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Schönes Leben – Ausgabe 73

Land, Kultur und Lebensart zwischen Elbestrand und Heidesand

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Das Fachwerkhaus ist das zentrale Gebäude des nach ihm benannten<br />

Freilichtmuseums. Es ist darum besonders interessant, weil es noch die<br />

älteste Form des niederdeutschen Hauses erkennen lässt. Es enthält<br />

sogar noch die alte freiliegende Feuerstelle in der Mitte der Querdiele,<br />

des sogenannten „Fletts“.<br />

Wer sich unter der Besichtigung des Freilichtmuseums vielleicht eine<br />

langweilige Führung mit einer bloßen Aneinanderreihung von<br />

Geschichtszahlen vorstellt, liegt allerdings voll daneben. Arno Becker<br />

versteht es nämlich meisterhaft, seine Zuhörer mit seinen humorigen<br />

Schilderungen und Döntjes aus Vergangenheit und Gegenwart über das<br />

Arbeiten und Alltagsleben, das Vierländer Brauchtum sowie die Hintergründe<br />

für den Reichtum in diesem mit Delfter Fliesen und Vierländer<br />

Intarsien-Möbeln ausgestattetem Hufner-Haus zu fesseln.<br />

So erfahren interessierte Besucher beispielsweise auch, was es mit den<br />

Vierländer Stubenküken auf sich hat, die heute noch auf der Speisekarte<br />

im noblen Hamburger Hotel Atlantic stehen. Beim Sitzen auf der<br />

Hühnerbank, die höher als gewöhnliche Sitzgelegenheiten ist, weil<br />

darunter die Glucken die Vierländer Stubenküken ausgebrütet haben,<br />

„kriegt man kein Bein auf die Erde“. Auch andere Redensarten wie<br />

„habt ihr Säcke vor den Türen?“, „Mensch, leg mal ´nen Zahn zu, du<br />

Tranfunzel!“, „ins Fettnäpfchen treten“ oder „die Tafel aufheben“ sind<br />

zwar heute noch gebräuchlich, aber die wenigsten Zeitgenossen kennen<br />

ihren Ursprung. Anhand der Hühnerbank und anderer Gegenstände<br />

erklärt Gästeführer Arno Becker im Rieck-Haus auf sehr anschauliche<br />

und eindrückliche Weise den Ursprung dieser Redensarten. „Lachen<br />

und Staunen sollte doch auf keinem Ausflug fehlen“, sagt der pensionierte<br />

Lehrer, der Museumsbesuchern auch gern das einzige strohgedeckte<br />

„Tante Meier“ (WC) Hamburgs präsentiert.<br />

„Auf der Hoinerbank kriegt man<br />

kein Bein auf die Erde.“<br />

Vor zugemauerten „Dieksdören“ erinnern die Gästeführer an die<br />

unmittelbare nachnapoleonische Zeit und leiten die Gäste langsam<br />

wieder zurück in die neuere Geschichte. Vollends wieder in der heutigen<br />

Zeit angekommen, sind sie dann bei der Besichtigung eines Blumen-<br />

oder Gemüsebetriebes, wo sie aus erster Hand über Anbau und Vermarktung<br />

und eben auch über die damit verbundenen akuten Probleme<br />

informiert werden. „Exklusiv können wir einen Maiglöckchen-Betrieb<br />

besuchen“, sagt Arno Becker. Die „Maiblumentreiberei“ war in den<br />

vergangenen Jahrhunderten in den Vierlanden weit verbreitet und ist<br />

mit dem Versand der Blühkeime in alle Welt auch heute noch ein wichtiger<br />

Wirtschaftszweig. Ab etwa Ende September können Besucher<br />

beim „Maiblumenpulen“ zuschauen, wenn die „schwangeren“ Blühkeime<br />

von den tauben Stielen von Hand getrennt werden. „Das ist eine<br />

Arbeit für Spezialistinnen und Spezialisten mit viel Erfahrung, schar-<br />

Kompetentes Team: Christel Dobslaff und Arno Becker zeigen Gästen die schönsten Ecken der Vier- und Marschlande. Besonders gern sind sie dabei mit<br />

ihrem Ford, Baujahr 1928, unterwegs, den Arno Becker in zehnjähriger Arbeit restauriert hat. <br />

Foto: Privat<br />

Sommer 2021 91

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