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Schönes Leben – Ausgabe 73

Land, Kultur und Lebensart zwischen Elbestrand und Heidesand

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Die Feuerlilie in Kunst und Kultur<br />

Der niederländische Pflanzenkundler Fred Bos<br />

(76) gilt als der Feuerlilien-Experte schlechthin.<br />

Seit frühester Jugend ist der „Botaniker aus<br />

Leidenschaft“ von der „Roggelelie“, wie sie<br />

in seiner Muttersprache heißt, fasziniert. Die<br />

Feuerlilie ist die Blume des niederländischen<br />

Königshauses Oranien-Nassau. Fred Bos hat<br />

über die Feuerlilie geforscht, geschrieben, Vorträge<br />

gehalten und Ausstellungen gestaltet. Für<br />

sein jahrzehntelanges Engagement zum Schutz<br />

der bedrohten Wildpflanze wurde er 2018 vom<br />

Königshaus mit dem Orden der Ritter von Oranien-Nassau<br />

ausgezeichnet. Der niederländische<br />

Verdienstorden wird traditionell am Tag<br />

vor dem Königstag, dem Geburtstag des amtierenden<br />

Monarchen, an Menschen verliehen,<br />

die sich in besonderer Weise um Gesellschaft<br />

und Gemeinwesen verdient gemacht haben.<br />

Seit 2014 wird der „Koningsdag“ zu Ehren des<br />

Königs Willem-Alexander am 27. April gefeiert.<br />

Fred Bos, der seit 1975 Vorstandsmitglied der<br />

Königlich Niederländischen Naturhistorischen<br />

Vereinigung ist, wurde als „Retter der Roggenlilie“<br />

geehrt.<br />

Die Bedeutung der Feuerlilie in Kunst und Kultur<br />

reicht weit zurück: In der Bibel werden die<br />

„Lilien auf dem Felde“ sowohl im Alten wie im<br />

Neuen Testament erwähnt. Über Jahrhunderte<br />

behielt die Ackerfeuerlilie eine herausragende<br />

kulturelle Bedeutung. Die prächtige Pflanze<br />

ist in Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts<br />

beschrieben und auf Kupferstichen im 17.<br />

Jahrhundert künstlerisch porträtiert. Vor allem<br />

die flandrischen Maler haben Feuerlilien häufig<br />

in den Mittelpunkt ihrer barocken Stillleben<br />

gestellt. Populäre Darstellungen der schönen<br />

Blume gibt es auch aus jüngerer Vergangenheit:<br />

Sowohl in den Niederlanden (1994) als<br />

auch in Deutschland (2006) sind Briefmarken<br />

mit Abbildungen der Feuerlilie erschienen.<br />

Bis in die 1950er-Jahre herrschte die Meinung<br />

vor, die orangerot blühende Pflanze sei im nordeuropäischen<br />

Raum ausgewildert. Forscher<br />

fanden jedoch heraus, dass die Feuerlilie kein<br />

Gartenflüchtling, sondern eine Wildpflanze ist,<br />

deren Schönheit Gärtner angeregt hat, sie zu<br />

kultivieren. Wie die meisten anderen unserer<br />

Zwiebelgewächse könnte auch die Feuerlilie<br />

nach der letzten Eiszeit mit den jungsteinzeitlichen<br />

Ackerbauern aus den südosteuropäischen<br />

Steppen hier eingewandert sein. Fred Bos hat<br />

zahlreiche Aufsätze zu diesem Thema veröffentlicht,<br />

unter anderem in den renommierten<br />

Botanik-Fachzeitschriften „The Kew Magazin“<br />

und „Natura“. Der oft als „Feuerlilien-Papst“<br />

bezeichnete Niederländer hat in den vergangenen<br />

Jahrzehnten ganz Nordeuropa bereist<br />

und feststellen müssen, dass die Bestände<br />

der auf der Roten Liste als „gefährdet“ eingestuften<br />

Pflanze immer weiter zurückgehen.<br />

Tiefes Pflügen, enge Saatabstände mit starker<br />

Beschattung des Ackerbodens, Düngung und<br />

Herbizide haben die Feuerlilie an den Rand des<br />

Aussterbens gebracht. Fred Bos war gerade<br />

dabei, einen Nachruf auf die seltene Pflanze zu<br />

schreiben, als er 2007 bei einer Fachtagung im<br />

Emsland von Botanikern den Tipp bekam, nach<br />

Govelin zu fahren. Dort, nur wenige Kilometer<br />

von der Stadt Hitzacker entfernt <strong>–</strong> dem Geburtsorts<br />

von Claus von Amsberg, Prinzgemahl der<br />

niederländischen Königin Beatrix <strong>–</strong> konnte<br />

der Pflanzenexperte tatsächlich das größte<br />

Feuerlilien-Vorkommen in Nordeuropa nachweisen.<br />

Seitdem ist der Niederländer ein gern<br />

gesehener Gast im Haus der Goveliner Familie<br />

Bergmann, die auf ihren Feldern den Feuerlilien<br />

ein Refugium bereitet hat. Auf den schütteren<br />

Getreidefeldern, die von der Landwirtsfamilie<br />

auf Grund freiwilliger Naturschutzvereinbarungen<br />

extensiv bewirtschaftet werden, kann die<br />

Feuerlilie gedeihen. Sie wächst in Gesellschaft<br />

mit anderen seltenen Ackerwildkräutern, die<br />

ebenfalls im lichten Raum zwischen den Getreidepflanzen<br />

ihre Nischen finden. Das jährliche<br />

Pflügen des mageren Bodens im Herbst schafft<br />

den bedrohten Pflanzen günstige Wachstumsbedingungen<br />

fürs nächste Frühjahr.<br />

Als Ackerwildkraut kommt die streng geschützte<br />

Feuerlilie deutschlandweit nur im nördlichen<br />

Niedersachsen vor. Die größten Vorkommen<br />

befinden sich auf den eiszeitlichen Grundmoränenböden<br />

im Wendland <strong>–</strong> auf dem Drawehn<br />

bei Govelin, auf dem Höhbeck bei Gartow und<br />

im Öhring bei Lüchow.<br />

Wildkräuterschutz im Internet:<br />

www.schutzaecker.de<br />

Die Feuerlilie wächst auf spärlich mit Roggen und Hafer bewachsenen Feldern. Sie ist die auffälligste Erscheinung inmitten zahlreicher seltener<br />

Ackerwildkräuter der sogenannten Lämmersalat-Gesellschaft.<br />

Sommer 2021 11

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