zu treffen, ist eine besondere Herausforderung,<br />
dabei stehen einige Sänger<br />
um 3.00 Uhr morgens auf, sie kommen aus<br />
Achim und Worpswede. Die Töne müssen<br />
da sein, bei einem kleinen Ensemble<br />
kommt es auf jede Stimme an, alles wird<br />
a capella gesungen. In der völlig dunklen<br />
Kirche haben die mittelalterlichen, echt<br />
gregorianischen Gesänge oder Musik, die<br />
sich daraus entwickelt hat, eine besondere<br />
Feierlichkeit. Man muss sehr feine Antennen<br />
haben, wann man anfängt. Es gibt kein<br />
Glockengeläut, wann kommen die Gottesdienstbesucher<br />
in die Kirche, wann geht es<br />
los? Es gibt dann den Moment, in welchem<br />
sich das Kerzenlicht der einsamen Kerze<br />
verbreitet.<br />
Die Osternacht mit dem Vocal Ensemble<br />
ist eine sehr schöne Tradition, welche nicht<br />
jedes Jahr gleich abläuft, da diese immer<br />
neu ausgefüllt werden darf.<br />
40 OBERNEULAND